Ich belebe den Thread hier einfach mal mit meinen bisherigen Erfahrungen in Norwegens Gesundheitssystem.
Das gute:
- Man ist automatisch Trygd-versichert. Kein Prozentevergleichen, kein Leistungsunterschied bei verschiedenen Kassen, also wirklich ne gute Sache meiner Meinung nach.
- Hausärzte haben genug Kapazität um sich mindestens 30 Minuten pro Patient Zeit nehmen zu können.
- Man muss zwar immer einen Eigenanteil bezahlen bei Arztbesuchen oder für Medikamente auf Rezept, aber man kann die Kosten dafür "ansparen". Sobald man in einem Jahr mehr als Summe X (glaube 1700 Kronen?) für Gesundheit bezahlt hat, ist der Rest gratis in dem Jahr. Durch den Eigenanteil geht man nicht leichtfertig zum Arzt, aber man wird auch nicht arm wenn man wirklich krank ist durch die Obergrenze Eigenanteil pro Jahr.
- Man zahlt immer hinterher!
- Man versteht das Gesundheitssystem im grossen und ganzen.
- Dadurch dass man selbst den Zahnarzt bezahlt hat man nicht das Gefühl, dass der Zahnarzt mehr macht als er müsste. Mein Zahnarzt erklärt mir immer alles genau und rechtfertigt damit auch die Rechnung. In Deutschland gibt es öfter mal ein "Wir machen das hier noch schnell mit" ohne gross zu beraten.
Das nicht so gute:
- Mein Hausarzt kommt mir mehr vor wie ein Ratgeber, er kann zwar Blutdruckmessen und Blut abnehmen, aber sonst hat der nicht viel an Gerätschaft in seiner Praxis. Für einen EKG zB bekam ich eine Überweisung zum Internisten, in Deutschland haben Allgemeinärzte sowas meist vor Ort.
- Man hat nicht viel Auswahl, wenn man die öffentlichen Dienste nutzen will. In Oslo gibt es zB. genau eine Legevakt-zentrale... und wenn die zu tun hat, kann man schon mal ein bisschen frustriert werden weil es keine Alternative gibt.
Mein Fazit: die bürokratische Seite des norwegischen Systems gefällt mir, die praktische Seite, also Behandlung Wartezeiten etc, ist teilweise verbesserungswürdig.
Zum Abrunden noch mein Negativbeispie zur Legevakt:
Ich hatte Grippe und bekam abends Atembeschwerden. Ich habe die Legevakt angerufen und meine Symptome geschildert, die freundliche Schwester bat mich zur Legevakt zu kommen, was ich tat. Dort sass ich dann ewig mit Fieber, und immer wenn ich fragte wie lange es noch dauert sagte man "umulig å si, sikkert en eller flere timer til", auf Deutsch also mehrere Stunden. Nach 3 Stunden hatte ich keine Kraft mehr zu warten und ich ging heim... Zumindest in Oslo ist die Legevakt hoffnungslos überfordert, ich habe auch von Leuten gehört, die 8 Stunden dort warten mussten. Das nächste mal gehe ich zu einer privaten Klinik. Dann kostet eine Behandlung ein paar hundert Euro, aber bei der öffentlichen Alternative wird man eher kränker (es sei denn man hat einen Herzinfarkt oder ein anderes top-prio Leiden).