Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

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Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Jens P. » Do, 07. Aug 2003, 8:21

Hallo Norwegenfreunde,

ich verfolge mit Interesse Eure Diskussionen in diesem Teil des Forums. Viele sind (in meinen Augen seeeehr verständlich) mit dem Leben in Deutschland unzufrieden und suchen nach einer Alternative. Dabei haben viele Hemmungen oder lassen sich abschrecken wegen den Problemen von Arbeitssuche bis Zoll.

Also warum nicht Schweden? Hier mal ein paar Fakten, die dafür sprechen würden:
:arrow: Schweden ist in der EU. Einreise, Zoll und Hauskauf sind ungleich einfacher als in Norge (man muß natürlich auch da Behördengänge auf sich nehmen).
:arrow: Die Menschen sind auch sehr liebenswürdig und viele Menschen sprechen sehr gut Deutsch (ist ja, soviel ich weiß, Pflichtfach in S)
:arrow: Wählt man Südschweden als Ziel, ist Deutschland "gleich um die Ecke". Man kann schnell mal in die Heimat fahren und bekommt eher mal Besuch aus der Heimat.
:arrow: Norwegen bleibt DAS Urlaubsland, ist aber viel schneller zu erreichen ;-)
:arrow: Viele VHS haben eher Schwedisch denn Norwegisch im Angebot.

Naja, das soll für eine Diskussion erst einmal reichen. Meine Fragen an Euch Auswanderwilligen:
:?: Habt Ihr bei Euren Plänen auch Schweden in Betracht gezogen?
:?: Was spricht denn gegen eine Auswanderung nach Schweden?

Freue mich auf Eure Antworten. Bis dahin,
herzliche Grüße von der Nordsee,
Jens
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Roger » Do, 07. Aug 2003, 8:48

Hallo Jens,

Ja wieso eigentlich nicht?? Prinzipiell ist ja ganz Skandinavien klasse, auch Finnland ist wurderschön, oder? Für euch Deutsche hat das mit der EU sicherlich Vorteile in ein EU Land zu gehen. Wir Schweizer sind bei diesem Thema ja noch klassisch, wir bleiben unabhänging. Deshalb ist das mit dem Auswandern etwas schwieriger. :-? Das soll aber nicht davon abhalten, oder?
Ich bin auch der Meinung, einfach mal probieren, wenn es nicht klappt dann kann ich ja wieder zurück. Nun, ich habe aber auch keine Familie. Du musst verstehen wenn da einige Leute mit dieser Entscheidung etwas zaghaft sind. Du wirst mir recht geben mit der Aussage, das es doch nicht ganz soooo einfach ist, oder?
Nun, zu den Distanzen, ich finde wenn man ja schon auswandert dann muss man ja nicht unbedingt so nahe wie möglich am Heimatland wohnen oder? Obwohl die Schweden "gut Deutsch" sprechen bin ich der Meinung das man sich dem Land anpassen muss, dies beinhaltet auch die Sprache zu lernen! Man geht in ein fremdes Land und wird dort aufgenommen, dann soll man sich auch nach ihren Sitten und Gebräuchen verhalten und ihre Sprache sprechen!
Fazit: Wenn man auswandert soll man nicht sein eigenes Land mitnehmen sondern ein neues Leben in einem neuen Land beginnen!
Also liebe Auswanderer (ich hoffe ich gehöre in ein paar Jahren auch dazu), bitte verändert beim Auswandern nicht Skandinavien sondern euch selber!!
Jens dies soll keine Kritik an deinem Eintrag sein sondern es ist meine persönliche Meinung zu diesem Thema :super:

Viele Grüsse aus der Schweiz

Roger
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Jens P. » Do, 07. Aug 2003, 12:09

Hi Roger,

vielen Dank für Deine Meinung. Natürlich sollte, ja muß!! man sich anpassen und auch die Sprache beherrschen. Wenn man arbeiten will, ist das ja eh das wichtigste. Aber für den Anfang, wenn man die Sprache noch nicht 100%ig beherrscht, ist es schon von Vorteil, wenn man auf seine Muttersprache zurückgreifen kann. Ansonsten gebe ich Dir natürlich Recht, Dein Satz:
"Also liebe Auswanderer, bitte verändert beim Auswandern nicht Skandinavien sondern euch selber!!"

gehört eingerahmt! :super:

Herzliche Grüße,
Jens
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Christoph » Do, 07. Aug 2003, 18:23

Hallo Jens...

