von Chris665 » Di, 12. Jan 2010, 10:38
Hallo, ich hab dir mal kopiert, was wir auf den Lofoten erlebt haben. Hoffe, du kannst dem ein paar Tipps entnehmen. Grüße von Chris
In Moskenes angekommen, befinden wir uns gleich mittendrin in der spektakulären Natur-Inszenierung. Wir lassen das Auto erstmal stehen und fahren mit den Rädern die 8km nach A, wo wir alles besichtigen, das Stockfischmuseum, die ganzen Fischerbuden, probieren auch Lebertran, igitt! Hier leben weit mehr Möven als Menschen, die Geräuschkulisse ist jedenfalls ohrenbetäubend. Ein Gang zum See und über den Hausberg, ein letztes Zelt duckt sich da im heftigen Wind, eine Felswand schützt vor dem offenen Atlantik, ein paar vorgelagerte Inseln in der Ferne, das ist Lands (Lofotens-)End. Toll! Am nächsten Tag geht´s in 6 Stunden zu Fuß von Sorvagen in phantastischer Szenerie aus Bergen, Seen und Meer zur Munkebu-Hütte und zurück. Reine ist ein Traum, nicht nur wegen der Galleri Harrer, sondern wegen der gesamten Lage und Einbettung! Für die Tour auf den Reinebringen (Einstieg: Vom Parkplatz an der Abzweigung zum Zentrum von Reine an der E10 zurück in Richtung Moskenes gehen) ist es heute leider viel zu stürmisch. Die schmale Straße führt sehr reizvoll über Brückchen und Inselchen weiter gen Nordosten (netter Fischladen auf Sakrisoy, Entsorgungsstation auf Hamnoy gleich bei der Brücke). Schließlich biegen wir rechts nach Sund ab und besichtigen das dortige Museum. Allerhand Maritimes, darunter eine Menge alter Schiffsdiesel gibt es zu sehen. Einer davon blubbert den ganzen Tag vor sich hin und verpestet die Luft. Mittendrin steht der Schmied von Sund in seiner Werkstatt und schmiedet unverdrossen einen Souvenir-Kormoran nach dem anderen. Er ist ein lustiger Typ, für jede Ablenkung dankbar und für jeden Schwatz zu haben. Fast beeindruckender noch ist der Schiffs-Schrottplatz neben dem Museum. Zwei Kutter sind zur Reparatur an Lang gezogen worden, inmitten eines kuriosen Sammelsuriums vielleicht noch brauchbarer Teile und halb verfallener Rorbuer. Wie bei Messies daheim! Das gesamte Ensemble aus Museum und Werft vermittelt eindrücklich, wie hart das Leben hier der Natur abgerungen werden muss, und zu der gehören heutzutage auch die Touristen. Gegen Gebühr dürfen Womofahrer übernachten, und unter der Voraussetzung, dass abends der qualmende Schiffsmotor abgestellt wird, könnte ich mir vorstellen, dass es sich hier geruhsam schlafen lässt. Wir wollen heute aber noch Nusfjord sehen, und zwar zu Fuß von Vestre Nesland aus. Diese verlassene Ansiedlung soll ebenfalls sehenswert sein, doch auf halben Weg dorthin müssen wir umkehren, weil der Sturm so stark bläst, dass wir fürchten, mit dem Womo umzukippen. Jedenfalls können wir uns vorstellen, warum der Ort verlassen wurde! So nehmen wir die offizielle Zufahrtsstraße nach Nusfjord, zahlen Eintritt und besichtigen den pittoresken Mini-Hafen samt Sägewerk und Tante Emma-Laden. In Nusfjord befindet sich ein Stockfisch-Sammel- und Umschlaglager. Wir haben Glück, denn ein LKW biegt um die Ecke, die Tore der Lagerhalle öffnen sich, und so können wir Einblicke bekommen und zuschauen, wie die gepressten Stockfisch-Bündel palettenweise verladen werden. Der nächste Tag gehört Fredvang. Die kleine Wanderung nach Mulstoa am Nordzipfel der Halbinsel enttäuscht etwas, aber die schweißtreibende zur Kvalvika an der Lofoten-Außenseite, vorbei an einem kleinen Bergsee, entschädigt dafür. Ein geheimnisvoller Magnetismus zieht uns zurück nach Reine. Damit sind wir noch nicht fertig! Da noch immer starker Wind die Tour auf den Reinebringen verbietet, kraxeln wir über Stock und Stein und durch die Büsche wenigstens bis oberhalb des Trinkwassersees hinauf und saugen beim gemütlichen Picknick die sagenhafte Szenerie in uns auf. Dann nehmen wir endgültig Abschied und machen uns auf zur Glasbläserei in Vikten. Was von Ferne aussieht wie ein Sperrmüllhaufen entpuppt sich als Architektur-Kleinod, bis in´s kleinste Detail ausgestaltet und verziert. Hier wie in allen anderen Kunstausstellungen wird ein kleines Eintrittsgeld verlangt, das allein die Innenarchitektur, aber auch die Glaskunstwerke rechtfertigen.
