Teil 20
Dienstag, 11.06.2013
Sørkjosen – Gildetun – Øksfjordjøkelen – Alta – Lakselv
Heute lag eine längere Strecke vor uns, knapp 350 km, die uns – was wir noch nicht wussten - wieder durch eine spektakuläre Landschaft führte. Zunächst aber nahmen wir wahr, dass über Nacht Neuschnee gefallen war, zwar nicht viel und auch „erst“ ab 400 m Höhe, aber für uns ungewöhnlich zu dieser Jahreszeit. Das Thermometer zeigte 7°C – wenigstens plus!
Unsere weitere Route führte über die E 6 entlang des Straumfjorden, einem „Ableger“ des Reisafjorden, von wo aus wir noch einmal einen Blick Richtung Skjervøy werfen konnten.
Vor uns taten sich wieder mächtige Gebirgsformationen auf – allerdings nur vereinzelt zunächst, denn die Wolken lagen doch ziemlich tief. Doch schon gegen 11.00 Uhr rissen die Wolken auf, wir sahen den blauen Himmel und das etwa 770 m hohe Kvænangsfjellet.
Die Schranken am Straßenrand zeigten uns an, dass wir wieder über einen Pass fahren sollten. Diese Schranken werden geschlossen, wenn der Pass nicht mehr oder nur noch im Konvoi zu bestimmten Zeiten befahren werden kann. Hiervon sollten wir noch mehrere erleben. Es ging also über das Kvænangsfjellet, mit 402 m eine der höchsten Passstraßen Nordnorwegens, kurz vor der Fylkesgrenze zur Finnmark. Vor Gildetun sahen wir einen Wasserfall, den Moahlajohka über die Felsen nach unten in einen Birkenhain rauschen – jedenfalls meine ich den Namen für diesen „Rauschebach“ herausgefunden zu haben.
Oben in Gildetun angekommen, bot sich für uns aus etwa 350 m Höhe ein wahrhaft fantastischer Ausblick über den Kvænangen. Ein unbeschreibliches Panorama!
Kvænangsfjellet
Hier legten wir eine Pause ein und tranken Kaffee im gleichnamigen gemütlichen Berghotel. Doch plötzlich „überfiel“ eine Busladung französischer Touristen das Café. Schnell noch auf die Toilette, bevor die Wartezeit hiervor sich auf vielleicht eine Stunde hochschraubt.
Wir aber schraubten uns nunmehr in Berg- und Talbahnfahrt weiter am Sørstraumen
vorbei und entlang der E6 am Badderfjorden.
Kurz vor dem Langfjordbotn bei Alteidet entschieden wir uns auf den – ausgeschilderten – Jøkelfjordeidet abzubiegen und zum Ausläufer Isfjordjøkelen des Hauptgletschers Øksfjordjøkelen zu fahren. Der nordsamische Name des neuntgrößten Gletschers von Festland-Norwegen liest sich ganz witzig: „Ákšovuonjiehkki“ – aussprechen kann ich den aber nicht.
Die Straße führt zum Parkplatz bei Saltnes, von dem man eine fantastische Aussicht auf den fast bis zum Ufer des Isfjorden reichenden Isfjordjøkelen hat.
Da die Wanderung zum Gletscherfuß mehrere Stunden dauern soll und eine Tafel zugleich auf die mögliche Gefährlichkeit der Wanderung hinwies, verzichteten wir auf die Wanderung.
Auf einer weiteren Informationstafel lasen wir noch, dass die Gletscherabbrüche ab den 1920 kommerziell genutzt wurden, indem die Eisstücke des gekalbten Gletschers aus dem Wasser gesammelt, auf Fahrzeug verladen und in Nordnorwegen zum Kühlen der Fische verwendet wurde, Später begann man die Gletscherstücke herauszusprengen, jedoch nur im Sommer, da die Gefahr des Kalbens dann nicht so groß war. Im 2.Weltkrieg suchten etwa 70 Menschen beim Gletscher Zuflucht, um der Zwangsevakuierung zu entgehen. Sie hielten hier vom Herbst 1944 bis Januar 1945unter katastrophalen Bedingungen aus. Der Grund für dieses Versteck war die Furch der Deutschen vor dem Kalben des Gletschers.
