Teil 15 – Endelig Sommer i Norge!
Tag 28 – 13. Juni 2017 – Lakselv – Olderfjord - Hammerfest
Heute würde es nur eine kurze Fahrstrecke von Lakselv über Olderfjord nach Hammerfest geben: Etwa 160 km. Um 09.30 Uhr saßen wir im Auto. Die Wettervorhersage hatte Recht: Es war grau und ungemütlich.
Und diese beiden schienen es wohl auch so gesehen zu haben: Grau und gräsig der Blick über den gestern noch so schönen blauen Porsangerfjord.
Grau und gräsig am Porsangerfjord
Unser erstes Ziel sollte Trollholmsund sein, denn hier befindet sich eine Kalksteinformation, die vor 700 Millionen Jahren entstanden sein soll.
http://www.stabbursnes.no/wanderungen/trollholmsund/
Allerdings sind wohl einige Norweger einer anderen Auffassung als die Geologen. Die Sage geht nämlich, dass es sich um acht versteinerte Trolle handeln soll, die aus der Finnmark mit einer großen Kiste Gold und Silber kamen. Als sie den Fjord erreichten, konnten sie mit der schweren Kiste deswegen nicht so schnell über diesen gelangen. Als die Sonne aufging, konnten sie keinen Unterschlupf finden und wurden deshalb – wie alle Trolle, die sich am Tage blicken lassen – zu Stein. Soweit die Sage. Die Schatzkiste wurde bis heute nicht gefunden.
Allerdings haben wir die Trolle nicht gefunden. Das beigefügte Foto mag dies erklären.
Aufstieg zum Trollholmsund
So fuhren wir weiter und kamen zur Kistrand Kirche von 1856.
Kistrand Kirche
Hier befindet sich ein Gedenkstein für Andreas Porsanger.
Andreas Porsanger war der erste norwegische Same mit einer höheren Ausbildung in Norwegen, der später als Samisch sprechender Priester die eigne Sprache wissenschaftlich untersuchte. Er wurde 1735 geboren.
Der Junge erweckte die Aufmerksamkeit von Bischof Nannestad auf dessen Besuchsreise durch die Finnmark in 1751. Jahre später, als er Bischof von Trondheim wurde, wurde er gebeten, Professor Knud Leem, dem Vorsteher des „Seminarium Lapponicum“, in der Ausbildung von Missionaren für die Samen zu unterstützen. Der Bischof erinnerte sich an Porsanger und holte ihn nach Trondheim, wo er nach der Schulausbildung von 1758 bis 1761 Theologie studierte. Ein Jahr später wurde Porsanger zum Missionar in Varanger ernannt. 1764 wurde er zum Studienrat am Seminarium Lapponicum und zum Priester am Hospital in Trondheim ernannt.
Als Samisch Sprechender lieferte Porsanger Beiträge zum Samischen Wörterbuch von Knut Lee, und wurde 1770 nach Kopenhagen berufen, wo er zum Informanten für János Sajnovics wurde, der die Verbindung zwischen der samischen und der ungarischen Sprache studierte. In Trondheim war man über die Berufung von Porsanger nach Kopenhagen unzufrieden und Bischof Gunnerud ordnete die Rückkehr von Porsanger nach Trondheim an. Porsanger wurde von seinem Amt als Priester suspendiert. Gunnerud schrieb 1769 einen Brief an Professor Leem, dass er hinsichtlich der Versammlungen von Andreas Porsanger und seines übrigen Verhaltens unzufrieden sei und ihn deshalb von seinen Verpflichtungen als Priester suspendiere. Offensichtlich missfiel dem Bischof, dass Porsanger als erster norwegischer Same seine Sprache wissenschaftlich untersucht hatte und sie nicht im Lichte der Kirche interpretierte. Porsanger veröffentlichte seine samische Grammatik dennoch, auch wenn sie dem Bischof nicht gefallen mochte.
https://no.wikipedia.org/wiki/Andreas_Porsanger
In Olderfjord legten wir eine kurze Pause ein, um uns mit einer Waffel und Kaffee für die Weiterfahrt zu stärken. Natürlich durfte der Besuch des riesigen Souvenirladens nicht fehlen. Es ist schon erstaunlich, was hier alles angeboten wird als „norwegisch“. Und noch erstaunlicher ist, dass die Busladungen von Touristen, die hier demnächst im Halbstundentakt ausgeschüttet werden, diese Sachen auch kaufen.
Hinter dem Abzweig von der E 6 auf den RV 94 sollte es wieder winterlich werden.
RV 94
Auch der Fahrt entlang des Repparfjords, von Michelin als landschaftlich besonders schön beschrieben, konnten wir heute nichts abgewinnen.
