von Svensson » So, 29. Feb 2004, 10:37
Sieh an, hier hat sich ja einige richtige Diskussion um meine abrundende Nebenbemerkung im Bezug auf Herkunft, Studium und Förderung entsponnen.
Erst mal vorweg, Darksun: Dir ist schon klar, dass es kein Land in der Welt gibt, in dem so radikal nach Herkunft ausgesiebt wird wie in Deutschland, oder? Die Iglu-Studie hat auf den Punkt gebracht, dass die Empfehlungen nach der Grundschule mehr als überdeutlich darauf hinauslaufen, dass der Sproß aus wohlhabendem Hause aufs Gymnasium geschickt wird und das Arbeiterkind zur Hauptschule, wobei die Noten nur eine Nebenrolle spielen. Dass das rechtskonservative Baden-Württemberg bei der Festigung dieser Klassengesellschaft die erste Geige spielt und mehr nach Herkunft aussiebt, als jedes andere Bundesland (siehe IGLU-Studie), ist keine Überraschung. Im Übrigen: Wenn Du kein Bafög bekommst, kann Deine Herkunft nicht so bescheiden sein. Die Eltern müssen schon einiges verdienen, damit man nichts bekommt. Aber das ist eben Interpretation: ich habe schon Beamtenkinder lamentieren hören, dass sie kein Bafög bekommen. Das ist natürlich der Gag schlechthin, denn wer ohnehin schon für den Staat arbeitet und von ihm bestens versorgt wird, kann wohl schlecht noch seine Kinder hinschicken, um die Hand aufzuhalten.
Ohnehin werden die meisten Studenten finanziell reichlich von ihren Eltern unterstützt. Wenn die Herrschaften dann noch nebenbei arbeiten, liegt das nicht etwa an einer schlechten finanziellen Situation, sondern ganz einfach daran, dass man als Student mit zumeist sehr bürgerlicher Herkunft mehr Komfort gewöhnt ist: da muss es dann trotz Semesterticket noch "nebenbei" ein Auto sein, und die Einzelwohnung, die man sich nimmt, sollte nicht so weit weg sein von der Uni und schon ihre 40-50 Quadratmeter haben. Für den Urlaub muss man nicht planen, da man ja mit den Eltern fliegt und die "selbstverständlich" ihr Kind einladen.
Solche Leute sind mir zu Genüge bekannt, und dafür habe ich nur ein müdes Lächeln übrig.
Die umgekehrte Methode in der DDR ist mir bekannt. Dahinter steckte die Absicht, dass Arbeiterkinder mit anderer Prägung und anderem Bewusstsein als die Kapitalisten auch als Akademiker ihre Herkunft nicht verleugnen und nicht so abgehoben sein würden. Das kann wohl auch nicht richtig sein, ist moralischer aber auf jeden Fall sinnvoller als der Weg der BRD.
Studium, Arbeiten und Bafög: Lange Semesterferien, nun ja, die habe ich nie gehabt. Es gibt eben Studiengänge, bei denen man jeden Tag im Jahr zu lernen hat und doch nie fertig wird. Es kann nicht jeder ein Studium beginnen, das nur aus Vorlesungen besteht, und in dem man in der vorlesungsfreien Zeit frei hat, sondern viele müssen umfangreiche Hausarbeiten schreiben, und wenn man dann noch Fremdsprachen studiert, ist nichts mehr mit Freizeit.
Was die Bafög-Rückzahlung betrifft: Keine Angst, die fällt erst ab einem sehr soliden Jahreseinkommen an. Wer darunter bleibt, ob aus Gründen der Arbeitslosigkeit oder zu bescheidenem Jobeinkommen, der zahlt nichts zurück. Ohnehin muss in Deutschland der Großteil der Studenten wesentlich weniger als die 40% Höchstgrenze des Bafögbetrages zurückzahlen, da es zahlreiche Erleichterungen und Ausnahmen gibt. Und die abzustotternden Beträge, die zu zahlen sind, sind angesichts des dann erreichten Einkommens bescheiden.