Küstenkultur: Norwegens Leuchtfeuer
„Leuchtturmreise“ entlang der norwegischen Küste
Teil 98
Slettnes – Gamvik - Troms og FinnmarkSlettnes Leuchtfeuerstation – aufgenommen am 20.06.2013 – 00.17 Uhr von MS NORDNORGE aus
Slettnes Leuchtfeuerstation liegt in der Gemeinde Gamvik auf der Nordkinn-Halbinsel in der Provinz Troms og Finnmark. Slettnes ist der nördlichste Festlandsleuchtturm der Welt. und einer der wenigen Leuchttürme in der Finnmark der von den deutschen Besatzern während des Abzugs 1944 nicht vollständig zerstört wurde.
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Der Leuchtfeuerdirektor erklärte, dass Seeleute seit jeher ein Leuchtfeuer in dieser Gegend forderten. Daher wurde im Budget für 1902-1903 für die erste Laufzeit ein Betrag von 5.000 Kronen von insgesamt geschätzten 168.000 Kronen zugewiesen. Im Budget für 1895-1896 als auch 1900-1901 wurde ein weiterer Ermessensspielraum von 150.000 Kronen für ein Leuchtfeuer bei Slettnes festgelegt.
Der Amtmann schlug Nordkyn an der Nordwestspitze der Nordkinn-Halbinsel als Standort vor. Die Linienreedereien jedoch unterstützten Slettnes als bevorzugten Standort.
Schließlich wurde ein Grundstück für 200 Kronen vom Eigentümer A. Brodtkorb in Vardø gekauft. 1903 wurde zunächst eine Baracke für die Arbeiter errichtet und ein Teil der vorbereitenden Arbeiten ausgeführt. 1905 wurde das Wohnhaus mit drei Zimmern und einer Küche fertiggestellt. Als weitere Gebäude wurde ein Wohnhaus mit drei Zimmern und einer Küche für die Assistenten gebaut sowie ein Zimmer und eine Küche für einen Reserveassistenten. Die Station wurde komplettiert mit einem Wirtschaftsgebäude, einem Stall, einem Kohlen- und Holzboden, einem Öllager, einer kleinen Schmiede sowie einem Bootshaus. Letzteres bot Platz für die Boote des Leuchtfeuerwärters sowie der Assistenten.
Der Gusseisenturm und das darauf zu montierende Feuerhaus wurde von der Marinewerft in Horten geliefert. Mit dem Sockel und dem Feuerhaus war der Turm 35,8 m hoch und hatte 102 Treppenstufen. Das Leuchtfeuer bestand aus einem Linsenapparat 2. Ordnung und wurde am 15. September 1905 angezündet.
1920 wurde u.a. von der Kapitänsvereinigung die Einrichtung eines Nebelsignals gefordert. Hierfür wurden 160.000 Kronen bewilligt. Das Nebelhorn wurde 1922 in Betrieb genommen.
Es heißt, dass die Berichte über die deutschen Verwüstungen an den einzelnen Leuchtfeuerstationen umso kürzer seien, je gründlicher die Deutschen zur Arbeit gingen. Sämtliche Häuser der Leuchtfeuerstation waren „pulverisiert“, d.h. es stand kein Stein mehr auf dem anderen. Vom Leuchtfeuerturm blieben nur die untersten 10 Ringe über. Lediglich das Öllager und die Landungsbrücke mit dem Kran blieben unversehrt.
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Slettnes Leuchtfeuerstation – aufgenommen am 20.06.2013
Der Bau des neuen Leuchtturms erfolgte zwischen 1946 und 1948.
Das Arbeitsteam «Landlaget VIII» unter der Führung von Peder Løndal erreichte Risfjorden bereits am 7. Mai 1946, zu einer Zeit, als hier noch tiefer Winter herrschte. Die Mannschaft bestand aus 14 Leuten, von denen 13 aus Møre kamen und Erfahrung im Bau von Leuchtfeuern aufwiesen. Løndal war bereits im Herbst 1945 in der Finnmark und hatte sich ein Bild vom Zustand der Leuchtfeuerstationen gemacht.
Das größte Problem beim Wiederaufbau von Slettnes war der Schnee und die unpassierbaren Straßen nach Slettnes. Die zwei Lastwagen für den Transport der Baumaterialien vom Löschplatz zum Bauplatz konnten erst eingesetzt werden, nachdem die Straße nach Slettnes vom Schnee geräumt war.
Die Bauteile für die Baracken wurden auf dem Seeweg nach Slettnes transportiert.
