Nach längerer Zeit kommt wieder mal ein Reisebericht von mir. Hier kommt der erste Teil von
FJELL, FOSS, FJORD OG BREE
2019 Herbstreise nach Fjord-Norwegen: „The summer is definitely over“
Eigentlich sollten wir uns nach 20 (!) privaten Norwegen-Reisen nun langsam auskennen, wann die beste Zeit ist, um auf eine Herbstreise durch Fjordnorwegen zu gehen. Aber es war nicht so ganz einfach, den richtigen Zeitpunkt zu bestimmen. Die Wetterkarten von yr.no versprachen eigentlich kein „schönes Herbstwetter“: Es regnete fast unaufhörlich an der Westküste, also in jenem Teil von Norwegen, den wir befahren wollten. So haben wir dann unseren Freund in Grimstad konsultiert, der ja bei unseren Besuchen Ende August seinen Blick auf den Garten und die Bäume lenkte und dabei stets zu sagen pflegte: „I think the summer is definitely over.“ Er empfahl uns angesichts der Großwetterlage Mitte September loszufahren.
Eine andere Frage war, ob wir bereits Winterreifen aufziehen lassen sollten. Er meinte, das sei sicherlich noch nicht nötig. Ich war unsicher und habe dann doch noch Winterreifen aufziehen lassen, denn kurz vor Reiseantritt sahen wir auf der Webseite von Statens Vegvesen, dass die Nationalen Touristenstraßen Valdresfly als auch Sognefjellet wegen heftigen Schneefalls gesperrt waren, wenn auch nur kurzfristig. Das hatte uns zunächst einen heftigen Schrecken eingejagt, denn unsere geplante Reiseroute sollte eben über diese Straßen führen. Wie bereits auf den Reisen 2013 und 2017 als auch im Januar/Februar 2018 hatten wir alle Hotels und Fähren gebucht, wenn auch mit der Möglichkeit der Stornierung.
Zum Wochenende sollte sich aber die Schneelage wieder entspannen und so stauten wir unsere Rollis, Kühlbox etc. in das Auto. Kamerarucksäcke blieben noch im Haus. Dann noch hinten auf jeder Seite von innen einen Aufkleber: „No valuables inside, only dirty clothes.“ Abgesehen davon sind alle Scheiben unseres Autos aus Verbundglas. So konnten wir den Abend vor der Abreise entspannt verbringen.
Tag 1 – Montag, 16. September – Auf der Piste nach Fredrikshavn
Dieses Mal wollten wir die Stena-Fähre von Fredrikshavn nach Oslo ausprobieren, denn die Abfahrtszeit als auch Ankunftszeit in Oslo und letztendlich auch der Preis sagten uns sehr zu. Um 09.30 Uhr saßen wir im Auto und fuhren auf der nunmehr fertiggestellten A7 Richtung Dänemark. Der Verkehr war erträglich und so waren wir bereits um kurz vor 13 Uhr in Eijer Bavnehøj.
Eijer Bavnehoj - Wiedervereinigungsturm
Auf unseren vorherigen Reisen haben wir uns immer über den Namen lustig gemacht und wussten gar nicht, was hinter dieser Bezeichnung steckt, bis ich in unserer Sonntagszeitung las, dass es sich hierbei um die dritthöchste natürliche Erhebung Dänemarks handelt und 170,35 m hoch ist. Auf dieser Erhebung thront seit 1924 der „Genforeningstårnet“, der Wiedervereinigungsturm, der an den Anschluss Süderjütlands an das dänische Mutterland nach der Volksabstimmung von 1920 erinnern soll. Der Bau stieß auf heftige Kritik und wurde mit dem Spitznamen „Schornstein von Jütland“ belegt.
Abgesehen von dem Monument hat man eine tolle Aussicht über die Umgebung – und die Toiletten waren auch geöffnet.
Eijer Bavnehoj – Blick nach Süden
Nachdem uns der Wind hier oben etwas durchgepustet hatte (was lassen wir auch die Jacken im Auto?), ging es zurück in das warme Auto und auf die Weiterfahrt nach Fredrikshavn. Allerdings waren wir für das Einchecken nach Fredrikshavn zu früh, es war erst 15.45 Uhr, erst musste die Fähre nach Göteborg abgefertigt werden. Wir sollten durch ein anderes Tor wieder rausfahren, doch leider hatte man uns den Code für die Öffnung nicht mitgeteilt. Glücklicherweise kam ein Lkw, dessen Fahrer uns das Tor öffnete.
Also bummelten wir durch die Fußgängerzone, deren alte Häuser recht nett aussehen, und genossen einen heißen Kaffee, da der Wind doch recht kräftig durch die Straßen pfiff.