Wieder begegneten wir vielen Rentieren. Und es sollten noch mehr werden, denn vor der Brücke in Kvalsund – übrigens die nördlichste Hängebrücke der Welt! –
Kvalsundbrua
wies ein Warnschild in mehreren Sprachen darauf hin, dass wir nun in ein Rentierzuchtgebiet kommen würden.
Warnschild
Kurz bevor wir über die Brücke fuhren, wollten wir noch etwas Essbares aus der „Warmen Theke“ in einem Co-op erstehen – Fehlanzeige. Als wir wieder aus dem Geschäft kamen, hörten wir einen Norweger mit sonorer Stimme einem anderen Norweger zurufen: „Hei, endelig sommer i Norge!“ Woraufhin der andere erwiderte: „Ja, ja, endelig.“ Und das Thermometer zeigte 9°C!!!
So, und nun ist auch die Zusammensetzung der Überschrift dieses Reisberichtes vollständig gelöst, zunächst mit dem Männerchor aus Berlevåg und jetzt die „meteorologische“ Feststellung in Kvalsund.
Hammerfest kommune
Auch wenn das Wappen von Hammerfest einen Eisbären zeigt, sollten wir hier keinen lebendigen zu Gesicht bekommen. Das war auch gut so, denn wir wollten ja auch heil und gesund Zuhause ankommen. Grund für die Aufnahme des Eisbären in das Wappen der Kommune soll gewesen sein, dass von hier aus Eisbärenjäger nach Svalbard zur Eisbärjagd aufbrachen. Heute wird im Eisbärenclub, der „Royal and Ancient Polar Bear Society“, über die frühen Jahre der Polarjagd und den Schutz der Arktis informiert.
Klar, dass wir auf einer unserer ersten Hurtigrutenreisen Mitglied wurden.
Mitgliedskarte Royal and Ancient Polar Bear Society
Wir steuerten nunmehr unsere „nördlichste Übernachtung“ auf dieser Reise an, das Thon Hotel in Hammerfest. Bereits um 14.00 Uhr waren wir am Hotel. Wir fragten nach einem Zimmer mit Aussicht. Die Dame an der Rezeption fragte, ob wir bereit wären. 300 NOK pro Nacht mehr zu bezahlen. Dafür würden wir aber auch ein sehr viel besseres Zimmer mit Aussicht über den Hafen bzw. die Bucht von Hammerfest erhalten. Wenn auch die Farben etwas „quietschig“ waren, so war das Zimmer aber doch sehr gut, weil endlich mal etwas größer und mit Aussicht.
Nur, auch hier befand sich direkt vor dem Hotel eine Baustelle, was wir leidvoll am nächsten Morgen durch den Baulärm und die Baustellenfahrzeuge erfahren sollten. Was soll’s? Wir bedienten uns wieder einmal des nordfriesischen Krisenmanagements: „Nütschanix.“
Um 16.00 Uhr erhielten wir dann auch unseren Parkplatz vor dem Hotel für 45 NOK für 24 Stunden, anstatt 25 NOK pro Stunde an der Parkuhr.
Nach dem Einrichten auf dem Zimmer unternahmen wir einen Spaziergang durch Hammerfest. Zunächst stand der Einkauf von Unterwäsche auf dem Programm und dann gab es Kaffee und Kuchen auf der gläsernen Fußgängerbrücke zwischen den beiden Häusern des Einkaufszentrums.
Hammerfest ohne Hurtigruten
Anschließend erfolgte der Besuch in „unserem Club“, jetzt um 15.30 Uhr ohne weitere Touristen. So kamen wir dann mit den beiden jungen Männern ins Gespräch, welche die Touristeninformation als auch den Eisbärenclub betreuen: Es waren zwei deutsche Männer und wir hatten noch eine nette Diskussion über die vielen gleichen Fragen der vielen verschiedenen Touristen. Sie lachten und sagten, es würde ihnen Spaß machen zum soundsovielten Mal die Frage zu beantworten, wie sie denn mit der Dunkelheit zurecht kämen.
Eisbärclub
Am Abend gab’s dann eine Überraschung: Das Thon Hotel hatte zwar ein Restaurant. Das aber war für Einzelgäste wie wir nicht zugänglich, sondern nur für gegen Abend eintreffende Busgruppen. Häääh??? Wieder einmal ein Hotel mit Restaurant, aber nicht für einzelne Hotelgäste? Das hatten wird doch schon 2013 im Thon Hotel Kristiansund, wo man uns mit ziemlich lässiger Frechheit die Karte von Peppes Pizza über den Tresen fegte.
