@ Andy:
Habe mit Genuss deinen Beitrag gelesen.
andyh hat geschrieben:Als ich dann das Gleichnis von Doris las, musste ich doch recht schmunzeln. Vor etwa zwei Jahren (ungelogen!) bekam ich diese Geschichte bereits in einem Email-Verteiler von einem Freund zugesandt. Damals waren die Rollen auf eine deutsche und eine japanische Firma verteilt, wobei die deutsche Firma jene der norwegischen spielte.
So kannte ich die Geschichte auch und ...
andyh hat geschrieben:Für mich war dieses Gleichnis ein weiteres willkommenes Argument in meinem "Feldzug" gegen die deutsche Mentalität.
...genau das war auch mein Gedanke.
andyh hat geschrieben:Und wer die österreichische Titel- und Statusbesessenheit kennt, der dürfte wohl auch etwas gelassener auf konsensorientierte Norweger schauen...
...jawohl Herr Geheimrat, ist recht Herr Geheimrat...
Wir haben auch Kunden in Österreich. Dort ist das zwar nicht exzessiv aber doch zu spüren.
Es gibt wohl kein Land, wo es nicht irgendwelche soziokulturellen Besonderheiten gibt, die einem "Neuen", einem Außenstehen, einem Einwanderer sicher mehr auffallen als jemandem, der schon immer so lebt.
Wenn ich mich dazu entscheide, in ein anderes Land zu ziehen, dann kann ich gar nicht anders, als dies zu akzeptieren. Man kann nicht das eine wollen ohne das andere zu "mögen"...
Was man aber tun kann ist, sich VORHER möglichst umfassend zu erkundigen. Denn auch in Norwegen gibt es solche und solche Ecken, wie in Deutschland, in Österreich und sonstwo...
Man braucht eben eine gute Vorbereitung, sehr viel Glück und Nerven wie Drahtseile.
Wir haben uns für das schöne Fjordland entschieden. (Nach Oslo wollten wir nicht, dann hätten wir auch in Leipzig bleiben können... Aber das ist eine reine persönliche Entscheidung. Ich will damit gar nichts werten und darüber auch keine Diskussion anzetteln
). Doch auch in und um Sogndal ist nicht alles supertoll:
Der Dialekt ist ein nynorsk in seiner unmöglichsten Ausführung...
Die dünne Besiedelung macht demzufolge trotz geringer Arbeitslosigkeit auch die Jobsuche nicht ganz leicht. Man muss eben Geduld haben und sehr flexibel sein, was die Tätigkeit betrifft.
Man merkt auch, dass viele Orte erst durch die neuen Tunnel und Fährwege überhaupt erst richtig an die restliche Umgebung Anschluss gefunden haben.
Dass der Norweger grundsätzlich freundlich ist, und aus dieser Freundlichkeit heraus sich eben auch nicht traut, negatives direkt zu äußern - das haben ja viele hier schon geäußert.
Dann bekommt man eben gar keine Antwort auf die Bewerbung statt ein "Nein". Es wird "vielleicht" gesagt, obwohl kein Bedarf besteht. Probleme werden nicht angesprochen, sondern hinten herum getuschelt... - Aber das betrifft nicht nur die Deutschen oder Ausländer. Sondern auch die Norweger selbst. Als Ausländer ist man eben noch zusätzlich gehandicapt wegen der Sprache.
Und und und...
Wir haben aber auch durchaus sehr positive Erfahrungen gemacht. Der erste Chef meines Freundes war ein richtiger Griff ins Klo (rein menschlich gesehen). Und das hatte nichts damit zu tun, dass mein Freund Deutscher ist - auch zu Norwegern war und ist der so unmöglich. Nachdem er dort gekündigt hatte, sah es schon so aus, als ob das ganze Thema Norwegen damit für uns gegessen war. Denn ohne Job, nur Probleme und kein Licht am Ende des Tunnels... Doch dann hatte er mit seinem nächsten Arbeitgeber ein glückliches Händchen und wird als Mitarbeiter ganz normal behandelt. Mehr noch, die beiden haben die gleiche Wellenlänge und den gleichen Humor.
Auch unser Vermieter ist ein Glücksgriff. Seit Juli haben wir einen "doppelten" Haushalt - das heißt, alle Möbel sind noch in D. Aber er hat eben einen Kühlschrank besorgt, eine Waschmaschine aufgetrieben usw., lädt uns zum Kaffee und zum Essen ein, erkundigt sich immer wieder, hält die Ohren auf wegen Arbeit und ist alle Nase lang um unser Wohlbefinden besorgt.
Auch zum Beispiel auf dem likningskontor war der Bearbeiter sehr zuvorkommend, freundlich und hilfsbereit. (Wenn ich da an das deutsche Finanzamt oder Arbeitsamt denke....)
Es gibt eben immer positive und negative Seiten.
Klar kann ich in Sogndal nicht ins Kino gehen und zwischen 10 Filmen auswählen oder mal eben schnell in die Kneipe. Aber stellt sich die Frage: WILL ich das denn? - Ich möchte lieber meine Ruhe, den Blick auf die Berge genießen und nach Feierabend die Ski anschnallen oder die Angel raus holen.
Gute Bekannte oder gar Freunde zu finden, wird schwer, wenn nicht gar unmöglich. Das gefällt mir nicht wirklich. Aber damit werde ich mich arrangieren (müssen). Es gibt ja auch noch Telefon und Internet, und wir werden hoffentlich viel Besuch (auch aus Deutschland) bekommen...
Aber sowas muss man eben wissen. Dann kann man sich von vornherein darauf einrichten und wird von negativen Erfahrungen nicht sooo sehr herunter gerissen. Und entweder man kann sich damit arrangieren oder sollte es sein lassen oder ein Plätzchen auf der Welt suchen, welches in der Summe von wirschaftlichen, sozialen, kulturellen, geografischen und sonstigen Ansprüchen besser passt.
Das soll nicht heißen, dass man, einmal nach Norwegen ausgewandert, alles toll finden soll. Im Gegenteil. Dinge, die einem nicht gefallen, sollte man ja dennoch ansprechen.
Und so verstehe ich eben auch dieses Forum: als Diskussionsebene, wo man Erfahrungen austauschen kann, um zum einen sich selbst besser zu fühlen (erzählen befreit), anderen Hinweise zu geben, von anderen Tipps, Hinweise, Anregungen oder neue Gedanken aufzunehmen.
Leider wird mir hier in vielen Threads zu schwarz-weiß gemalt.
Ein einzelnes kleines Thema (sei es negativ oder positiv) wird oft aufgebauscht zu einem globalen. Manche urteilen sehr pauschal. Wieder andere fühlen sich dann auf den Schlips getreten und und und....
Aber so ist das wohl. Nicht jeder Mensch ist gleich. Und schließlich lebt die eigene Meinung ja auch von der Diskussion.
Ich würde mir nur manchmal etwas mehr Gelassenheit wünschen...