4. Tag – 07. August 2016 Es ist Sonntagmorgen. Anstatt von einem schönen Sonnenaufgang in den Bergen werde ich um 06:00 Uhr von der Glocke eines Schafes geweckt; ansonsten herrscht hier oben auf rund 600 Meter Stille – und Kälte. In der Nacht sind die Temperaturen natürlich weiter gefallen, ca. 7 Grad. Aber windstill und trocken.
Der Waschraum ist beheizt; Dusche für 10 NOK (4 Minuten) ist okay.
Für meine Verhältnisse im Urlaub viel zu früh breche ich um 09:00 Uhr auf an den Hardangerfjord. Nach wenigen Kilometern treffe ich einen jungen Nürnberger, der allein in seinem Passat unterwegs ist und dem ich gestern kurz vor dem Blasjø schon mal begegnet bin. Wir unterhalten uns eine gute halbe Stunde, nehmen dann aber beide unseren Weg. Zuvor schickt er mir noch das Bild von einem grandiosen Sonnenaufgang in den Bergen, den ich ja nun leider verschlafen hatte. Tolles Foto! Danke Tobias.
Trotz meiner anfänglichen Bedenken, ob ich den Saudavegen wegen seiner Enge mit dem Gespann fahren kann, mache ich mich nach dort auf den Weg. Doch zuerst muss ich einen kleinen Umweg von knapp 30 Kilometern auf mich nehmen. Denn die Fähre Sand – Ropeid wurde nach der Fertigstellung der Sandsfjordbrua im November 2015 eingestellt. Nun fährt man den RV 13 und biegt vor dem Lovravatnet nach rechts auf den Indre Ryfylkevegen (RV517) ab. Die Strecke ist neu und natürlich gut zu fahren. Von der neuen Brücke bekomme ich nicht viel mit, denn die Wolken „fliegen“ heute früh sehr tief. Der Scheibenwischer am Auto kommt gar nicht mehr zur Ruhe.
Der Umweg hat mich zunächst irritiert, aber als ich schließlich wieder in Ropeid ankomme stellt sich bei mir das Gefühl „Du bist auf dem richtigen Weg“ wieder ein. Also ab zum Saudavegen. Doch zu-nächst ein Boxenstopp am Svandalsfossen, kurz vor Sauda.
Der Wasserfall ist natürlich auch schön und mächtig; ich bin nach dem Besuch von allen Seiten von dem Nieselregen pitschnass und muss erst einmal die Klamotten wechseln.
Besonders schön finde ich, dass ich den Svandalsfossen von allen Seiten „besichtigen“ kann: Von unten – von der Seite und (fast) von oben. Bei jedem Absatz der 540 Stahlstufen, die den Wasserfall erlebbar machen, denke ich, es kommt nichts mehr. Bis ich auf der darauffolgenden Höhe eines Besseren belehrt werde. Bei so viel Natur und Attraktion soll ich mich also nicht über eine nasse Hose oder Jacke beklagen. Oder?
Ich fahre weiter nach Sauda und schließlich den mit Spannung und einem kleinen mulmigen Gefühl erwarteten Saudavegen. Die ganze Zeit tickt es durch meinen Kopf „Wenn jetzt ein Milchlaster von Tine kommt und dich 150 Meter in die nächste Ausweichbucht zurück zwingt“? Aber der Laster kommt heute nicht – oder ist schon vorbei. Und mein Mut wird belohnt von einer fantastisch schö-nen Strecke, die weit ins Alpine hineinreicht. Der Blick in die wilden Schluchten und später in die kahlen Gebirgstäler ist grandios!
Leider sind die Erzgrube und der Weg beim Allmannajuvet wegen der Gefahr auf Steinschlag gesperrt. Also mache ich eine Pause in dem dort ganz neu eingerichteten Cafe. Die gewählte Architektur auf diesem Abschnitt der Touristischen Landschaftsroute ist schon außergewöhnlich! Selbst die Toilettenanlagen haben von außen den Charme eines Plumpsklos wie in einem Mittelalterschloss. Doch das soll angeblich nicht die Absicht der Architekten gewesen sein, man wollte eher den „Spannungsbogen“ zu der industriellen Bautradition der Zinkgrube aus dem 19. Jahrhundert schlagen.