Glücklicherweise hat Hammerfest noch das eine oder andere nette Restaurant, auch mit Blick auf den Hafen und so speisten wir vorzüglich – und wahrscheinlich preiswerter und qualitativ besser – im Qa-Restaurant. Die Bedienung war übrigens ausgezeichnet freundlich und sehr serviceorientiert: Aus Palästina und Moldawien.
Anschließend machten wir noch einen Spaziergang durch Hammerfest und kamen an der am Kai liegenden „GAMLE MARØY“ vorbei. Die war 1959 gebaut worden und ist immer noch aktiv als Ausflugsdampfer. Herrlich dieses Schiff so „in Schuss“ zu sehen, alles top gepflegt.
MS „GAMLE MARØY“
Wir verzogen uns auf das „Zimmer mit Aussicht“ und sicherten und sichteten unsere Fotos bei Bier und Wein.
Tag 29 – 14. Juni 2017 - Hammerfest
Da wir heute wieder einmal ausschlafen wollten, wurden wir um kurz vor 10.00 Uhr vom vertrauten Klang des Hurtigruten-Typhons geweckt.
MS „KONG HARALD“
MS „KONG HARALD“
Heute war Museums-Besuch angesagt. Fünf Mal waren wir mit der Hurtigrute in Hammerfest, nie haben wir es jedoch geschafft, in das „gjenreisningsmuseet“, das Wiederaufbaumuseum zu gucken. Jetzt, wo wir es besucht haben, können wir auch feststellen, dass der kurze Aufenthalt des Hurtigrutenschiffes nicht ausgereicht hätte, um sich das Museum in Ruhe anzusehen.
Zuvor aber wollten wir auf den Hausberg von Hammerfest, den 80 m hohen Salen. Allerdings sind wir nicht „hochgekraxelt“, sondern haben heute als einzige „Autotour“ unser Auto genommen.
Es war zwar bedeckt mit leichten blauen Tupfern, aber die Sicht war gut. Da die „KONG HARALD“ im Hafen lag, gab es einen zusätzlichen schwarz-weiß-roten Farbfleck auf dem Foto.
Hammerfest
Hier oben hatten wir einen schönen Rundumblick, zunächst auf die Stadt, auf die Kirche, die Inseln Melkøya, Håja und Sørøya mit dem 446 m hohen Skippernesfjellet. Rechts war die standardisierte Bebauung nach der vollkommenen Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg mit den sog. „Wiederaufbauhäusern“ zu sehen. Davor zum Wasser hin steht das neue Kulturhaus, das einen Konzertsaal, einen Kinosaal, eine Galerie, ein Café und andere Einrichtungen enthält.
Hammerfest – Kirkegata – unten rechts das Rathaus
Insel Håja, im Hintergrund Sørøya
Hammerfest - Kulturhus
Hammerfest – Hafen – im Hintergrund Melkøya
Rechts vom Kulturhaus sind neue Wohnblöcke entstanden, von denen man den Eindruck haben könnte, dass es die gleichen Architekten wie in der Hamburger Hafencity waren. Allerdings sind diese Blöcke durch farbliche Akzente anders gestaltet. Und schließlich ändert sich ja auch der Zeitgeist.
Hammerfest
Leider hatte das Restaurant oder zumindest die Cafeteria auf dem Salen nicht geöffnet. So machten wir noch einige Fotos von der riesigen Gamme „Mikkelgammen“, den alten Holzschlitten und dem Lavvu-Gestell, bevor die Busse der Hurtigruten mit den Passagieren ankamen.
Mikkelgammen
Bei http://www.hammerfest-turist.no ist über „Mikkelgammen“ wie folgt zu lesen:
„Mikkelgammen
Ihr samisches Erlebnis über den Dächern der nördlichsten Stadt der Welt
Ein Besuch bei den Rentiersamen Mikkel und Solveig aus Kautokeino ist ein unvergessliches Erlebnis. Erzählungen über das Leben mit den Rentieren, der Joikgesang und traditionelles Essen garantieren Ihnen einen unvergesslichen samischen Abend auf dem Hausberg Salen.“
Diesen Abend muss man natürlich vorbuchen – und außerdem waren wir beide keine „Gruppe von mindestens 10 Personen.“
Gamme und Lavuu-Gestell
Schneewehenzäune auf dem Salen
Nach einem kleinen Imbiss mit Aussicht von der Fußgängerbrücke auf die „KONG HARALD“
Havnegata
besuchten wir dann das Wiederaufbaumuseum.