STENA SAGA in Fredrikshavn – 17.25 Uhr
Gegen 17.00 Uhr konnten wir dann Einchecken. Ein Blick auf das Kfz-Kennzeichen und die Frage nach unserem Nachnamen genügten der Dame am Schalter, um uns mit den Bordkarten zu versehen. Die Personalausweise konnten wir also wieder einstecken. Langsam füllten sich auch die Autospuren und um 18.15 Uhr rollten wir an Bord. Unsere Fotokameras ließen wir verpackt unter der Wolldecke im Auto, denn das Autodeck wird ja auf der Überfahrt verschlossen und so begaben wir uns dann mit unserem Rolli, dem Camcorder und dem Smartphone auf die Suche nach der Kammer.
Die STENA SAGA macht von außen einen mächtigen Eindruck mit ihren 10 Decks. Ist man jedoch an Bord, muss man leider den schlechten „Pflegezustand“ des Schiffes feststellen. Eine schwimmende Lady von fast 40 Jahren braucht eben doch ihre Pflege, zumal sie ja die meiste Zeit im Wasser liegt und von den meisten Passagieren wohl auch nicht sehr pfleglich behandelt wird.
Wenn dann auch noch das Personal an der Rezeption nicht sehr motiviert ist, dann kommt schon einmal ein „nicht sehr positiver Eindruck“ heraus.
Die Kammer ist sehr schlicht und einfach. Was soll’s, wir wollen uns da ja auch nicht aufhalten, sondern nur schlafen und morgens duschen. Duschgel hatte ich vorsichtshalber eingepackt, was auch nützlich war, denn an der Rezeption, bei der wir erst einmal bitten mussten, Toilettenpapier auffüllen zu lassen, teilte man uns schlicht und einfach mit, es würde kein Duschgel geben, basta!
Über die Cafeteria schrieb meine Frau, dass diese den Charme einer Bahnhofshalle versprühen würde. So verzogen wir uns denn Richtung Bar und nutzen die „Happy Hour“ aus. Hier allerdings war der Barkeeper sehr freundlich. Ach ja, in der Bar konnte nur mit Kreditkarte bezahlt werden.
Später gab es noch ein Quiz, an dem doch recht viele Passagiere – gegen Bezahlung – teilnahmen und anschließend Live-Musik. Jedenfalls war die nicht so laut und „schreierisch“ wie auf der Color-Line.
Gegen 22 Uhr verzogen wir uns in die Koje, denn Ankunft Oslo soll um 07.30 Uhr sein und wir wollten den morgigen Tag ja auch genießen.
Tag 2 – 17. September – Oslo – Randsfjord – Fagernes
Für mich als Rentner ganz ungewohnt war die Nacht um 06.45 Uhr zu Ende, denn in der Tat war die Fähre pünktlich und schon um 07.35 Uhr rollten wir von Bord. Gefrühstückt wurde unterwegs, denn erstens sind mir die Frühstückspreise an Bord aller Fähren zu hoch und zweitens hätte ich dann noch früher aufstehen müssen.
Der Zoll winkte uns durch und hatte mehr ein Auge auf Kastenwagen. Und selbst wenn der Zoll uns angehalten hätte, ich hatte meine „Zolldeklaration“ bereit und war auch im Limit geblieben. Und so rollten wir durch den Osloer Morgenverkehr aus der Stadt hinaus.
Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie die norwegischen Stadt- und Verkehrsplaner die scheinbar unlösbaren Verkehrsknoten in und um Oslo durch Tunnelbau, inklusive Kreisverkehr im Tunnel, lösen.
Der erste Tunnel dieser Reise, der uns erwartete war der 1.174 m lange Lørentunnel in Oslo, der uns – im Gegensatz zu unseren letzten großen Norwegen-Reisen nicht auf die E 6 sondern auf den RV 4 führen sollte. Gleich nach dem Ausgang bogen wir vom RV 150 nach rechts auf die den RV 4 ab. Da diese Strecke für uns Neuland war, war Konzentration im Morgenverkehr geboten.
Nun steuerten wir den 2.595 m langen Hagantunnel an. Die Bebauung wurde lichter und wir sahen den ersten Skilift im Hakadal. Der nächste Tunnel war der 1.390 m lange Gruatunnel und gleich danach kam der 1.097 m lange Røstetunnel. Jetzt befanden wir uns für ein kurzes Stück auf der E 16, bevor es auf dem RV 4 weiterging, ohne einen Stopp in Hadeland an der Glasmanufaktur einzulegen, denn der wäre gefährlich gewesen, denn geschmackvollen Glassachen können wir einfach nicht widerstehen.
Das Wetter war besser als erwartet: Heiter bis wolkig bei allerdings herbstlichen Temperaturen von 5 bis 12 Grad.
