Teil 26
Montag, 17.06.2013
Kaffemik beim FRAM-Kapitän – Sjøsamiske Samling –
Finnisch als Umgangssprache – Die Krabbe als Lebensretter
Nachdem wir noch am Sonnabend mit dem Kapitän der FRAM telefonierten und einen Termin für einen Besuch vereinbart hatten, machten wir uns um 10.00 Uhr auf den Weg nach Nesseby, eine am Ufer des Varangerfjords liegende Gemeinde mit etwas über 900 Einwohnern. Er stand bereits an der Straße, die große Gestalt war nicht zu übersehen. Offensichtlich war er doch etwas überrascht, dass wir es geschafft hatten, aus dem in Luftlinie 2.100 km entfernten Halstenbek nach Nesseby zu kommen. Sehr warm und freundlich war der Empfang und auch der anschließende Kaffemik, bei dem er uns mit einer kaum nachvollziehbaren Ruhe (die norwegische Entdeckung der Langsamkeit) von seinem Beruf als Kapitän zunächst eines Hurtigrutenschiffes und dann eines Expeditionsschiffes und den Erfahrungen in der Arktis und Antarktis erzählte. Für mich, als ehemaligem Schiffsoffizier und Kapitän in der Handelsschiffahrt war das natürlich Neuland und sehr interessant. Aber auch wie es sich in der Finnmark lebt, im Winter mit dem Eis und im Sommer auch mal mit den Mücken. Und ebenso interessant war es zu sehen, was er mit seinen eigenen Händen geschaffen hat: Den großen Anbau am Haus, den Bootsschuppen, die am Ufer gelegenen Grillplätze, den Platz zum Ausnehmen der selbst gefangenen Fische und seinen Garten, in dem er sogar Erdbeeren angepflanzt hatte, „Just for fun“, wie er sagte. Das Haus hat eine tolle Lage, von dem man eine ungehinderte Aussicht auf den Varangerfjord hat. mit Voller Stolz zeigte er uns seine Sammlung von wunderbar gestreiften Steinen, die er und seine Frau an der Mündung der Tana gesammelt hatten. Mit Wasser übersprüht strahlten sie in der Sonne.
Tanasteine
Viel zu schnell ging die Zeit vorüber, so dass wir nach einem gemütlichen Zusammensein in Richtung Bugøynes aufbrachen. Er hatte uns nämlich noch Ausflugtipps gegeben und darunter war Bugøynes.
Die Tour führte über die E 75 nach Varangerbotn und von dort auf die E 6 in Richtung Kirkenes. Dort auf der E 6 machte uns ein Schild neugierig. Es verwies auf eine „Seasamish collections – Sjøsamiske samlinger“. Und da zugleich ein Pappschild darauf hinwies, dass die Sammlung „Åpen“ war, hielten wir an.
Sjøsamisk Museum Byluft
Sjøsamisk Museum Byluft
Wir schlenderten über das Gelände und sahen und das eine oder andere Ausstellungsstück an, insbesondere die farbenfrohen Boote zogen unsere Aufmerksamkeit auf sich,
als ein Mann auf uns zukam und fragte, ob wir das Museum sehen wollten. Natürlich, denn erstens hatten wir Zeit und zweitens waren wir ja hier um Neues kennenzulernen.
Der Mann war ein Same und hatte alle Ausstellungsstücke selbst gesammelt. Sie erstrecken sich über einen Zeitraum von 1830 bis 1950: Von Fellen über Fellbekleidung, Fellschuhe, Taue, Fangutensilien und sonstige Gebrauchsgegenstände bis hin zu einer „fiske gamme“, einer Erdhütte, wo Fische gelagert wurden und Stiefel und Fischerhosen hängen an den groben Holzstangen.
Obwohl die Verständigung etwas schwierig war, denn er sprach nur wenig Englisch und wir noch weniger Norwegisch, erfuhren wir doch so Einiges: Seesamen (sjøsami) sind Samen, die nur Fischfang betreiben, im Gegensatz zu den Landsamen (reinsami), die sich mit Rentierzucht beschäftigen.
Das Museum ist kostenlos, jedoch entdeckten wir eine Sammeldose, die dann auch gefüttert wurde. Schließlich erhielten wir noch einen Becher Kaffee, bevor wir uns verabschiedeten.
Leider ist diese sehenswerte Sammlung auf den Internetseiten der Touristeninformation nicht zu finden. Vielleicht deswegen, um dem „offiziellen Museum“ In Varangerbotn keine Konkurrenz zu machen?