Kurz nach der Weiterfahrt erreichten wir die nördlichste Provinz Norwegens: Finnmark.
In der Finnmark sind alle Ortsbezeichnungen und teilweise auch Richtungsschilder dreisprachig: Norwegisch, Samisch, Finnisch.
Weiter ging es Richtung Alta zunächst entlang des Langfjorden, der seinem Namen alle Ehre erwies, und schließlich des Altafjorden. Bei Kåfjord hielten wir an der gleichnamigen Kirche aus dem Jahr 1837, vor der eine Skulptur einer Rallarfamilie stand.
Bei Kåfjord wurde zwischen 1826 und 1909 Kupfererz abgebaut. Hier lebten in den 1840er Jahren mehr als 1000 Einwohner, darunter viele Wanderarbeiter aus Schweden, Finnland und anderen Teilen Norwegens, die sog. Rallar, die sich auch beim Bau von Eisenbahnlinien in Norwegen verdingten.
Kurz danach versperrte eine Baustelle die Fahrt und wir hatten das erste Mal „das Vergnügen“ einem „ledebil“ zu folgen. So wird an der Baustelle wenigstens die Geschwindigkeit von 20 km/h eingehalten.
Hier wurde die Brücke für die Überquerung des Kåfjords und der sich daran anschließende Tunnel nach Alta gebaut.
Langsam knurrte der Magen und wir entschlossen uns ein „Tankstellenmenü“ zu leisten: „Kyllingsnadder“. Die kross gebrateten Hähnchenteile schmeckten aber lecker, zusammen mit Cola und Pommes.
Auf dem Markt entdeckten wir einen mobilen Verkaufswagen, der das erste Walfleisch der Saison anbot. Ein zufrieden strahlender Käufer kam uns entgegen. Gut, ich hatte in Norwegen anlässlich einer Einladung auch schon einmal ein Walcarpaccio probiert, warum nicht? Aber unbedingt haben muss ich es nicht – und auch keine Diskussion darüber ob ja oder nein.
Nachdem wir Alta, eine ziemlich langgestreckte Stadt, durchfahren hatten, ging es in das Sennalandet, ein etwa 400 m hohes und etwa 80 km langes Bergplateau mit kargen Landschaft. So sieht also die erste Begegnung mit der Finnmark aus: endlose Weiten, Seen, Flüsse und kleine Flüsschen, Sumpfgebiete, verkrüppelte Birken und viele Rentiere.
Die Hochebene Sennalandet
Dazwischen steht dann plötzlich eine kleine Kirche: Duottarsion. Leider habe ich keine weiteren Informationen über diese in der totalen Einsamkeit stehende Kirche gefunden, außer dass der Name so viel heißt wie „Zion des Hochlandes“.
Bei Olderfjord erreichen wir den Porsangerfjord. Mit 123 km Länge ist er der größte Fjord Nordnorwegens und der viertgrößte in Norwegen. Uns beeindruckte sofort der fast weiße kalkhaltige Dolomit, das typische Gestein für diesen Fjord. Diesen Kalksteinformationen sollten wir in den nächsten Tagen noch mehr begegnen.
Bei Kistrand mussten wir wieder einmal abbremsen, denn die hier zahlreich vorhandenen Rentiere versperrten uns den Weg. Interessant war zu sehen, mit welcher Wendigkeit diese Tiere die Straßenbegrenzungen überspringen, gewissermaßen „Springreiten für Rentiere“.
Gegen 17.15 Uhr erreichen wir unser Hotel Lakselv und wir haben festgestellt: Langweilig scheint die Finnmark nicht zu sein, eher faszinierend und überwältigend ob der Weite sowie der unglaublich bizarren Gesteinsformationen.
Unser Hotel liegt nicht am Wasser, dafür im Wald und es ist sehr ruhig. Nach dem Abspeichern der Fotos, einem Abendessen und einem Gutenachttrunk fallen wir müde aber sehr zufrieden in die Koje.