Doris hatte auch eine Bewerbung in einem schwedischen Krankenhaus laufen..., aber sowohl die Wirtschaftsakademie in Kiel, über die die Bewerbung lief, als auch das entsprechende Krankenhaus in Schweden haben sich so stoffelig angestellt, daß aus der Sache nix geworden ist...und heute sind wir darüber aus vielerlei Gründen (siehe z.B.Signatur)ausgesprochen froh und glücklich !!!

Grüßlis aus dem feuchten Norden...

vom NarVikinger Christoph
"Wen Gott liebt, den lässt er fallen in dieses Land am Polarkreis (Helgeland)."

frei interpretiert (erweitert) nach einem Zitat von Dr. Ludwig Ganghofer
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Matthias Scheidl » Do, 07. Aug 2003, 20:30

Hallo Jens,

ich glaube es ist einfach so, dass die meisten unserer Besucher, die eine Auswanderung ins Auge fassen, oder bereits ausgewandert sind, dies nicht tun, weil das Leben hier in Deutschland so schrecklich wäre.
Es handelt sich also nicht um Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention (heißt doch so, oder?).

Es ist also keine Auswanderungs-Entscheidung im klassischen Sinne sondern eine Einwanderungsentscheidung für ein Land zu dem man sich eben hingezogen fühlt. In diesem Sinne ist Schweden von Norwegen ebenso weit entfernt wie Österreich (sorry, Horst).

Diese Anziehung ist eben für viele so stark, dass erhöhter administrativer Aufwand gerne in Kauf genommen wird. Wenn man den Aufwand nämlich scheut, dann sollte man als nicht Verfolgter lieber zuhause bleiben.

Viele Grüße an die deutsche Küste
Matthias
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Jens P. » Do, 07. Aug 2003, 23:53

Hei Matthias,

Gewiß wird es Auswanderwillige geben, die der von Dir beschriebenen Art entsprechen.
"Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention" wird wohl keiner in diesem Forum sein, aber vielleicht "Flüchtling vor den Berliner Chaoten" ;-)

Nein Matthias - ein Unwohlsein in Deutschland, zu wenig Perspektiven, zuviel Streß und Undankbarkeit am Arbeitsplatz, den eigenen Kindern etwas besseres bieten - das sind schon Faktoren, die meiner Meinung nach bei den Auswanderwilligen eine Rolle spielen. Das kommt bei den Themen hier sehr häufig zur Sprache.

Wie die Antwort von Christoph zeigt, war bei ihnen Schweden auch im Gespräch. Das wollte ich wissen, ob Auswanderer Norwegen fest im Visier haben oder auch andere Möglichkeiten abwägen. Und vielleicht ist mein Beitrag für einige ein kleiner Denkanstoß, wer weiß? Mal schauen, ob sich noch mehr Besucher äußern.

Liebe Grüße gen München und Narvik,
Jens
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Matthias Scheidl » Fr, 08. Aug 2003, 12:50

Jens Piske hat geschrieben:Nein Matthias - ein Unwohlsein in Deutschland, zu wenig Perspektiven, zuviel Streß und Undankbarkeit am Arbeitsplatz, den eigenen Kindern etwas besseres bieten - das sind schon Faktoren, die meiner Meinung nach bei den Auswanderwilligen eine Rolle spielen. Das kommt bei den Themen hier sehr häufig zur Sprache.


Jens,
du magst ja Recht haben, dass diese Dinge eine Rolle spielen, aber ich meine, dass diese Motive nicht ausreichen, um die Migrationsschwelle zu übertreten. Trotz all dieser negativer Erfahrungen gibt es ja auch immer viel Positives, was einen hält, beispielsweise Familie, Freundeskreis, eine wie auch immer geartete Verwurzelung in der angestammten Heimat.