Die Webseite von „northern norway“ beschreibt in vier kurzen Sätzen, worum es in dem Museum geht, ich kann es nicht besser ausdrücken:
„Von 1944 bis 45 wurden 75 000 Menschen aus der Finnmark und Nordtroms zwangsevakuiert. 25 000 von ihnen konnten in die Berge fliehen. Ihrer sichtbaren Geschichte beraubt bauten die Finnmarker nach dem Krieg eine neue, moderne Gesellschaft mit neuen Werten auf. Das Wiederaufbaumuseum in Hammerfest erzählt die Geschichte der Zwangsevakuierung, der Höhlenbewohner und des Wiederaufbaus. Den Besuchern treten dabei oft die Tränen in die Augen.“
http://www.nordnorge.com/DE-ofoten/?News=203
Ein kleines 11-seitiges Handbuch in deutscher Sprache ist hier zu finden:
http://www.kystmuseene.no/getfile.php/1 ... cfx/03.pdf
Wohnzimmereinrichtung nach dem Krieg
Sami-Koften
Wieder einmal „leicht benommen“, um es gelinde auszudrücken, kamen wir aus dem Museum und mussten uns erst einmal mit Kaffee und Waffel stärken.
Da es noch früh am Tag war und die Sonne so herrlich schien, unternahmen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch Hammerfest, besuchten das neue Kulturhaus,
Kulturhus
Kulturhus
machten Fotos vom Musikpavillion, der zum 200-jährigen Jubiläum der Stadt Hammerfest 1989 aufgestellt wurde,
Musikpavillon
von der Büste des Komponisten und Militärmusiker Ole Olsen,
Ole Olsen
vom Rathaus und dem Eisbären
und von der Skulptur eines im Eis gefangenen Schiffes.
Die Skulptur „Arctic Vessel Pack Ice Symbol“ wurde 1989 zur Erinnerung an die Grundlagen für Hammerfest, nämlich der Eismeerfang und die Fischerei anlässlich des 200-jährigen Stadtjubiläums aufgestellt.
Seemannsfrau – Mutter mit Kindern
Die Skulptur „Sjømanskone – Seemannsfrau“, deren ursprünglicher Name „Mor med barn – Mutter mit Kindern“ war, ist ein Geschenk des früheren US-amerikanischen Botschafters Charles Ulrick Bay, dessen Mutter Marie Hauan Bay ursprünglich aus Hammerfest kam. Die vom norwegischen Bildhauer Ørnulf Bast geschaffene Skulptur wurde 1957 von der Witwe des Stifters enthüllt.
Gegen Abend war es tatsächlich so warm, dass wir vor dem Restaurant „havørna“ – Seeadler - draußen sitzen und ein Bier, einen Wein und die Sonne genießen konnten.
Hier an der Kaikante steht auch eine Skulptur des in Hammerfest geborenen Adolf Henrik Lindstrøm.
Er wurde am 17.Mai 1866 in Hammerfest als Sohn eines Holzfällers und einer Hausfrau, beide nach Norwegen eingewanderte Kvenen aus Finnland, geboren. Schon mit 15 Jahren fuhr Lindstrøm zur See – so wie ich auch 1962 -, er allerdings auf verschiedenen Robbenfänger- und anderen Jägerschiffen, ich auf einem Frachtschiff. Schon nach kurzer Zeit wurde er Koch auf diesen und anderen Schiffen. Schließlich wurde er als Koch auf der „FRAM“ von Frithjof Nansen angeheuert, der nach seiner dreijährigen Polarexpedition nun einen guten Koch haben wollte. So kam Lindstrøm auch in Kontakt mit einem zweiten Polarforscher, dem Kapitän der „FRAM“, Otto Sverdrup.
Zusammengefasst: Lindstrøm war ein norwegischer Koch und Polarexpeditionsteilnehmer, der an drei der berühmtesten Expeditionen teilgenommen hatte: der GJØA-Expedition, und der zweiten und dritten „FRAM“-Expedition. Seine Reputation und seinen guten Ruf verdankte er seinen hervorragenden Kochkünsten unter den schwierigsten arktischen und antarktischen Bedingungen. Er soll der beste aller „Polar-Köche“ gewesen sein.
Wer mehr über seinen interessanten Werdegang und Lebenslauf lesen möchte, der ist hier auf der richtigen Seite:
http://frammuseum.no/polar_history/expl ... 1866-1939_
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Wir genossen noch die laue Luft am Hafen, bevor wir uns in die Koje verkrochen, um am nächsten Tag die Reise fortzusetzen.
In dieser Nacht konnten wir dann auch fotografisch festhalten, dass die Sonne tatsächlich nicht unterging (Fotos kommen mit dem nächsten Tag).
Fortsetzung folgt.