28. Tag – 01. September 2021 – Mittwoch Ich werde immer früher fertig; heute komme ich bereits um 07:30 Uhr vom Platz. Dabei hatte ich mir viel Zeit gelassen und schon meine Sachen für die Fährüberfahrt zusammen gepackt. Vielleicht ist es ja die innerliche Vorfreude auf zu Hause, die mich im Unterbewusstsein antreibt.
Nach ein paar Kilometern Gravelroad bin ich wieder auf der Ringstraße. Bis zum Einchecken auf der MS Norröna habe ich noch viel Zeit. Zeit genug, um einen Abstecher zu Islands gewaltigsten bzw. tiefsten Canyon, den Stuðlagil zu machen.
Also wieder runter von der Ringstraße und rauf auf die nächste Schotterpiste – der 923. Gleich zu Beginn der Straße gibt es ein großes Hinweisschild auf zwei Optionen um an den Canyon heran zu kommen: Von einem Parkplatz in Klaustursel kann man 10 Kilometer (hin und zurück) am Fluss Jökulsá entlang wandern oder man fährt noch ca. 5 Kilometer weiter zu einem Aussichtspunkt.
Ich habe heute keine Lust auf Wandern. Das Wetter ist zwar riesig und die Gegend wunderschön. Aber ich habe das Gefühl, in den letzten Tagen so viel gewandert zu sein, dass ich auch mal etwas Pause brauche. Also entscheide ich mich für die 5 Kilometer enge und staubige Berg- und Talfahrt.
Das Ergebnis ist sensationell. Ein enger Klamm oder Canyon aus mächtigen Basaltsäulen, in dem sich das grau-braun-trübe Wasser des Gletscherflusses Jökulsá á Brü zwängt.
Von einem Campingplatz aus führen rund 240 Stufen eine Stahltreppe hinunter zu einer Aussichtsplattform, von der man einen schönen Blick auf die Basaltsäulen und den Canyon hat.
Allerdings kann von dieser Seite nicht an den Fluss heran gelangen, wie gegenüber von der Ostseite.
Anschließend die 20 Kilometer Schotterpiste wieder zurück zur Ringstraße. Ich hoffe, das waren für diese Reise die letzte Kilometer Gravelroad, denn wirklich Spaß macht es nicht.
Ohnehin habe ich heute das Gefühl, dass die Breite der Straßen in Island enger ausgelegt ist, als in Deutschland. Meist ist man ja alleine unterwegs, aber bei der Begegnung mit einem größeren Fahrzeug habe ich schon das Gefühl, es wird eng. Ich glaube, zwei Lastkraftwagen nebeneinander müssen schon deutlich das Tempo drosseln, um unbeschadet aneinander vorbei zu kommen.
Auf dem Weg nach Egilsstaðir befindet sich unmittelbar an der Ringstraße der Rjúkandi Wasserfall, der mit seinen 163 Metern Höhe mächtig ins Tal fällt.
Ein kleiner Parkplatz, ein gut angelegter Weg und man erreicht schnell den Punkt der besten Sicht/Aussicht auf den Wasserfall.
Das war’s denn auch schon mit meinen Wasserfällen in Island, denke ich und fahre weiter zum Einkaufen nach Egilsstaðir. Bonus und Netto, die führenden Namen in der Lebensmittelversorgung. Hier kann ich meine letzten isländischen Kronen in Mitbringsel und Naschies eintauschen.
Ich habe übrigens in ganz Island während der vier Wochen nirgendwo Bargeld benötigt. Zwar hatte ich mir gleich nach der Ankunft etwa 5.000 ISK im Geldautomaten geholt, gebraucht habe ich sie nirgends. Überall wird wie selbstverständlich mit der Kreditkarte oder auch mit der EC-Karte der Sparkasse bezahlt.
An der N1-Tankstelle hole ich mir einen Kaffee, setze mich mit meinem Wienerbrød auf die Terrasse in die Sonne und betrachte in aller Ruhe das Treiben. Es sind jetzt über 20 Grad und es herrscht nahezu Windstille. Ein richtig schöner Sommertag.
Nach einer Weile ist der Kaffee ausgetrunken und das Wienerbrød war wie gewohnt lecker. Ich beschließe, den Staub vom Auto zu waschen. Gleich um die Ecke ist ein großer Waschplatz mit Wasserschlauch und Waschbürste. Ist zwar nur kaltes Wasser, aber ich bekomme die größten Verschmutzungen vom Fahrzeug. Zu Hause gibt es dann eine Großreinigung. Denn der Staub und Dreck von vier Wochen Schotterpiste steckt in allen Ritzen und Poren.