Außerdem muss ich ehrlich sagen, dass mir die diffuse Missstimmung, die hierzulande herrscht, langsam auf die Nerven geht. Erwartest du etwa von einer Regierung, dass sie dir Perspektiven verschafft, dass sie dir den Stess und die Undankbarkeit am Arbeitsplatz nimmt? Außerdem leben wir in einer globalisierten Welt, die auch Norwegen einbezieht. Vielen globalen Entwicklungen kann man durch Migration auch nicht entkommen.

Missverhältnisse wird es immer geben, egal wo man lebt. Die Aufgabe wird immer sein, sein Mögliches zu tun, daran etwas zu ändern.

Bitte versteh' mich nicht falsch. Ich spiele auch mit dem Gedanken nach Norwegen zu gehen, will es aber nicht aus den falschen Gründen heraus tun.

Gruß
Matthias
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Bjørn » Fr, 08. Aug 2003, 13:17

Jens Piske hat geschrieben:ein Unwohlsein in Deutschland, zu wenig Perspektiven, zuviel Streß und Undankbarkeit am Arbeitsplatz, den eigenen Kindern etwas besseres bieten - das sind schon Faktoren, die meiner Meinung nach bei den Auswanderwilligen eine Rolle spielen.


Hei Jens,

ich lese ja nu schon seit Jahren mit Interesse die Forumbeiträge und insbesondere die zur Auswanderung. Nun gestehe ich, um es gleich eingangs zu betonen, jedem seine individuellen Gründe hierfür zu.

Trotzdem vertrete ich die Auffassung, daß sich einige Auswanderungswillige vorher ganz entscheidend kritischen Fragen unterziehen sollten - und das, bevor sie ihre Entscheidung getroffen oder gar umgesetzt haben.

Zu diesem Fragenkatalog gehören - es tut mir ja wirklich leid - meines Erachtens die oben von dir genannten Faktoren wirklich nicht existentiell dazu.

- Unwohlsein in D
das ist ja nu wirklich eine völlig indifferente Aussage, die keiner als Messlatte anlegen kann und die sich (mit Verlaub) ruck zuck in ein "Unwohlsein in N" umkehren kann. Will sagen: hier geht es nicht um eine landesspezifische sondern vielmehr um eine rein persönlich strukturierte Kritik.

- Streß und Undankbarkeit am Arbeitsplatz
heidenei, was soll das denn heißen :?: :?: :?:
sollten wir denn nicht heilfroh sein, daß, bzw. wenn wir überhaupt diesen Arbeitsplatz besitzen. Und sind wir in N davor gefeit, die gleichen Probleme erneut zu bekommen. Liegt's dann nicht vielleicht doch ein bissken auch an uns :shock: :?:

- den eigenen Kindern etwas besseres bieten
das ist ja nu geradezu ein Synonym an Pauschalität. Was, bitteschön, hat denn dieser, zugegebenermaßen, legitime Wunsch zwingend mit Norwegen zu tun :?: Mal ehrlich - kommt da nicht ein wenig zu großer N-Idealismus durch :o

Nein Jens, für mich würden da schon andere Gründe zählen. Beispielsweise:

:arrow: Die norwegische Handhabung der Begriffe Familie und Soziales.
:arrow: Der Stellenwert alter Menschen in der Gesellschaft Norwegens.
:arrow: Die Vereinbarkeit von Broterwerb, Freizeitgestaltung und persönlicher Freiheit in Norwegen.
:arrow: Die umfassende Einmaligkeit der norwegischen Natur und Landschaft
:arrow: die landesspezifischen Möglichkeiten mich persönlich - gerade in Norwegen - verwirklichen zu können.

All das bewirkte für mich bereits vor mehr als 30 Jahren intensivste Überlegungen, mich in Norwegen niederzulassen, was bei meinen Norwegisch-Kenntnissen und der Zahl meiner Verwandten in N nicht die geringsten administrativen Probleme aufgeworfen hätte.

Trotzdem habe ich mich für's Hierbleiben entschieden. :wink:
Und nun möchte ich auch mal ne Lanze für unser Land brechen. Heidenei, wenn man manchen Beitrag liest, hat man den Eindruck, man bewege sich unter politsch und religiös Verfolgten oder Hungernden.

