Der Morgen ist trüb und wolkenverhangen; da lohnt es nicht zum Kjenndalsbreen zu fahren, wie ursprünglich geplant. Ich starte also gleich durch, fahre entlang des Innvikfjorden in Richtung Byrkjelo und Skei. Trotz der trüben Aussicht empfinde ich die Strecke landschaftlich sehenswert. So stellt man sich Norwegen doch vor; oder?

In Olden stelle ich fest, dass der kleine Ort auf den Massentourismus von den Kreuzfahrern überhaupt nicht eingestellt ist. Kioske und Souvenirshops sind kaum vorhanden und die vielen Touristen von gleich zwei Kreuzfahrschiffen langweilen sich um den Hafen herum. Denn auf Reede liegt die MS Astoria mit 550 Gästen und zusätzlich an der Pier die MS Azura, das zweitgrößte Schiff der Reederei P&O Cruises mit weiteren rund 3.100 Passagieren und 1.200 Besatzungsmitgliedern.




Natürlich wollen viele der Touristen zum Briksdalsbreen, dessen Besuch hier gut vermarktet wird. Und sicherlich wollen auch andere Passagiere zum neuen Skilift in Loen, der seine Gäste in maximal 7 Minuten vom Fjord auf 1.011 Meter ü. M. ins Fjell bringt. Dabei rühmt sich die Seilbahn als „eine der steilsten Seilbahnen der Welt“ zu sein.


Bei Sonnenschein und schönen Wetter bestimmt eine sensationelle Tour dort hinauf. Aber ich denke, beim trüben Wetter bringt es nichts, dort hinauf zu fahren. Die gigantische Aussicht geht im Nebel und in den Wolken unter. Das Ticket für eine Rundfahrt von 520 NOK kann man sich sparen.


Also fahre ich gleich weiter, halte aber für einen Besuch der Kirche in Utvik unterwegs noch einmal kurz an.




Neben der Kirche finde ich ein Relief, das sich als so genannter „Kårstadstein“ herausstellt. Es ist eine Felsschnitzerei mit Bootsfiguren, Hakenkreuzen und Inschriften mit älteren Runen, die ursprünglich in einer senkrechten Felswand in der Nähe des Fjords zwischen Innvik und Utvik in der Gemeinde Stryn in der Provinz Sogn und Fjordane eingemeißelt wurden. Die Runeninschriften sollen "der Mann aus fremden Ländern" und "der Mann aus Böhmen" bedeuten. Sie stammt aus der spätrömischen Eisenzeit oder der frühen Völkerwanderungszeit (um 200-500 n. Chr.), wie ich später bei Wikipedia nachlese. Weitere Infos zu dem Stein habe ich im Bilderrätsel 2098 zusammengefasst.



Der Boxenstopp hat sich gelohnt, denn auch der kleine Ort Utvik entpuppt sich als sehr schön.



Weiter geht’s das Fjell hinauf. In einer steilen Serpentinenstrecke führt der Fv60 ins Utvikfjellet. Unterwegs am Skjørbakkane utsiktspunkt gibt es noch einmal einen sensationellen Blick auf den Innvikfjord.


Wenig später bin ich auch schon auf dem Utvikfjellet und auf über 600 M. ü. M. angelangt. Hier herrscht eine Nebelbrühe wie in einer Waschküche – man kann kaum die Hand vor Augen sehen. Das macht die Weiterfahrt anstrengend, weil ich bei niedrigem Tempo immer ganz genau auf die Straße, ihre Wegführung und Beschaffenheit sowie den eventuellen Gegenverkehr achten muss.
Kurze Zeit später bin ich aber schon in Byrkjelo und damit wieder unter den Wolken. Die Sicht wird von Kilometer zu Kilometer klarer; die Landschaft wieder sichtbar und natürlich sehr schön.