Frisch gewaschen geht es jetzt zum letzten Abschnitt, der Straße 93 nach Seyðisfjörður – eine Straße, die es in sich hat. In wenigen Minuten geht es von Meeresspiegelhöhe auf über 600 Meter. Das bedeutet Steigungen und Serpentinen. Ich habe den Eindruck, die Straße nimmt kein Ende.
Doch zuvor schiebe ich noch einen allerletzten Wasserfall in meine Rundreise. Also ist es nicht der Rjúkandi sondern der Fardagafoss, der den Abschluss bildet.
Auch hier gibt es einen kleinen Parkplatz und ca. 1,5 Kilometer bis zum Aussichtspunkt zu laufen. Bei steilem Aufstieg und dem grob geschotterten Weg brauche ich rd. 25 Minuten. Natürlich weil auch hier immer wieder schöne An- und Aussichten zu bestaunen sind, wie zum Beispiel den Onno-Óltifoss auf halbem Wege. Doch damit ist das diesjährige Wasserfall-Programm wirklich zu Ende. Auf geht’s nach Seyðisfjörður.
Hier herrscht lebendiges Treiben. Ein Kreuzfahrtschiff liegt an der Pier und die vielen Touristen drängeln sich in den wenigen und kleinen Butiken. Und natürlich vor der Kirche mit ihrer regenbogenfarbenen Zuwegung. Jeder will ein Foto davon – ich natürlich auch. Und jeder möchte sich davor noch mal gerne in Pose setzen oder stellen (ich nicht). Es ist so gut wie unmöglich, hier einen Moment zu erwischen, auf dem fremde Menschen nicht auf dem Bild sind.
Zum Abschluss noch ein kurzer Besuch bei dem Klangkunst-Monument Tvisöngur auf der Ostseite des Fjordes. Ein mühsamer Aufstieg von knapp 700 Metern und dann sieht man sie – die sieben ineinander verwobenen kleinen und größeren Kuppeln, in deren Innenräume der Klang jedes Mal anders sein soll.
Ich glaube, mein Gehör hat im Alter nachgelassen, denn ich nehme kaum einen Unterschied wahr.
Nun ist es bereits 16:00 Uhr und ich fahre in den Ort zurück, nachdem ich auf den Weg noch einen kurzen Fototermin beim Audbjorg ship, ein altes Schiff, das irgendwann einmal aus dem Wasser gezogen wurde und seitdem an Land vergammelt. Eine Sehenswürdigkeit würde ich es nicht nennen, aber für ein Foto ist es allemal zu gebrauchen.
Jetzt wird es Zeit zur Einschiffung, finde ich. Ich stelle mich in die Reihe der wartenden Autos im Terminal der Smyril Line. Sehr zügig an vier Schaltern erfolgt das Einchecken. Nur kurz das Ticket gezeigt, die Kabinenkarte bekommen und einen Anhänger für den Rückspiegel, auf dem vermerkt ist, ob „niedrig“, „mittel“ oder „hoch“. Denn je nachdem die Fahrzeughöhe ist wird man später auf einem der Fahrzeugdecks an Bord „gestapelt“.
Bei einigen Fahrzeugen steht noch ein Mitarbeiter der Reederei mit einer Messlatte, um die tatsächliche Höhe bestimmen zu können. So etwas habe ich auch noch nicht gesehen.
Nach dem Einchecken geht’s in die Wartespur. Ich habe dort aber kaum noch die Zeit, mich umzuziehen, weil ich meine Wanderklamotten an Bord nicht tragen möchte. Die Fahrt geht unverzüglich weiter zum Schiff.
Kurz vor der Einfahrt in den Schiffsbauch wird noch einmal das Ticket geprüft bzw. der QR-Code gescannt und schon geht’s an Bord.
Nach zwei Kurven und einer Drehung finde ich endlich meinen Platz. Die Autos werden dabei so eng aneinander gequetscht, dass an kaum noch Platz hat, dazwischen zu treten, um zum Beispiel den Kofferrau öffnen zu können. Mir ist das egal – meine Sachen sind gepackt. Mit einem Handgriff habe ich alles beisammen und wandere zu meiner Außenkabine.
Die ist in Ordnung; Dreibett zur Alleinbenutzung mit leichter Sichtbehinderung. Damit kann ich für die nächsten drei Nächte leben.
Nicht besonders gut hingegen ist später der Cheeseburger in der Cafeteria – lauwarm und pappig. Und das alles für 15 €! Muss ich nicht wieder haben.
Die Fähre kommt super pünktlich von Seyðisfjörður los und fährt relativ schnell in die Nacht.