Es wird hierbei völlig vergessen, daß WIR ein Einwanderungsland sind. Daß Menschen ihr Leben riskieren, um in UNSER Land zu gelangen. Erscheint unter diesem Aspekt gar manch vorschnell geäußerter Auswanderungswunsch nicht doch zu fadenscheinig und eventmäßig geprägt :?:

Ohne Frage - auch bei uns gibt es Randgruppen und soziale Brennpunkte mit all ihren negativen persönlichen Auswirkungen. Aber gibt es die in Norwegen etwa nicht :shock: Und wer garantiert dem Auswanderungsfreak, daß es ihm in N deutlich besser geht :shock:
Wo ist denn die schweigende Fraktion der enttäuscht und frustriert Zurückgekehrten :?:

Also - eh daß der Sturm der Entrüstung wieder über mich hereinbricht:

:arrow: Ich habe nichts gegen Auswanderungswillige und drücke ihnen ganz fest die Daumen
:arrow: ich plädiere allerdings dafür, diesen Entschluß ganz massiv und selbstkritisch zu durchleuchten
:arrow: ich warne davor in N das Paradies und die automatische Lösung meiner (oft persönlich verursachten) Probleme zu sehen

Und wenn der Entschluß unverändert und fest steht, dann zieh in durch und lykke til. (En lever bare en gang i livet :P )

und daß das gut geht
wünscht Euch

Björn
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Bjørn
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Jens P. » Fr, 08. Aug 2003, 14:43

Hei Björn,

Du hast Dich ja mächtig ins Zeug gelegt, aber die Diskussion kommt hier in ganz andere Bahnen als ich es mit meiner eingangs gestellten Frage beabsichtigt habe. Schade, werde diese Frage demnächst vielleicht neu und anders stellen...

Eines noch zu Deinem Beitrag. Du schreibst:

Nein Jens, für mich würden da schon andere Gründe zählen. Beispielsweise:

:arrow: Die norwegische Handhabung der Begriffe Familie und Soziales.
:arrow: Der Stellenwert alter Menschen in der Gesellschaft Norwegens.
:arrow: Die Vereinbarkeit von Broterwerb, Freizeitgestaltung und persönlicher Freiheit in Norwegen.
:arrow: Die umfassende Einmaligkeit der norwegischen Natur und Landschaft
:arrow: die landesspezifischen Möglichkeiten mich persönlich - gerade in Norwegen - verwirklichen zu können.


Das ist anders ausgedrückt, aber wo ist der große Unterschied zu meinen Argumenten? Die Menschen finden dies eben nicht oder nur unzureichend in Deutschland und suchen nach einer Alternative. :-?

Schönes Wochenende,
Gruß,
Jens
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon ardsch » Sa, 09. Aug 2003, 14:45

Hei til allesammen,

inzwischen wurde doch (insgesamt, auch in anderen Threads) eine recht hohe Anzahl von Beiträgen über den Wunsch oder die Entscheidung zur Auswanderung gepostet. Ist eigentlich ganz lustig zu versuchen, die daraus resultierenden Meinungen und Vorstellungen entsprechenden Kategorien zuzuordnen. Und natürlich nur mit dem Anspruch auf Unfehlbarkeit, ein Schelm der Anderes denkt.

Da sind zuerst mal die, die nur bei dem Wort „Norge“ in einen trance-ähnlichen Zustand verfallen. Die konvulsiven Zuckungen die beim Anblick einer Norwegen-Landkarte entstehen, lassen sich nur durch Verabreichung eines Eiswürfels vom Jostedalsbreen wieder lösen und ein Löffelchen Moltebeerenmarmelade beinhaltet mehr Norge-Mescalin als eine Mohnkapsel Rohopium. In diesem ver-begeisterten Zustand werden sie vom irrlichternen Nordlicht angezogen wie der Schlafwandler vom Vollmond. Wurden nicht kürzlich bei Nacht zwei Gestalten auf der E6 entdeckt, im langen weißen Schlafrock, mit waagerecht vorgestreckten Armen und geschlossenen Augen, unbeirrbar auf dem Weg zum Nordkapp ? Einer von Ihnen erlitt leider einen frühen Herztod, als er durch ein vorbeifahrendes WOMO aufgeweckt wurde und ein großes schwarzes D auf weißem ovalen Schild am Heck des Fahrzeugs entdeckte.