Es regnet leider weiter unentwegt – so macht Norwegen keinen Spaß. Auto fahren nicht – Aussteigen nicht – Ausblicke nicht – Fernsichten auch nicht – und kleine Unternehmen oder Wanderungen erst Recht nicht. Menno!!
Oben auf dem Pass treffe ich die kleine Familie aus Oberbayern wieder. Was für ein Zufall, müssen wir alle denken. Und die Freude ist natürlich groß. Wir unterhalten uns eine Weile, tauschen Erfah-rungen aus und sind uns sicher, dass wir uns bestimmt noch ein weiteres Mal treffen.
Trotzdem trennen uns erst einmal unsere Wege; die drei fahren zum Lofthus Camping am Sørfjord und ich durchfahre den über 11 km langen Folgefonntunnelen um in Sunndal am Maurangsfjorden, einen Seitenarm vom Hardangerfjord, meine nächste Station zu beziehen.
Der Campingplatz direkt am Wasser ist schön gelegen und gar nicht teuer (150 NOK incl. Strom pro Tag). Aber die Toiletten und Gemeinschaftseinrichtungen haben den Charme der späten 60iger! Veraltet und leicht schäbig; aber nicht dreckig oder unhygienisch. Durch den vielen Regen der letzten Tage tragen die Besucher natürlich Schmutz mit, aber das lässt sich nicht verhindern.
Nach meiner Platzwahl und dem Aufstellen des Caravans esse ich im Kiosk noch einen Hot-Dog! Echt lecker! Danach geht’s weiter zum Furubergfossen. Ein gigantischer Wasserfall, der durch die Niederschläge der letzten Zeit sehr mächtig wirkt.
Ich mache ein paar Fotos und werde von einer arabisch aussehenden Frau mit zwei Kindern, die dort auf dem kleinen Parkplatz stehen genötigt, von mir vor dem Wasserfall mit meinem Smartphone Bilder machen zu lassen. Hinterher frage ich mich, wie doof ich eigentlich bin. Typische Abzocker- oder Diebstahlssituation. Der Typ (also ich) wird durch das Fotografieren abgelenkt und die Kiddies räumen in der Zeit das Auto aus.
Glücklicherweise ist nichts passiert – mein Auto war abgeschlossen. Der Schlüssel sicher unter dem Reißverschluss meiner Hose. Aber ich muss mir eingestehen, dass ich nichts bemerkt hätte, falls sich mein viel zu spät festgestellter Verdacht bestätigt hätte. Künftig also „Vorsicht an der Bahnsteigkante“.
Der Regen der letzten Tage und Wochen hat auch seinen Vorteil; viele kleinere Wasserfälle auf der Strecke, die sonst längst versiegt wären, zeigen ihre ganze Größe, fast wie im Frühjahr nach der Schneeschmelze.
Zum Abend gibt’s Gebratenes. Ich hätte zwar gerne wieder gegrillt, aber im Regen macht das nicht viel Sinn. Zwischendurch muss ich einen Belgier bitten, sein Riesen-Wohnmobil umzustellen. Er hatte, völlig distanzlos, fast schon in meinem Wohn-/Schlafzimmer geparkt. Und ganz so viel Nähe muss ich nicht haben. Zwangsläufig denke ich an die Bezeichnung „Graue Pest“ von Benedikt (Norge2015) hier im Forum. Wie passend.
Insgesamt ein super Tag mit fantastischen Eindrücken einer gigantischen Bergwelt. Was stört da schon das „bischen Regen“???
Fortsetzung folgt ! Ob ich das morgen schaffe muss ich sehen.
Gruß Martin