„There is lots of ice!“
Nordostgrönland – Expedition Nordmeer 2015
Sonnabend, 5. September – Teil 1 - Mestersvig – Treibeis und Nebelbogen - EisbäralarmEs war ruhig. Kein Maschinengeräusch war zu hören, die Dank des diesel-elektrischen Antriebs ohnehin kaum zu hören waren. Auch kein Wellengeplätscher. Aber Farbe war zu sehen um 05.30 Uhr. Dieses Mal war ich aufgestanden, schnell Hose und Fleece-Jacke an und raus an Deck, um die Morgenstimmung einzufangen.
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Meine Frau hatte den Tagesanbruch so erlebt:
Mestersvig
„Genug geträumt. Es ist 7 Uhr und erneut ein Bilderbuchmorgen. Es hält mich nicht im Bett. Ich gehe an Deck. Wir befinden uns in Mestersvig. Majestätisch und still liegt die imposante Bergkulisse vor mir. Schneebedeckte Riesen spiegeln sich im ruhigen Wasser, von der Sonne in rot-braunes Licht getaucht. Über dem Wasser liegt noch etwas Dunst, keine Welle kräuselt die Oberfläche. Nein, es ist noch nicht genug geträumt. Es geht schon wieder los. Ich kann nicht anders.“Und dies waren ihre weiteren Eindrücke vom Morgen.
Mestersvig Blick auf Nyhavn
Das waren die Fotos meiner Frau.
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Wieder begann der Tag mit Sonnenschein und spiegelglatter See. Wir lagen in der Bucht Mestersvig vor der ehemaligen Siedlung Nyhavn.
Korsberg .1052 m (links) Hestekoen 1.100 m (rechts
Im Sommer 1948 wurden von Geologen einer Expedition Hinweise auf Blei und Zink gefunden. Zwischen 1948 und 1951 waren 20 Bergbauspezialisten vor Ort, um die Abbaumöglichkeiten zu prüfen. 1952 erhielt die Northern Mining Corporation (Nordmine) Schürfrechte für 50 Jahre und im selben Jahr wurde ein Bergbaucamp eingerichtet und der Ort Minebyen wurde um den „Hafen“ Nyhavn erweitert, von wo aus zuletzt 1961 534 Tonnen von Blei- und Zinkerzen abgebaut wurden. Die Preise für diese Erze verfielen aber rapide, so dass der Bergbau eingestellt wurde. Ja, und die Überbleibsel konnten wir dann auf unserem Landgang „bewundern“. Lediglich die Häuser wurden abgebaut, der Rest liegt nunmehr auf dem Schrottplatz Nyhavn.
Alte Transportschuten. Diese Schuten brachten die Erzpaletten an ein in der Bucht ankerndes Schiff, wo sie dann mit bordeigenem Ladegeschirr übernommen wurden.
Ein altes Schleppboot
Noch ein Arbeitsboot. Am Propeller kann man den Eisschutz erkennen.
Ein Bagger aus Deutschland
Reste des Verschiffungshafens
Der Flugplatz Mestersvig wurde von der Dänischen Zivilluftfahrtverwaltung zur selben Zeit eingerichtet, als Minebyen expandierte. Er wurde 1952 in Betrieb genommen. Alles war zu Beginn mehr als spartanisch. Erst Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre wurden Erweiterungen vorgenommen, z.B. der Bau von neuen Wohnhäusern für die Flugzeugbesatzungen eines Wasserflugzeugs und anderer Flugzeuge. Hier wurde die seinerzeit sehr geschätzte, weil robuste, DC-3 von Island aus eingesetzt. Das Flugfeld wird heute noch für staatliche und wissenschaftliche Untersuchungen als auch sportliche Expeditionen erhalten.
Auch „Übernachtungsmöglichkeiten“ gibt es noch. Hier sogar mit windgeschützter Terrasse.
Es zeigte sich, dass der Winter nicht mehr weit weg war.
In Mestersvig sind im Sommer zwei Mitglieder der Sirius Patrouille stationiert, die sich natürlich über den Besuch der FRAM und den frischen Proviant wie Obst und Gemüse als auch die Einladung zum Mittagsbuffet freuten.
Ebenso freute sich der Husky mal andere Menschen zu sehen, denn er wuselte ganz aufgeregt zwischen den Beinen der Blaumeisen hin und her.
Noch ein Blick über den Kong Oscar Fjord zur anderen Seite auf die bis zu 1.376 m hohen Svinhufvuds Bjerge auf Traill Ø bevor es zum Schiff zurückging. Vom Schiff kam die Meldung an das Expeditionsteam an Land, dass wir doch früher als geplant Nyhavn verlassen mussten, weil sich wieder ein dichter und dicker Treibeisgürtel bildete.