Nach etwas über zwei Stunden seit Ankunft in Oslo standen wir am Randsfjord und genossen die Aussicht auf den Fjord und die umliegende Landschaft, denn auf unserer 2013-Reise sind wir in dieser Gegen eigentlich nur so weggeschwommen, so hatte es geregnet.
Am Randsfjord
Der Randsfjord ist mit seinen 139 qkm der viertgrößte Binnensee Norwegens. Er ist bis zu 120 m tief und ein beliebtes Angelrevier. Von Jevnaker im Süden erstreckt er sich auf einer Länge von 63 km etwas südlich von Dokka.
In Gamle Nes folgten wir dem Hinweisschild auf eine Sehenswürdigkeit. Doch welche? Fehlanzeige. Vielleicht war es der Rumpf eines alten Schiffes, an dem noch gewerkelt wurde.
Das Sommerrestaurant „Oscar II“, das wohl nach dem Schiff benannt wurde, hatte natürlich längst seine saisonalen Tore geschlossen, aber das wussten wir ja, dass die Sommersaison in Norwegen spätestens Mitte September endet.
Wie sagte unser Freund in Grimstad noch: „The summer is definitely over.“
Nes Kirke - Brandbu
Im Ort Nes entdeckten wir noch die alte 1730 gebaute Brandbu Holzkirche. Da wir uns nicht auf dem Olavsweg, also der Pilgerstrecke, befanden, war die Kirche geschlossen.
Abgeerntete Felder bei Nordsinni
Die Felder bei Nordsinni waren abgeerntet und die Silageballen in der weißen Plastikumhüllung lagen wie getupft auf den Feldern. Am Wegesrand lag erneut eine ältere Holzkirche: Nordsinni kirke aus dem Jahr 1758, eine Kreuzkirche.
Nordsinni kirke
Davor befand sich ein Gedenkstein, der nicht von den „Nordsingern“, sondern den „Nordsinningern“ 1914 errichtet wurde, zum Gedenken an die Männer aus Nordsinni, die 1814 an der Versammlung zur Schaffung der norwegischen Verfassung in Eidsvoll mitgewirkt hatten. Wir sollten noch mehr solche Gedenksteine vorfinden.
Nordsinni - Gedenkstein 1914
Noch waren wir auf dem RV 33 und entdeckten ein weiteres Hinweisschild auf Sehenswürdigkeiten. So bogen wir, immer noch in der Kommune Nordre Land, auf den Støytfoss rasteplass ein und sahen bereits das Hinweisschild auf „Helleristninger“, also Felsritzungen. Am Rande des Flusses Etna befanden sich 11 Ritzungen, die mehr als 6000 Jahre alt sein sollen. Hier waren es u.a. Elche, die gut zu erkennen waren.
Helleristninger am Møllerstufoss
Traurig ist es, dass die Menschen immer noch darauf hingewiesen werden müssen, doch bitte nicht auf die Steine und die Zeichnungen zu treten, zumal rund um die Felsen Holzstege führen.
Im Hintergrund rauschte der erste Wasserfall, eher eine Stromschnelle, der Møllerstufossen, herab. Nicht spektakulär, aber schön anzusehen in der Mittagssonne.
Møllerstufoss
Weiter ging es nach Norden. Bereits Zuhause hatte ich mich über Umleitungen und Baustellen bei „Statens Vegvesen“ informiert und wusste daher, dass wir hinter Dokka umgeleitet würden. So war es dann auch, denn bei Høljerast mussten wir wegen einer Baustelle den RV 33 verlassen und wurden auf den FV 251 umgeleitet, was sich für uns als ein Glücksfall erweisen sollte.
Bei Lunde sahen wir wieder einen Hinweis auf eine Sehenswürdigkeit. Wir bogen ab und fuhren über eine alte einspurige Steinbrücke. Es war die von 1827 bis 1829 gebaute Lunde bru, die größte Steinbrücke Norwegens mit nur einem Brückenbogen. Vor dem Bau gab es bereits mehrere Holzbrücken, die aber immer wieder von Überschwemmungen weggerissen wurden.
Lundebrue
Übrigens: Ein großzügiger Parkplatz befindet sich auf der Westseite des Flusses Etna. Der kleine Platz vor der Brück auf der Ostseite ist Privatgelände.
Lundefoss
So stapften wir dann zum Ufer, um die günstigste Perspektive für ein Foto zu finden und stießen auf Steinskulpturen, die einerseits recht lustig aussahen, nur der Herr mit der Krawatte passte dort nicht so ganz hin. Und auch der Nachname, Lybeck, machte mich neugierig. Am Parkplatz fanden sich dann Informationstafeln, auf denen wir nicht nur die Informationen zur Brücke als auch zu den Steinskulpturen fanden.