Vor dem Tunnel zur Nachbarinsel Vestvagoy biegen wir links nach Myrland ab, werden aber enttäuscht. So toll ist es da nicht, auch der Weg. Wollten wir uns nur davor drücken, der wilden, unglaublich eindrucksvollen Insel Moskenesoy den Rücken zu kehren? Oder ahnen wir, was das Durchfahren des Nappstraumstunnels bedeutet? Es geht so tierisch steil in die Tunnelröhre hinab, dass ich herunterschalten und bremsen muss, und unvermittelt geht es dann ebenso steil wieder hoch und heraus. Als Fahrradfahrer oder Fußgänger möchte man hier nicht unterwegs sein! Zum Glück gibt es für die im Sommer eine Fähre.
Auf Vestvagoy entscheiden wir uns für die Nordseite und biegen kurz nach dem Tunnel links ab. Durch wunderschöne, einsame Landschaften gelangen wir schließlich zum traumhaften Sandstrand von Haukland. Später wandern wir auf der alten Piste um die nächste Halbinsel herum zum ebenso schönen Strand Utakleiv, und zurück geht´s hoch über den Berg mit Super -Ausblicken. Wer mit dem Womo durch den Tunnel fährt, kann dort in Utakleiv gegen Gebühr übernachten.
Der nächste Tag gehört dem Wikingermuseum in Borge. Das größte je gefundene Langhaus wurde rekonstruiert, und verkleidete Studenten mimen dort Wikingerleben. Ein ausgesprochen eindrucksvoller Ort, den unser deutsch radebrechender Führer auf äußerst amüsante Weise zum Leben erweckt. Vom ursprünglichen Gebäude waren nur die Pfostenlöcher übrig gewesen. In denen fand man kleine Goldplättchen, auf denen sich zwei Götter oder Stammeltern umarmen, wobei sie gen Himmel blicken. So stellte man sich womöglich die Erschaffung der Welt vor. Wir glauben das gerne! Später spazieren wir noch zum Wasser hinunter und besichtigen eine Schmiedehütte und die Wikingerschiffe. Super super super, das Ganze! Wir übernachten in Eggum, wo die Gemeinde gegen Einwurf eines Obolus in ein Kästchen am Ortsende das Campieren beim alten Fort an der Lofoten-Außenseite erlaubt. Von dort führt ein Wanderpfad über Stock und Stein die raue Küste entlang nach Unstad, dem wir folgen, bis uns die Puste ausgeht. Zu Beginn der Tour prangt auf einer Säule, an der sich die Schafe mit ihren schmutzigen Pelzen reiben, eine verblüffende Skulptur: Ein rötlicher, metallener Kopf verändert seine Gestalt, wenn man um ihn herumgeht. Zunächst steht er aufrecht, nach 90 Grad steht er auf dem Kopf, bei 180 Grad wieder aufrecht usw. Das Ganze gehört zur „Artscape Nordland“, deren einzelne Exponate uns mehrfach begegnet sind. Kunstinteressierte können ihre Reise ganz auf das Aufsuchen dieser in der Landschaft verteilten Skulpturen abstimmen. Ein Stück weiter liegt ein toter Wal auf dem Steinstrand, der schon erheblich in Verwesung übergegangen ist und die Luft in weitem Umkreis verpestet. Später taucht ein Briefkasten auf, in dem sich das Tur-Buch befindet. Viele Wanderer haben hier ihrer Begeisterung Ausdruck über die herrliche Tour verliehen. Aber es findet sich auch der folgende lapidare Eintrag: „Det regnet. Hvaler stinket. Tine, Stina...” (Es regnet. Der Wal stinkt. Unterschriften).
Weiter geht´s nach Henningsvaer mit seiner eindrucksvollen Kunstgalerie und einer Menge halb verfallender Häuser. Nächste Station ist Kabelvag, die alte Inselhauptstadt mit dem Museumsdreiklang aus Aquarium, Galerie Espolin und Heimatmuseum (Kombiticket ist billiger). Nach der Begegnung mit dem wild lebenden Otter in Bodö reizt uns das Aquarium nicht sehr, eher tun uns die eingesperrten Meerestiere leid. Der Künstler Kare Espolin Johnson hatte als Kind einen schweren Sehfehler und entwickelte aus diesem Grund eine spezielle Hell-Dunkel-Technik, die manchen vielleicht zu monochrom erscheint. Wir sind aber begeistert, besonders von den Darstellungen der Fischer, wie sie sich gegen die raue Natur stemmen. Das Heimatmuseum beeindruckt uns mit einer authentisch eingerichteten Rorbua (Rudererbude). Wenn die Fischschwärme aus der Barentsee eintrafen, kamen viele Ruderer, also Fischer, als Saisonarbeiter, und die mussten irgendwo untergebracht werden. So entstanden die vielen, oft auf Pfählen stehenden Rorbuer, in denen heute Touristen wohnen. Auf alten Fotografien im Museum wird uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass sich das alles ja im bittersten Winter abgespielt hat und sich noch heute abspielt, damals allerdings mit offenen Ruderbooten. Unvorstellbar! Ein Denkmal an der Mole in Svolvaer-Svinoya erinnert wohl daran, wie manche Frau und/oder Mutter ihren Männern zum letzten Mal nachwinkte. „Magic Ice“ in einem alten Kühlhaus am Kai von Svolvaer setzt die Fischerei-Thematik in bunt beleuchtete Eisskulpturen um. Wir wissen nicht so recht, ob uns die schön-schaurig-kitschige Inszenierung gefällt. Auf jeden Fall wird uns hier auf den Lofoten erst so richtig die Bedeutung von Bergen und Bryggen als Handelsdrehscheibe für Stockfisch aus dem Norden und Mehl, Bier usw. aus dem Süden klar, nicht zuletzt auch wegen der vielen Trockengestelle, die überall stehen. Im Sommer sind sie allerdings leer, weil der Fisch schon im April fertig getrocknet ist.