Aber vorher musste ich mir natürlich noch einen Aufnäher von Mestersvig für den „Angeber-Foto-Rucksack“ kaufen, ebenso wie eine kuschelig-warme Fleece-Mütze mit der Aufschrift „Mestersvig“. Wer angibt hat mehr vom Leben?
Svinhufvuds Bjerge
Auf diesem Foto konnte man sehen, wie weit das Schiff draußen im Fjord lag, denn die flachen Untiefen erstreckten sich weit in den Fjord hinein.
Auf dieser Aufzeichnung ist deutlich zu sehen, wie weit die FRAM am 2. September in die Grönlandsee fahren musste, um den Treib- und Packeisgürtel zu umfahren.
Um 12.00 Uhr verließen wir Mestersvig und fuhren mit langsamer Fahrt bei herrlichstem Wetter und tollen Aus- und Ansichten durch den Kong Oscar Fjord und dessen Ausgang Davy Sund.
Pictet Bjerge mit dem Snevæggen (rechts)
Und immer wieder trieben skurrile Eisskulpturen an uns vorbei. Es sollten noch mehr werden.
Es bildete sich ein leichter Dunstschleier über dem Wasser in Ufernähe.
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Wieder bot sich ein Panoramablick auf die mit Eis und Neuschnee bedeckten Berge mit dem 2.028 m hohen Tårnfjeld (rechts) und dem Bersærkergletscher in der Mitte.
Dunvegon Toppene 1.894 m
Es war jetzt kurz nach 12.00 Uhr und die Sonne spiegelte sich im glatten Wasser des Kong Oscar Fjords.
Langsam verabschiedeten wir uns von dem Bergmassiv der Stauning Alper.
Hatten wir ja lange nicht – Treibeisschollen.
An Backbord lag das mächtige Massiv der Japetus Bjerge auf Traill Ø.
Wir trauten unseren Augen nicht: Snoopy schob eine Eisscholle vor sich her.
Auch andere „Vögel“ waren zu erkennen.
Pictet Bjerge
Durch das langsame Dahingleiten der FRAM ergaben sich wunderschöne Wellenformationen. Dieses hängt nunmehr als Foto auf Acryl als Hintergrundabdeckung in unserem Gäste–WC.
„Ice Art“
Und diese Möwe hatte sich diese Scholle als Zwischenlandungsplatz ausgesucht.
Wir entdeckten Basaltsäulen am Davy Sund.
Und die „Eisschollen“ wurden mächtiger.
Ein mächtiger „Eistisch“ treibt im Davy Sund. Er hatte vier vertikale knallblaue Glaseisstreifen, ein Zeichen, dass dieser Bereich besonders starker Pressung im Gletscher ausgesetzt gewesen war, der die Luftblasen herausgepresst hatte.
Ach ja, gegessen hatten wir noch schnell vor unserer Abfahrt von Nyhavn, denn bei dieser spektakulären Natur ist das Essen absolute Nebensache – obwohl, es gibt ja auch Passagiere, die das Essen ja auch bezahlt hatten und es nun ausnutzen wollten ….
Jetzt lasse ich mal kurz eine Anekdote von meiner Frau erzählen:
„Gerade befinden wir uns in der Nähe der Rezeption, als wir mitbekommen, wie in Mitreisender versucht, Auskunft über die Rückreise zu bekommen. Vergeblich hat er seinen Namen auf der Liste gesucht und sagt nun zu Erman, dem Rezeptionisten, „… We have booked bei our Reisebüro ...“ So ähnlich geht es auch weiter. Ja, ich weiß, nicht jeder kann perfekt Englisch, trotzdem können wir uns ein Grinsen nicht verkneifen. Erman versucht nach Kräften, das Englisch-Deutsch-Kauderwelsch zu verstehen, und gibt den Rat, noch einmal auf der Liste nachzusehen. Und siehe da, lesen hilft! Zufrieden zieht der Mann von dannen. „Die Sonne schien herrlich und es war auch gar nicht so kalt, wenn man die entsprechende Kleidung hatte. Dann konnte man die ganze Zeit auf der Back an unserem „Arbeitsplatz“ verbringen. Ab und zu holte einer von uns Kaffee im Thermobecher. Dazu etwas Schokolade und dann die Aussicht – was wollte man mehr?
Funkelnde Sonnensterne im Wasser.
Zweijähriges Eis mit einem Pfannkucheneis-Pool in der Mitte im Davy Sund.