Sigurd Lybeck
Sigurd Lybeck (1895-1975) war ein norwegischer Schriftsteller, der durch die Schaffung der literarischen Figur des Jens von Bustenskjold bekannt wurde.
Lybeck wurde in Etnedal in Oppland geboren. Er hat auch andere Serien geschrieben, die überwiegend im norwegischen „Arbeidermagasinet“ erschienen.
1958 wurde eine Filmkomödie Bustenskjold gedreht, die wegen ihrer Volkstümlichkeit offensichtlich großen Anklang fand.
Mehr hierzu: https://en.wikipedia.org/wiki/Sigurd_Lybeck
Und dass die Büste des Sigurd Lybeck sowie des Jens Bustenskjold und andere Figuren hier stehen, liegt daran, das Lybeck in dieser Gemeinde geboren wurde. Lybeck wurde auch Volkserzähler genannt.
Jens von Bustenskjold
Keine 4 Kilometer weiter stießen wir auf die nächste alte Holzkirche: Bruflat kirke aus dem Jahr 1774 und umgebaut 1991. Es war wieder eine Kreuzkirche.
Bruflat kirke
Schon um 13.40 Uhr erreichten wir nach einer entspannten Fahrt von nur 216 Kilometer unser Hotel in Fagernes, in dem wir schon 2013 übernachtet hatten: Scandic Valdres.
Scandic Valdres
Wir konnten auch schon einchecken und erhielten dieses Mal ein Zimmer zur Seeseite, den Strondafjord – der eigentlich ein See ist – mit Blick auf die kleine Insel Vesleøye.
Fagernes - Blick auf Vesleøye
Da die Sonne schien, machten wir es uns für einen Augenblick auf dem Balkon gemütlich. Nach dieser Ruhepause schlenderten wir durch den Ort, denn wir wollten auch noch unsere alten norwegischen Banknoten umtauschen. In der Touristeninformation fragten wir nach den Standorten der Banken und klapperten diese ab. Die eine Bank hatte bereits geschlossen, in der anderen erfuhren wir, dass man gar nicht mehr über Bargeld verfüge. Ich hatte noch 1.550 NOK in alten Scheinen. Da fiel mir ein, dass unser Freund in Grimstad mir gesagt hatte, dass seine Kinder das Geld in der Post umgetauscht hatten. So wollten wir es den nächsten Morgen machen.
Wir gingen noch weiter durch den Ort, nein, Fagernes ist eine Stadt, auch wenn sie nur 1.905 Einwohner hat. 2007 wurde ihr anläßlich des 150-jährigen Jubiläums der Gründung der Stadtstatus verliehen.
Gegenüber dem Hotel stießen wir auf ein weißes Holzgebäude, auf dem wir ein Schild sahen: „Fagernes H.o.h. 360 m“. Wir erfuhren, dass es sich um das alte Bahnhofsgebäude der Valdresbana handelt, neben dem auch noch die kleine Lokomotive steht, die bis zuletzt die Waggons der Valdresbana gezogen hatte.
Fagernes Hauptbahnhof – „Beim Aus- und Umsteigen bitte (nicht mehr) beeilen“
Die Valdresbana ist eine Nebenbahn der Gjøvikbana zwischen Eina und Dokka. Die Bahn fuhr ursprünglich von Eina nach Fagernes, aber die Strecke zwischen Dokka und Fagernes wurde 1989 stillgelegt. Die Strecke Eina-Dokka wurde 1902 unter dem Namen Landsbanen eröffnet, 1906 folgte die Eröffnung der Valdresbahn nach Fagernes. Sie wurde bis 1937 privat betrieben, dann von der Norwegischen Staatsbahn übernommen, die den Personenverkehr bis 1988 aufrechterhielt, den Güterverkehr bis 1989. Die Bahn wurde durch den Beschluss des Storting eingestellt.
Die alte Lokomotive der Valdresban
In Fagernes steht am Skivervegen eine Nachbildung eines Pferdewagens mit einem Kutscher die an die Blütezeit des Schieferabbruchs und der Verwertung im 19. Jahrhundert in Fagernes erinnern soll.
Fagernes - Schiefertransport
Und nach unserem Rundgang – wie gesagt, 2013 hatte es „gegossen“ – konnten wir feststellen, dass Fagernes seinen Namen zu recht trägt: die schöne (fager) Landzunge (nes).
Fagernes – Strondafjord
Abends genossen wir dann im Hotel leckeren Fisch: Eismeersaibling mit kleinen Kartoffeln im Ofen gebackene Tomate, Spinat und Zitronensauce – ein Genuss!
Den Rest des Abends verbrachten wir in unserem Zimmer mit der Auswertung der ersten Fotos seit unserer Abfahrt.
Die Fahrt von Oslo nach Fagernes
Fortsetzung folgt.