Im Hafen von Svolvaer versammeln sich immer mehr Leute, und wer biegt um die Ecke? Die „Nordlys“!
Weiter geht´s. Wir staunen über die spektakuläre Lage der Kirche von Vestpollen, die sich von dem wunderschönen Rastplatz kurz vorher bietet. Dann wollen wir dem Raftsund einen Besuch abstatten, kommen aber nicht weit auf der Schüttelpiste, weil wir von Straßenbauarbeiten aufgehalten werden. Ein netter LKW-Fahrer, der mit uns wartet und ausgiebig mit uns plauscht, rät uns mit Rücksicht auf unser Fahrzeug davon ab, auf der frisch mit Öl und Grus präparierten Piste den Baumaschinen hinterher zu fahren. So kehren wir um und setzen zum Sprung auf die Vesteralen an. Erste Station ist Stokmarknes mit dem Hurtigrutenmuseum. Vor dem Museum wurde die alte „Finnmarken“ von 1956 an Land gezogen, und man kann nach Herzenslust im Plüsch der 50er Jahre mit Holzintarsien an den Wänden, Meerjungfrauen-Mosaik im Herrensalon usw. herumspazieren. Nach und nach wird das alte Schiff restauriert.
Weiter geht´s Richtung Andenes. Die Strecke auf der 82 zieht sich, kommt uns langweilig vor, und so wechseln wir auf die Außenseite der Insel. Schließlich landen wir in Bleik und unternehmen eine sagenhafte Bergtour auf den Matind, zwischen Meer und Seen. Der Wind frischt wieder auf, und Andenes empfängt uns mit heftigem Sturm. Wohl deshalb ist auch ohne Reservierung noch Platz auf dem Kutter zur Walsafari. Aber es fällt uns relativ leicht, darauf zu verzichten: Keine Lust auf Seekrankheit, keine Lust, für ein verwackeltes Foto einer Walfluke die Gischt auf der Kamera zu haben. Schon an Land ist es bei dem Sturm und der Brandung schwierig, zu fotografieren. Wir haben so etwas auch schon oft genug in Filmen gesehen. Und irgendwie denken wir beide, dass es vielleicht besser ist, die Wale, die es schon schwer genug haben, in Ruhe zu lassen. Ja aber, wenn wir doch schon einmal hier sind, wo die Tiefsee nur einen Kilometer vor der Küste beginnt, überlegen wir noch. Im Walmuseum erfahren wir dann von wissenschaftlichen Studien zum Thema. Als Indikator für den Stress, den die Tiere durch die Safaris erfahren, wird die Länge der Atemzeiten genommen. Zu Beginn der Saison verkürzen sich diese erheblich. Die Wale tauchen wegen der Safariboote also nur so kurz wie möglich auf und atmen hektisch. Je länger die Saison dann dauert, desto mehr gewöhnen sie sich daran (immerhin). Nein, für uns gibt es genug anderes in Andenes zu sehen: Den Leuchtturm besteigen, das kleine, etwas skurrile Polarmuseum besichtigen, das sich hauptsächlich mit Spitzbergen befasst, den angrenzenden Schuppen, in dem sich ein weiteres Exponat der „Artscape Nordland“ befindet: Fundstücke vom Strand und überall her, fein säuberlich in Regale geräumt und katalogisiert. Und natürlich „Hisnakul“, ein Multifunktionsbau: Hier ist das Touri-Büro, eine Art Gemeindesaal und ein Nordlicht-Museum. In einem ehemaligen Kühlraum befindet sich der "Andoy Histograf". Der sehr eindrucksvolle, schummerige, nach Fisch riechende Raum wurde von den Bewohnern Andoyas ausgestaltet, indem sie ihre Gedanken über Mythen und Naturphänomene des hohen Nordens an die blauen Wände gemalt und dazu ihre Gesichter in Form von Gipsmasken verewigt haben. Stahlskulpturen ergänzen die Installation.
Wir suchen uns einen sturmgeschützten Platz zum Schlafen und stehen am nächsten Morgen mit frisch gewaschenen Ohren erwartungsvoll in der Wartespur der Fähre nach Senja...