„There is lots of ice!“
Nordostgrönland – Expedition Nordmeer 2015
Wir waren nun schon seit sieben Monaten im „Rentier-Alter“ und wieder flatterte uns ein Katalog der Hurtigruten ins Haus. Dieses Mal fiel uns eine für uns außergewöhnliche Reise auf: „Nordostgrönland – Expedition Nordmeer 2015“. Natürlich reizte uns diese Reise und so stocherten wir erst einmal zusätzlich im Internet herum, um möglichst viel über diese Reise und deren Verlauf zu erfahren. Zudem stand unsere Silberhochzeit bevor und so meinten wir, dass wir diese Reise auch verdient hätten.
Die Reise mit MS „FRAM“ sollte am 26. August 2015 starten und uns von Longyearbyen zunächst in den Nationalpark Nordwest-Spitzbergen führen und von dort aus für sieben Tage in den Nordostgrönland-Nationalpark. Weiter sollte die Reise über Scoresbysund nach Island gehen. In der Reisebeschreibung hieß es: „Denken Sie daran: Wo es Eis gibt, kann es auch Eisbären geben.“ Für diese Reise mochte es wohl stimmen – bei uns in der Eisdiele gibt es aber nur Eis.
Die Buchung über das „Reisebüro unseres Vertrauens“ erfolgte danach recht schnell. Schon am 5. Dezember 2013 hatten wir unsere Buchungsbestätigung.
Da wir nun schön öfter mit der „FRAM“ gefahren waren, hatten wir genaue Vorstellungen von unserer Kabine – der Seemann sagt eigentlich „Kammer“ – als auch von unserer Tischwahl im Restaurant; letzteren haben wir allerdings erst später per E-Mail über den Head Waiter arrangiert.
Und nun waren es immer noch über eineinhalb Jahre, bis es auf diese Abenteuerreise gehen sollte. Aber bis dahin sollten wir uns die Zeit noch vertreiben.
Tag 1 – Mittwoch, 26. August 2015
Es kam der Tag der Abreise, die etwas unbequem verlief, denn zu unserem Leidwesen konnten wir nicht, wie 2011, einen Flug von Hamburg über Olso und Tromsø nach Longyearbyen buchen – auch nicht gegen Extrazahlung -, sondern mussten den „Nachtshuttle“ von Düsseldorf nehmen, der um 21.30 Uhr gehen sollte. Leider nahm der Kapitän nicht die Autobahn, sondern die Landstraße, so dass wir die ersten zwei Stunden kräftig durchgerüttelt wurden. Auch grenzte die „Bequemlichkeit“ in der Chartermaschine von „air berlin“ im A 320 an Körperverletzung, wie meine Frau schrieb.
Doch irgendwann konnten wir Spitzbergen unter uns erkennen und es wurde merklich ruhiger.
Sanfte Landung in Longyearbyen und im Vergleich zum Hamburger Flughafen rasante Gepäckanlieferung. Rein in den Bus, rein ins Hotel, raus aus den Schuhen – das ist auf Spitzbergen, insbesondere Longyearbyen üblich, da sonst der ganze Kohlenstaub in die Gebäude getragen wird -,
rein in die Koje. Das war der erste und zum Teil schon der zweite Tag, denn es war bereits gut über 3 Uhr morgens.
Tag 2 – Donnerstag, 27. August 2015
Nach einer kurzen Nacht ließen wir das Frühstück ausfallen. Zu essen würde es die nächsten Tage noch genug geben. Dafür hatten wir ein anderes Ziel: Ich hatte meinen Rasierpinsel Zuhause vergessen! Svalbardbutikken: Fehlanzeige. Lompensenteret: Fehlanzeige. Rasierer und Rasierklingen gab’s wie Sand am Meer oder Eis auf Svalbard – doch keinen Pinsel. Na ja, dann üben wir mal mit Rasierschaum. Es klappte, war aber gewöhnungsbedürftig.
Die ersten Grüße von der FRAM – ab jetzt ohne Anführungszeichen und ohne MS – kamen in Gestalt verschiedener Besatzungsmitglieder, die uns freudig begrüßten, ob der Oberkellner, der Expeditionsleiter oder Kapitän Rune Andreassen, der hier von seinem Namensvetter Ole Johan Andreassen abgelöst wurde. Von Rune Andreassen erfuhren wir, „there is lots of ice“. Na, dann waren wir ja gespannt!
Dieses Mal besuchten wir die Kirche, die wir die letzten beiden Male ausgelassen hatten. Wir waren ganz alleine und es war recht stimmungsvoll. Ähnlich wie in der Eismeerkathedrale in Tromsø befanden sich auch hier neben dem Eingang gemütliche Sitzgruppen. Hier war es aber ein richtiger Aufenthaltsraum und es gab noch eine kleine Kaffeeküche. – Im Kirchenraum beeindruckten mich die Schlichtheit des Altars sowie des Holzkreuzes.
Interessant war für uns zu erfahren, dass die 1958 wieder aufgebaute Kirche von Svalbard die Kirche aller Christen auf der Insel ist. Sie wurde 1941 bei einem Angriff – welcher Nation wohl? – zerstört.
Im Anschluss durchstreiften wir den Ort – ach nein, Longyearbyen ist ja eine „Stadt“, oder doch nicht? – und ich muss jedes Mal schmunzeln, wenn wir an dem norwegischen Allerweltskiosk „Mix“ vorbeikommen an deren Fensterscheiben folgender Satz zu lesen ist: „Mix - dagens lille høydepunkt“. Ja, ja, so ein Kioskbesuch, besonders in Orten wie Longyearbyen, Ørnes, Bud kann schon ein kleiner Höhepunkt des Tages sein.