Das aus Beton gebaute Öllager wurde nunmehr als Kartoffelkeller und als Lager für andere Vorräte benutzt. Die übrigen Vorräte wurden im Steinboden des Turms gelagert. Die von der Zerstörung verschont gebliebene kleine Schmiede wurde sofort wieder als Werkstatt und für den Aufbau benutzt.
Selbst die Telefonmasten entgingen nicht der Zerstörung durch die deutschen Besatzer. Zur Sprengung wurden Handgranaten eingesetzt. Im Sommer 1946 waren jedoch die Reparaturarbeiten an der Telegrafenanlage abgeschlossen. Dies ersparte dem Arbeitsteam viele unnötige Wege nach Gamvik.
Nach Sprengung einzelner Mauern und der Beseitigung der Trümmer wurden zwei Schuppen gebaut und provisorisch eingerichtet. In einem Schuppen befanden sich der Speisesaal und eine vorläufige Wohnung für den Leuchtfeuerwärter und in dem anderen Schuppen Betten für 20 Mann.
Der nicht zerstörte Teil des Leuchtfeuerturms wurde mit einem provisorischen Dach versehen, auf dem ein elektrisch betriebenes Leuchtfeuer montiert wurde, das eigentlich als Flugfeuer für den Luftverkehr Verwendung fand. Der Elektrovormann Brastad errichtete drei kleine Aggregate, die den Strom für das „Leuchtfeuer“ während des Winters 1946/1947 lieferten.
Die Arbeiten für die Saison 1946 wurden am 24. Oktober abgeschlossen und die Mannschaft mit dem Führungsboot nach Mehamn gebracht, von wo aus sie mit den Hurtigruten südwärts fuhren.
Nachdem die Rechnungen fertiggestellt waren, fuhr der Vormann Løndal nach Oslo und arbeitete dort in der Leuchtfeuerverwaltung bis Februar 1947. Für das neue Arbeitsjahr 1947 stellte Løndal wieder eine Mannschaft zusammen, mit der er am 25. April 1947 in Gamvik ankam. Die Mannschaft bestand nun aus 38 Männern.
Am 1. Mai erhielten die Männer Bescheid, dass die Gusseisenplatten für den Turm mit dem Schiff in Gamvik angekommen waren und um 13.00 Uhr gelöscht werden sollten. Jetzt zahlte sich aus, dass der Vormann Løndal eine größere Mannschaft zusammengestellt hatte, denn mehrere Männer mussten Schnee schaufeln, um die Straße passierbar zu halten. So verlief die Arbeit bis 04.00 Uhr morgens am 2. Mai. Dies war der erste große Test für das Arbeitsteam, und es stellte sich heraus, dass die Zusammenarbeit gut lief. Eine solche Anstrengung – selbst am 1. Mai - war ein Beweis dafür.
In der zweiten Maiwoche war der Transportbedarf am größten. Zur selben Zeit begann die Schneeschmelze und die Straße war durch die Benutzung mit den Lastwagen nicht mehr befahrbar. Diese mussten Steinladungen nach Slettnes bringen, um die durch die Belastungen entstandenen Löcher zu füllen.
Drei große Öltanks wurden auf dem Seeweg angelandet und über die Schneeverwehungen zu dem Ort gerollt, an dem sie aufgestellt werden sollten. Die letzten größeren Entlade- und Transportaufgaben wurden nach unmenschlicher Anstrengung bis spät in die Nacht bis zum Pfingstwochenende erledigt, sodass die Arbeiter eine kleine Pause einlegen konnten, bevor sie sich wieder auf den Wiederaufbau in Slettnes konzentrieren konnten.
Als die Arbeiten am 15. Oktober endeten, war ein Haus bezugsfertig. In der anderen Wohnung blieb die Einrichtung zunächst auf dem Dachboden.
Slettnes Leuchtfeuer – der gusseiserne Turm zwischen Assistentenhaus und Nebengebäude – aufgenommen am 20.06.2013
Der 39 m hohe Gusseisenturm wurde fertiggestellt, aber es fehlte innen noch die Farbe. Maschinenhaus, Bootshaus und Öltanks wurden ebenfalls fertiggestellt.
Die anderen Gebäude wurde nach Zeichnungen der Architekten Blakstad und Munthe-Kaas im selben Jahr gebaut und umfassten das Maschinenhaus, Wohnungen, Nebengebäude und Bootshaus. Die Gebäude bildeten nunmehr eine Hofanlage.