Bei einigen Anderen hört es sich so an, als würde morgen die letzte Fahrt der Mayflower gen Norge stattfinden. Bloß nicht verpassen, damit man nicht mit himmelwärts gestreckten, flehenden Händen im dunkeln Morast des restlichen Europa versinkt, dessen stinkende Fluten dann über einem unbarmherzig zusammenschlagen. Schon Tage vor der Abfahrt haben sie die Errungenschaften der alten Existenz auf einem symbolischen Scheiterhaufen verbrannt und vor allem die Asche von Pass und Personalausweis wird noch extra zerstoßen, den Fahndern nur keine Handhabe geben. Der Antrag auf Asyl steckt natürlich, ordnungsliebend wie man ist, in einer wasserdichten Plastikhülle. Sie werden, haben sie das Schiff denn noch erreicht, sich freiwillig an das letzte von Bord hängende Tau knoten, in dem vermeintlichen Wissen dass die Decks sowieso überfüllt sind. Bei der Ankunft können sie dann die mitgebrachten papiernen Norge-Fähnchen ausrollen und fleißig dem Empfangskomitee zuwinken – welches freundlichst zurückwinkt da es aus sieben Winkerkrabben besteht. Die leise dahingemurmelten Worte „auf Euch haben wir gerade noch gewartet“ werden positiv missverstanden und mit „Danke“ beantwortet, da es sich ja wirklich um die letzte Fahrt der Mayflower handelte.

Wieder Andere, die Wissenschaftler und Ingenieure, werden sich selbstverständlich nur auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse verlassen. Allem voran steht allerdings die Abwägung, das Auto mitzunehmen oder in Norge ein anderes zu kaufen. Sie wird maßgeblich über eine Gegenrechnung und hier durch die dritte Stelle hinter dem Komma beeinflusst und die Grundsatzentscheidung ob nach Norge auswandern oder nicht, hängt in erster Linie natürlich vom Tagespreis für Superbenzin ab. Ist diese Grundsatzentscheidung gefallen, werden sie nun anfangen Informationen zu sammeln. Überaus verlässliche und hilfreiche Statistiken, die Walpopulation, den Arbeitsmarkt, die Einkommensverhältnisse und den Lebensstandard betreffend müssen wegen der besseren Übersichtlichkeit, zwangsläufig in farbige Diagramme und Skalen übersetzt werden. Umweltschutzgutachten sind minutiös zu vergleichen um sicherzustellen, dass man nicht vom (sauren) Regen in die (Import-Quecksilber) Traufe kommt. Antworten auf Fragen zum täglichen Leben werde kostengünstig durch die User des Forum gegeben, wobei mir hier schon des Öfteren ein listiges Augenzwinkern aufgefallen ist. Pro Einreiseanfrage eines Wissenschaftlers oder Ingenieurs muss in der norwegischen Einwanderungsbehörde eine Arbeitsgruppe gebildet werden um der Fragenflut Herr zu werden – und sind diese Fragen endlich beantwortet trifft der Fragenkatalog der zugehörigen Ehegattin ein. Aber irgendwann ist alles beantwortet, geregelt, alles geschafft, der Umzug rollt. Auf der Fähre Kiel-Oslo kommen dem Ingenieur allerdings doch Zweifel, ob es wirklich notwendig war die ganze gesammelte Ausreisedokumentation mitzunehmen, man hätte sich immerhin 41 der 59 Umzugskartons sparen können. Doch die Argumente des Wissenschaftlers sind stark : die schönen Diagramme zurücklassen? NIEMALS