Wir fuhren weiter entlang der kargen Landschaft mit tollen Ausblicken, an Sand- und Steinstränden entlang, an Strandlinien, wie wir sie vom Porsangerfjord kennen,
Strandlinien
an blühenden Wiesen mit Schafgarbe, Trollblumen (die kann ich sogar erkennen), Vergissmeinnicht (kenne ich auch) und Hahnenfuß. Bei Brannsletta bogen wir auf den FV 355 Richtung Bugøynes ab und fuhren zunächst durch eine ziemlich flache Landschaft, die nach etwa 10 km wieder sehr interessant, teilweise spektakulär wirkt mit den Gesteinsformationen am Straßenrand. Auch hier schien, wie am Porsangerfjord, das kalkhaltige Dolomitgestein vorzuherrschen. Vorbei ging es an Badebuchten mit Sandstrand, bis wir auf eine türkisfarbene Badebucht stießen: Wir waren in Bugøynes angekommen. Die bunten Häuser strahlten in der Sonne um die Wette.
Bugøynes gehört zu den wenigen Orten in der Finnmark, die nicht von der deutschen Wehrmacht gebrandschatzt wurden, allerdings nicht, weil die Russen im Anmarsch waren, sondern weil ein deutscher Leutnant den Einwohnern versprochen hatte, das Dorf zu schonen, wenn diese ihn und seine Leute heil über den Varangerfjord bringen würden – was sie auch getan haben. Daher sind die im 18. Jahrhundert von finnischen Einwanderern erbauten Häuser auch noch im Originalstil erhalten. Die Einwanderer waren zunächst Bauern, die wegen der Missernten in ihrer Heimat vom dort flohen. In Bugøynes lernten sie recht schnell, dass die Früchte des Meeres wohl doch stetiger waren als die landseitigen Ernteerträge, so dass sie zu Fischern wurden.
Früchte des Meeres – Stockfisch
Und noch mehr Früchte des Meeres - Stockfisch
Als die Barentssee fast leergefischt war, sollte der Fischereibetrieb 1989 auf einer Zwangsauktion verkauft werden. Daraufhin gab das gesamte Dorf in einer der größten Zeitungen eine Verkaufsanzeige für das Dorf auf nach dem Motto „Wer will uns haben?“. Die Regierung wurde darauf aufmerksam und unterstützte nunmehr die 230 Bewohner, insbesondere bei dem Aufbau eines neuen Marktzweiges: Dem Fang der Kamtschatka-Krabbe, die sich immer mehr ausbreitete. Heute ist diese Krabbe eine geschätzte Spezialität und wird von einer lokalen Firma in die ganze Welt exportiert.
Lokale Werft
Bugøynes
Letztlich sollte noch erwähnt werden, dass die 200 Einwohner immer noch Finnisch als ihre Hauptverkehrssprache sprechen. Deshalb wird Bugøynes auch „Lille Finnland“ genannt.
Vor dem Ortseingang lag noch eine malerische geschützte „Badebucht“ mit feinem Sandstrand: Sankarihaugen.
Fazit: Der gemütliche und ruhige Ort Bugøynes ist auf jeden Fall ein Abstecher wert!
Gegen 15.30 Uhr machten wir uns auf den Rückweg. Am Strand „graste“ eine Rentierherde, die gegen die Steine ähnlicher Färbung auf den ersten Blick kaum auszumachen waren, hätten sich diese nicht bewegt.
Tolle Steine gab’s hier zu sehen, doch leider war der gestreifte Stein dann doch etwas zu schwer für unser Auto.
Auf der Rückfahrt hatten wir noch eine tolle Aussicht auf Veidneset, eine kleine Halbinsel im Varangerfjord
Veidneset
und auch der Ort Vestre Jakobselv strahlte in der späten Nachmittagssonne
Vestre Jakobselv
Im Hotel angekommen, ging das Abenteuer Hotelzimmer weiter. Das Zimmer war zwar besser gemacht als gestern, dafür fehlte aber immer noch Toilettenpapier (oder muss man sich das in einigen Hotels mitbringen) und die Seife war auch weggenommen worden. Dafür war die Fensterbank immer noch von Insekten geschmückt.
Unsere erneute Beschwerde, dieses Mal bei der Hotelmanagerin, rief Betroffenheit hervor. Als Entschuldigung erhielten wir zum Abendessen eine Flasche Wein und bei der Rückkehr ins Zimmer fanden wir zwei Obstteller vor. Ich möchte nicht wissen, was hinter den Kulissen los war.
Es war wieder einmal ein sehr schöner Tag mit tollen Eindrücken und Aussichten und einer sehr netten Begegnung mit meinem Berufskollegen, den ich was ich noch nicht wissen konnte, in 2014 auf der FRAM zusammen mit seiner Frau noch einmal getroffen habe.