In Skei lässt sich dann auch die Sonne wieder blicken und versucht, dem Tag nun doch noch zu einem glanzvollen Nachmittag und Abend zu verhelfen.

Schnell noch einen Blick in das dortige „Julehuset“, ein Warenhaus, das neben Krims und Krempel tatsächlich mit einer eigenen Abteilung mit Weihnachtsdekorationen aufweist. Sehenswert, wie ich finde.




Inzwischen ist die Sonne tatsächlich aus den Wolken hervor gekommen und beschert mir einen schönen Besuch am Bøyabreen, der vom Rv 5 sehr gut zu erreichen ist.






Das nutzen natürlich auch andere Touristen; dementsprechend voll sind der Parkplatz und das Restaurant, in dem sich eine Gruppe Busreisender über eine Art „Rentier-Gulasch“ hermacht.


Ich gehe zum Gletschersee, mache mein obligatorisches Beweisfoto und ein Selfie für die lieben Daheimgebliebenen und fahre dann schnurstracks weiter in den Süden.





In Mannheller habe ich Glück – die Fähre scheint auf mich zu warten. Und so bin ich schnell über den Sognefjord und in Lærdalsøyri zum Besuch der alten Häuser.




Ich bin seit 2012 das zweite Mal in dieser malerischen Kulisse und finde es auch jetzt sehr schön und gemütlich. Allerdings wundere ich mich, dass ich fast alleine unterwegs bin; die wenigen Besucher in „gamle Lærdalsøyri“ kann ich an einer Hand abzählen. Übrigens: die ältesten Häuser am Fjord sind aus dem 18. Jahrhundert.









Ich lasse mir für meinen Besuch viel Zeit und genieße den Nachmittag bevor ich mich weiter auf den Weg zur Stabkirche in Borgund mache.




Ich kann jedem nur empfehlen, die Historische Route über den Fv630 zu fahren, anstatt die E16 zu nutzen. Die alte Straßenführung ist spektakulär und geht an historischen Plätzen vorbei. Besonders sehenswert sind die am Ufer der Lærdalselvi teilweise atemberaubend montierten Plattformen für den Lachsfang.



Wer es noch atemberaubender will nutzt den Kongevegen Galdane auf der nördlichen Seite der Lærdalselvi; der Wanderweg ist 4,7 Kilometer lang. Hinweise gibt es in der Touristeninformation oder auch auf ut.no. Mir war es für diese Wanderung etwas zu spät, aber ich bin hoffentlich nicht das letzte Mal in Norwegen gewesen.
Nun ja, wer kennt sie nicht, die Stabkirche in Borgund. Es gibt wohl kaum eine Plattform in Internet, kaum ein Reiseführer oder ein Bildband, der sich ihrer nicht bereits ermächtigt hat. Insofern spare ich mir den Erwerb einer Eintrittskarte, wohlwissend, dass damit natürlich auch die Unterhaltung dieses historischen Gebäudes finanziert wird.

Jetzt am Abend ist die Kirche natürlich sehr schön anzuschauen. Das reicht mir.


Ich fahre nach Lærdal zurück und weiter am Lærdalsfjorden entlang bis ich zum Abzweiger in das Vindedalen komme. Dort den sehr engen Vindedalsvegen hinauf befindet sich ein kleiner Campingplatz. Eine große Wiese für Pkw und Zelt-Urlauber und eine grandiose Aussicht über den Fjord sind eigentlich schon alles, was diesen Platz auszeichnen. Vielleicht noch der extrem günstige Preis von 140 NOK/Nacht. Für die Dusche wirft man 10 NOK in eine Kassette am Eingang der Sanitärräume. Ich glaube, günstiger geht nur noch Wildcampen.


Am Abend genieße ich die Sonne mit Blick auf den Fjord, die leider viel zu schnell und viel zu früh hinter den Bergen verschwindet.
Schönen Abend, später gute Nacht und morgen einen guten Start in die neue Woche
Martin