Das Treibeis wurde dichter.
Eine nicht enden wollende Eiswüste. Am Horizont deutete sich Nebel an.
Und immer wieder diese faszinierenden Farben!
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In den Werner Bjergen entdeckten wir im Hintergrund den Siriusgletscher.
Unser erster Anlandungsplatz Antarctic Havn am 2. September abends, den wir nun passierten
Und plötzlich wurde es spannend!
Eisbärspuren!!! Man konnte die Abdrücke der riesigen Pfoten gut sehen.
Und noch mehr Spuren! Ein Einzelgänger.
Und hier hatte wohl das Festmahl des Eisbären stattgefunden!
Ob wir wohl noch auf einen Eisbären treffen würden? Es war spannend – und so blieben wir dann ja auch an Deck und mit dem Fernglas immer wieder das Eis absuchend.
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Die FRAM musste sich immer mehr durch das zunehmend dichter werdende Eis schlängeln. Sie fuhr – angeleitet von den Ausguckposten auf der Brücke – einen richtigen Zick-Zack-Kurs.
Wir konnten uns von den Farben einfach nicht trennen.
Mittlerweile waren wir am Ausgang des Davy Sunds angekommen und sahen an unserer Steuerbordseite die Arhus Bugt mit dem Bowen Bjerg und einem nicht benannten Gletscher.
Kap Wardlow - Davy Sund
Es ergaben sich auch tolle Sonnenspiegelungen, wie hier.
Eine große Eisscholle trieb vorbei, auf der man den Schatten des Bugs der FRAM sehen konnte. Und auch der Fotograf war zu erkennen.
Wir entfernten uns nun von der Küste
und fuhren dem Nebel entgegen.
Weiter draußen auf See zog wieder ein großer Tafeleisberg seine Bahn.
Und immer wieder andere Skulpturen.
Eiszähne
[url=http://abload.de/image.php?img=img_4842-ricicles-sk-[url=http://abload.de/image.php?img=img_4842-ricicles-sk-wmufq.jpg]
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Und erneut Eisbärenspuren! Der Bursche musste doch wohl irgendwo stecken!
Und hier sah man sie noch deutlicher.
Es hatte sich neues Pfannkucheneis gebildet – es wurde also kälter!
Immer noch vor der Arhus Bugt.
Wieder ein Tafeleisberg vor der Arhus Bugt.
Plötzlich sahen wir etwas Seltsames:
Dicht über der Wasseroberfläche zog ein Eissturmvogel seine Bahn und ein Nebelbogen hatte sich gebildet. Eigentlich ist ein Nebelbogen ein weißer Bogen. Dieser aber war farbig. Und wir hatten doch keinen Regen! Es konnte also nur etwas mit der Größe der Nebeltropfen zu tun haben. Und man muss auch mit dem Rücken zur Sonne vor dem Nebel stehen, da sonst der Nebel zu viel Licht wegnimmt.
Irgendwie wurde es wieder mystisch und unheimlich, durch die treibenden Eisschollen im Nebel zu fahren.
Und wieder deutete sich ein Nebelbogen an.
Dieses Mal ist der Nebelbogen erkenntlich weißer.
Und hier ist er richtig zu erkennen, der Nebelbogen.
Und wieder Eisbärspuren! Es wurde richtig spannend ob und wann er denn nun auftauchen würde, der König der Arktis.
Jetzt schien es etwas aufzuklaren.
Und DANN WAR ER DA:
Der König der Arktis.
Im funkelnden Sonnenlicht
Ein Eissturmvogel zog an ihm vorbei – was ihn nicht sonderlich interessierte. Dieses Fleisch stand nicht auf seinem Speiseplan.
Auch das Schiff schien ihm kein lohnender „Angriffspunkt“ zu sein: Zu groß, zu rot, zu schwarz.
Ab in das Wasser.
Platsch – weg war er.
Noch einmal das Wasser aus dem Kopf geschüttelt
… und ab die Post – ähhh, der Eisbär.
War er das nun, der Herrscher oder der König der Arktis? Oder war das nur sein kleinerer Bruder? Immerhin mussten wir von den ersten Spuren um 14.13 Uhr bis 18.29 Uhr, also vier-ein-viertel Stunden auf ihn warten. Und jetzt kann man nur ein ganz kleines bisschen erahnen, welche Geduld die professionellen Tierfotografen aufbringen müssen.
Mal sehen, was sonst noch kam an diesem Tag. Immerhin war es schon 18.30 Uhr.
Fortsetzung folgt.
Gruß
Ronald