Eine weitere Kategorie sind die Unbesorgten. Mit denen ist das Auswandern auch ganz einfach und völlig problemlos. Da wirst Du zum Beispiel gleich von Patryk zum Mitkommen eingeladen, Zitat :
„wer macht mit und geht mir tasche etwas brot und was einfach rüber sucht arbeit und lebt.“
Die meisten dieser Kategorie sind viersprachig unterwegs und wenn alles klappt, kommt als fünfte Sprache auch noch „Deutsch“ dazu, na klar, in Wort und Schrift. Sie sind einfach herzerfrischend, diese Art Auswanderer, immer ein Liedchen auf den Lippen und den Rucksack auf den Schultern. Ein Bett findet sich unter jeder Brücke und für ausgiebige Diskussionen oder tiefgreifende Gespräche steht der zugelaufene Mischlingsrüde zur Verfügung. Der beste Gesprächspartner den man sich vorstellen kann, ehrlich, versteht wirklich jedes Wort. Leider (oder Gott sei Dank?) wird der Auswanderungswille dieser Kategorie auch durch eine erfolgreiche Übersiedlung nicht gebrochen. Spätestens im Oktober wenn `s langsam kalt wird, gibt’s für die Unbesorgten nur noch einen Gedanken : Auswandern nach Südfrankreich.

Natürlich gibt es auch welche, die sich mit einer gewissen Bauernschläue versehen, von ihrer eigenen Persönlichkeit leiten lassen. Völlig unnötigerweise belästigen sie die Leute indem sie die Sprache erlernen und anfangen zu kommunizieren. Einige gehen sogar soweit, sich mit Land und Leuten vertraut zu machen. Hinterhältig wie sie sind, leben sie wie zur Tarnung mit den nächsten Anwohnern in guter Nachbarschaft. Die schlimmsten unter Ihnen sind die, die sich regelrecht in ihr Umfeld integrieren. Sie sind nach kurzer Zeit fast nicht mehr zu entdecken, gehen in der Mehrzahl einer geregelten Arbeit nach und eignen sich die selben Freizeitvergnügungen an wie die Norweger selbst. Es soll sogar schon soweit gekommen sein, dass regelrechte Freundschaften geschlossen wurden. Heimlich, still und leise findet hier eine gefährliche Unterwanderung statt die sich am ehesten darin zeigt, dass man diese Leute unter den Einheimischen gar nicht mehr wahrnimmt. Eine gefährliche Entwicklung, aber glücklicherweise gibt es ja nur wenige, die sich wirklich integrieren wollen.

Sicherlich gibt es noch weitere Kategorien von Auswanderern und vielleicht fällt dem einen oder anderen dazu noch was ein. Also keine Hemmungen und ran an die Tastatur.

Nur eines noch, was ich mit leichtem Schmunzeln beim Schreiben feststellte : Ich kann es drehen und wenden wie ich will, etwas von jeder Kategorie steckt auch in mir.

Ha det
ardsch
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Matthias Scheidl » Sa, 09. Aug 2003, 15:09

Hie ardsch,
du hast es auf den Punkt gebringt!

Hüls!
Matthias
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Christoph » Sa, 09. Aug 2003, 16:05

Hei ardsch...

ganz klasse spaßiger Beitrag, der aber auch viel Wahrheit enthält. Ich überlege gerade, welches prozentuale Mischungsverhältnis ich für mich in Anspruch nehme...

Grüßlis aus dem "Traumland"...

vom NarVikinger Christoph
"Wen Gott liebt, den lässt er fallen in dieses Land am Polarkreis (Helgeland)."

frei interpretiert (erweitert) nach einem Zitat von Dr. Ludwig Ganghofer
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Segelmoloch » So, 10. Aug 2003, 0:53

Danke Ardsch
Du hast einem Eingewanderten aus der Seele gesprochen.
Da ich zuerst nicht antworten wollte,hast Du mir Mut gemacht.
Ich hatte schon in erwaegung gezogen,mich fuer mein Verhalten:hier zu leben und zu arbeiten und in aller freunschaft mit meinen Freunden und Nachtbarn zu leben,zu entschuldigen.
Mange Takk
Nun gehts mir besser und ich kann wieder atmen hier.
Gruesse aus Norge
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon Horst Gassner » So, 10. Aug 2003, 12:14

Servus Ardsch!

Einer der besten Forumsbeiträge die je geschrieben wurden! Es war eine Freude, diesen Beitrag - stets mit einem leichten Schmunzeln im Gesicht - zu lesen.

Schöne Grüße
Horst
Horst Gassner
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Re: Auswandern - Warum nicht nach Schweden?

Beitragvon trolljenta » Mi, 13. Aug 2003, 23:21

Einfach Klasse ardsch!!! :lol: :lol: Ich musste wirklich sehr schmunzeln beim lesen! :wink:
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