von Ralfinger » So, 02. Mär 2003, 22:12
Hier noch eine Biografie
BIOGRAPHIE Nils Petter Molvaer
Der Prophet aus dem Norden. Aufgetaucht in den 90ern aus den unendlichen Weiten Norwegens, und gleichermaßen emporgeschossen in den Musik-Himmel der Elektroniker und Jazzer. Die Fachpresse überschlägt sich, die Sommer-Festivals zieren sich mit seinem Namen.
1960 auf der norwegischen Insel Sula geboren, kommt Nils Petter Molvaer durch seinen jazzenden Vater schon früh mit Musik in Berührung. Während der Schulzeit folgen die dazugehörigen Bands, mit denen erste Bühnenerfahrungen u.a. als Bassist, Schlagzeuger oder Keyboarder gesammelt werden. 1979 verlässt Nils seine Insel und beginnt in Trondheim Trompete zu studieren. Das lässt er '81 wieder um sich ganz auf das "unakademische" Spielen zu konzentrieren. Er zieht nach Oslo (dem norwegischen Zentrum des Jazz) und entwickelt sich zum Geheimtipp der Pop- und Jazzszene der 80er. International werden beispielsweise Elvin Jones, George Russell und Gary Peacock auf ihn aufmerksam. Mitte der 80er beginnt die bis heute dauernde Zusammenarbeit mit Sidsel Endresen, der intimsten, mir bekannten Stimme. Auch Marilyn Mazur (perc) wird zur langjährigen Weggefährtin. Mit "Masqualero" und "Oslo 13" ist er bis Anfang der 90er Mitglied in zwei Jazzensembles, die ihre Aufnahmen bei ECM veröffentlichen.
Die ersten Ideen für seine offenen Klangstrukturen entwirft Nils 1993 durch eine Auftragskomposition für das "Voss International Jazz Festival". Fünf Jahre später wird sein Debutalbum "Khmer" veröffentlicht. Die Kritiker überschlagen sich, der Dancefloor wird mit Remixen (u.a. Rockers Hi-Fi, The Herbaliser) verkhmert, während Nils einer ganzen skandinavischen Musikergeneration Tür und Tor öffnet.
Nils' Erstlingswerk zwingt mit seiner Essenz aus Ambient, Trip Hop, Big Beat, Hip Hop, Jazz und einer äußerst filigrane Produktion zum Marathon-hören. "Khmer" wird von der amerikanischen Zeitung L.A. Weekly zum Jazzalbum des Jahres 1998 gekürt, erhält im selben Jahr den Preis der Deutschen Schallplattenkritik und das norwegische Äquivalent des Grammy. In der Folge gastiert die Crew auf allen angesagten Festivals (u.a. Den Haag, Roskilde, New York, Washington, Montréal, Montreux). 2000 veröffentlicht Nils das Nachfolgealbum "Solid Ether", 2001 erscheint das reine Remix-Album "Recoloured" mit Interpretationen u.a. von Bill Laswell, Funkstörung und dem Cinematic Orchestra. 2002 folgt mit "NP3" das reifste Werk des norwegischen Ausnahmemusikers.
Ohmannomann, was hat dieser Mensch bloß losgetreten? Seit Nils Petter Molvaer darf der ansonsten so seriöse Jazz eine Liaison mit der zeitgemäßen Elektronik eingehen und die Fachpresse überschlägt sich noch dabei! Was ist geschehen?
1998 veröffentlicht Nils das Album "Khmer". Der bis dahin international nicht so sehr beachtete Trompetenspieler tritt damit eine Welle los, die seinen skandinavischen Kollegen, allen voran Bugge Wesseltoft, den Weg ebnet zu einer neuen Crossover-Kultur, wie wir sie seit der Fusion zwischen Jazz und Rock in den 70ern nicht mehr erlebt haben. Die Remixe damals von The Herbaliser, Rockers Hi-Fi, Mental Overdrive, Mother Nature's Cloud und Shower Show transportierten die abenteuerlichen Klänge an die Spitze der Club-Charts. So sind auch vom aktuellen Album "Solid Ether" - was soviel heißt wie "solider Äther", ein Paradox - bis Ende des Jahre einige Remixe geplant, die Herr Molvaer zuerst auf seinem eigenen Label auf Vinyl vertreibt. Gegen Ende des Jahres soll dann ein Silberling von ECM mit den gesammelten Werken erscheinen.
Soviel zur Geschichte, was aber macht den Reiz an Nils' Klangexperimenten so interessant?
Die Innovation als erstes: Es war an der Zeit, eine gelungene Mischung aus Jazz und Electro zu kreieren, die überzeugt. Einige europäische Kollegen, Frederic Galliano und J. Swinscoe´s Cinematic Orchestra beispielsweise, und Nils beschreiten zusammen dieses Territorium und präsentieren herausragende Werke, die die Jazzer aufhorchen lassen. Es gibt einen Jazz nach Bebop, auch wenn die Marsalis-Polizei das nicht wahrhaben will.
Als zweites das kreative Potential, dass der Musik inne wohnt. Subbässe treffen auf Drum´n´Bass Grooves, Trip Hop goes real Jazz, die Trompete ordentlich durch Effekte gejagt und eine Gitarre, die jenseits von Gut und Böse agiert. Zusammen mit dem DJ eine explosive Mischung, die den Jazz tanzbar macht. Bewiesen hat die Crew das bereits auf mehreren internationalen Jazz- und Rockfestivals in Montreux, Den Haag, Roskilde, New York, Washington und Montréal. Ich durfte die Show live in Zürich erleben, und die Eindrücke von dort finden sich nun in gepresster Form wieder.
Atmosphärisch dichte Klangkollagen, unterbrochen von der mehr oder weniger klaren Linienführung der Trompete. Phatte Beats kombiniert mit tiefen, schiebenden Bässen und immer wieder die Klangeskapaden des Gitarristen Eivind Aarset machen die Platte zum Vorreiter des New Jazz, den im Moment die Norweger am stärksten prägen.
1. Dead Indeed
2. Vilderness 1
3. Kakonita
4. Merciful 1
5. Ligotage
6. Trip
7. Vilderness 2
8. Tragamar
9. Solid Ether
10. Merciful 2