Im Frühjahr 1948 kam das aus jetzt 18 Männern bestehende Arbeitsteam am 18. April in Gamvik an. Da die Straße wegen des Schnees noch nicht passierbar war, wurden die Männer mit dem Schiff nach Slettnes gebracht. Auch in diesem Frühjahr war es ein Kampf die Straße vom Schnee zu räumen und diese offen zu halten.
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Im Wesentlichen verblieben nun die Innenarbeiten sowie einige Gussarbeiten. Der Landungssteg am Bootshaus wurde neu gegossen und für das Nautofon-Nebelsignal zwei Betonmasten. Alle elektrischen Kabel für die Häuser, Bootshäuser, Leuchtturm und Nebengebäude wurden in Kabelgräben verlegt.
Die Stromaggregate kamen Mitte August und wurden im Maschinenraum installiert. Später kam ein Ingenieur der Lieferfirma aus England, um die Motoren zu überprüfen.
Am 21. September war alles fertig und nach einem Probelauf ging der Leuchtturm in Betrieb.
Während des Wiederaufbaus oblagen dem Vormann neben der täglichen Überwachung der Arbeiten umfangreiche Buchhaltungsaufgaben sowie die Verantwortung für die Auszahlung der Löhne und Zollabrechnungen. Für die Büroarbeiten wurden die Abende und Feiertage genutzt.
So zahlte er in den drei Jahren bei Slettnes NOK 368 885,- aus. Die endgültige Rechnung bei Slettnes betrug NOK 944 787, -
Als die Arbeiten am 16. Oktober 1948 abgeschlossen waren, fasste der Vormann in seinem Bericht u.a. zusammen:
„
Man hatte das Gefühl, dass hier eine großartige und gute Arbeit geleistet worden war, wo sich alle wirklich bemüht hatten um das Beste zu geben.“.
Slettnes Leuchtfeuerstation – rechts das Bootshaus – aufgenommen am 20.06.2013
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1949 kam eine Nebelhornanlage aus Schweden, mit der ein zweitöniges Nebelsignal gegeben werden konnte.
1955 wurde ein Funkfeuer mit einer Reichweite von 50 Seemeilen installiert, das kontinuierlich jede Minute ein Signal aussandte.
1956 wurde die Anlage mit Landstrom vom lokalen Netz elektrifiziert. Die Dieselaggregate blieben als Reserve.
1973 wurde die Station als eine Wachstation eingerichtet, so dass die Leuchtfeuerfamilie von der Station abgezogen werden konnte. Die Leuchtfeuerbesatzung teilte sich die Wachen, indem zwei Mann auf der Station ihren Dienst versahen, während sich zwei Mann auf Freiwache befanden. Die Wachdauer wurde von der Besatzung selbst festgelegt-.
Lediglich ein Wohnhaus wurde nun von der Leuchtfeuerbesatzung benutzt, das mit Schlafzimmern und Gemeinschaftraum umgebaut wurde.
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Traditionell war es in der Geschichte der norwegischen Küstenverwaltung und des Leuchtturmdienstes üblich, die Station hierarchisch aufzuteilen.
Der Leuchtturmwärter hatte die beste Unterkunft und den besten und nächstgelegenen Platz, die Assistenten die zweitbeste und so weiter.
Nach dem Krieg setzte sich in der Finnmark das sozialdemokratische Prinzip durch, wonach jeder Mitarbeiter der Station mit seiner Familie das gleiche Haus mit Bad und eigener Toilette sowie die dazugehörigen Nebengebäude hatte.
Slettnes Leuchtfeuer – aufgenommen am 13.04.2008 von MS KONG HARALD aus
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Quellen:
Finn et fyr, Eli Johanne Ellingsve, Tapir Akademisk Forlag, Trondheim 2007, S. 189
Fyrene - kystens katedraler, Knut Baar Kristoffersen, Rune Nylund Larsen, Skagerrak Forlag, Sandefjord 2006, S. 234 ff
Norges Fyr, Fra Stad til Grense Jakobselv, Bind 2, Birger Björkhaug, Sven Poulsson, Grøndahl & Søn Forlag A.S., Oslo, 1987, S. 261 ff
Norske fyr - ei reise langs kysten, Ove Arne Olderkjær, Det Norske Samlaget, Oslo 2004, S. 32 ff
Norske fyr, Nasjonal verneplan for fyrstasjoner, Riksantikvarens rapporter nr. 24, Oslo 1997, S. 138 f
Fortsetzung folgt