MIX
Lompensenteret
Highstreet
Neubauten: Es wurde viel gebaut in Longyearbyen, denn die Einwohnerzahl nimmt ständig zu.
Auch entdeckten wir eine gemütliche Sommerterrasse und einen ebensolchen Grillplatz – kurz „Sommer“ machen erfinderisch. Aber auch bei uns ist ja jetzt das „Wintergrillen“ angesagt.
Ach ja, in Longyearbyen „trägt man Gewehr“ außerhalb des Ortes – wegen der Eisbärengefahr.
Und bei unserem Rundgang entdeckten wir auch den ersten Gletscher: Longyearbreen.
Letztlich dürfen die für Svalbard typischen Verkehrszeichen nicht fehlen.
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Zurück zum Hotel. Der Bus, der uns zum Schiff brachte, wartete auf uns. Nein, wir waren nicht die Letzten. Ja, wir wussten, dass die FRAM bereits in Longyearbyen lag, denn wir sahen sie ja erleuchtet am Hafen liegen, als wir vom Flughafen kamen. Wir mussten uns also keine Sorgen machen, ob das Schiff denn überhaupt angekommen sei.
Auch hier wurden wir freudig begrüßt, waren wir doch gerade vor drei Monaten ausgestiegen. So waren wir also zurück in der „Familie FRAM“.
Alles lief wie gewohnt, Reisepass und Arztbericht abgegeben, Fotos für die Bordkarte gemacht, ab auf die Kammer, Sachen eingeräumt, blaue Jacken abgeholt, Kaffee getrunken und auf den „Safety Drill“ gewartet. Arztbericht: Auf den Expeditionsreisen, gleich ob Nord oder Süd, wird von jedem Passagier ein medizinischer Fragebogen abgefordert, der in einem verschlossen Umschlag übergeben wird und im Fall der Fälle dann geöffnet wird. Außerdem ist eine Auslandskrankenversicherung sowie eine Rücktransportversicherung abzuschließen, denn die Kosten hierfür können recht hoch sein.
Die Sicherheitsübung lief dieses Mal anders ab. Ein Mitglied des Expeditionsteams hat uns zunächst alle auf die Back „getrieben“ und dann Name für Name zurückgerufen. Somit wurde sichergestellt, dass jeder an der Übung teilgenommen hatte. Gut durchdacht!
Ohne Lautsprecherdurchsagen und ohne „Auslaufmelodie“ hat sich FRAM gegen 18.00 Uhr auf den Weg und Platz an der Pier für ein anderes Expeditionsschiff, die EXPEDITION (Nomen est omen!) gemacht.
An Steuerbordseite, d.h. im Nordwesten, konnten wir auf Oscar II-Land zunächst den Borebreen und dann die großen Gletscher Nansenbreen und Borebreen ausmachen, während die FRAM wegen ihres diesel-elektrischen Antriebs leise durch den Isfjord rauschte.
Es folgten der Esmarkbreen. Die Sonne warf durch die Wolken ihre schrägstehenden Strahlen durch die Gletscher. Hinter uns leuchtete das Hiorthfjellet in der Sonne.
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Wir erreichten unsere erste Station: Richtung Barentsburg, die russische Polarforschungsstation und Bergarbeitersiedlung. Nach dem Spitzbergen-Vertrag von 1925 dürfen Staatsbürger der Vertragsstaaten ohne weitere Bedingung Arbeit aufnehmen, Firmen eröffnen usw. Zugleich darf Russland – und auch andere Vertragsstaaten – Kohle abbauen. Obwohl Russland nur einen Bruchteil der Kohle fördert, die von der norwegischen Grubengesellschaft gefördert wird, bleiben die Russen dort – ungeachtet der unwirtlichen Bedingungen und des niedrigen Lebensstandards. Die Häuser in Barentsburg gaben dann auch das entsprechende Beispiel ab.
Das Gebäude des Hafenkapitäns mag auch schon bessere Zeiten gesehen haben.
Und wir fragten uns, ob das Telefon noch funktioniert? Wurde die Ambulanz mit diesem „smarten phone“ gerufen?
Stairway to heaven
Ehemalige Bergarbeiterunterkunft
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Die wohl einzigen Lichtblicke in diesem Ort sind die große Schwimmhalle, das Barentburg-Hotel und ein kleiner Souvenir-Kiosk mit angeschlossener „Getränkeausgabe.“ (ohne Fotos). Hier erstanden wir dann auch wieder Aufnäher für unsere „Angeber-Fotorucksäcke“.
Beeindruckend war die kleine, achteckige russisch-orthodoxe Kapelle.
Es wurde Zeit wieder an Bord zu gehen. Ein fantastischer Sonnenuntergang mit Blicken auf den Isfjord, den gegenüber auf Oscar II Land liegenden Harrietbreen und dem am Eingang zur Bucht Trygghamna liegenden Alkepynten ließen die traurigen Anblicke vergessen.
Sonnenuntergang am Isfjord
Harriettbreen
Alkepynten links - dahinter Harriettbreen
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Das war der erste Tag an Bord der FRAM. Über Nacht versegelten wir Richtung Norden.
Fortsetzung folgt.
Gruß
Ronald