„There is (lots of) no more ice!“
Nordostgrönland – Expedition Nordmeer 2015
Dienstag, 8. September – Flateyri: Blumengarten unter dem Polarkreis
Irgendwie schien das gute Wetter in Nord-Ost Grönland geblieben zu sein, denn die Wolken hingen tief, es wehte auch etwas stärker als wir von Ísafjörđur nach Flateyri „versegelten“, wie es in der Seemannssprache heißt. Da es auch regnerisch war, blieben wir im Panoramasalon, allerdings hatte ich meine Kamera dabei. Was sich natürlich immer dann lohnt, wenn ein besonderes Motiv auftaucht.
Hier tauchte tatsächlich ein Finnwal auf, wenn auch nur kurz.
Gegen 14 Uhr erreichten wir Flateyri, ein Ort, der eigentlich „nur um die Ecke“ von Ísafjörđur am Önundarfjörđur liegt, jedoch zur Gemeinde Ísafjarđarbær gehört.
„Flateyri“ bedeutet flache Sandbank und so sieht das Dorf - es ist ein Dorf – auch aus von der FRAM
Aufgrund des starken ablandigen Windes und der recht kurzen Pier war der Kapitän heute besonders gefordert.
Aber um 14 Uhr lagen wir festgemacht mit „3 und 2 – vorn und achtern“, d.h. 3 Vorleinen und drei Achterleinen, die vom Schiff wegführen und jeweils 2 Vorspring- und 2 Achterspringleinen, die zur Schiffsmitte hinführen und so ein sicheres Liegen ermöglichten, auch wenn der Wind versuchte, die doch recht hochbordige FRAM von der Pier wegzudrücken.
Für mich war es interessant zu sehen, wie die Forderungen des ISPS-Code (International Ship and Port Facility Security Code) hier in Flateyri umgesetzt wurden,
Denn die Vorschriften dieser Konvention erfordern eine strikte Abriegelung des Hafens gegen den Zugang für unberechtigte Personen als Maßnahme zur Gefahrenabwehr für Schiff und Hafen. Hier genügten ein paar Leitkegel, die übrigens als „Lübecker Hütchen“ vor über 60 Jahren erfunden wurden, und ein Flatterband als Abgrenzung. Irgendwie pragmatisch!
Mehr über den, in einigen Staaten – insbesondere den USA und Großbritannien - übertrieben angewandten ISPS-Code hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Internati ... urity_Code
Seit 1792 ist Flateyri ein Handelsplatz, von dem aus die Fischerei mit offenen Booten, insbesondere auf den Grönlandhai, betrieben wurde. Heute nimmt auch hier der Tourismus eine immer bedeutendere Rolle ein, denn die Westfjorde sind als Touristenziel immer beliebter.
Auch hier kann man mehr über den Ort lesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Flateyri
und einige Informationen kommen von mir auch noch, nachdem wir von unserem Ausflug zum Garten von Skruđur zurückkommen.
Ach ja, hier als auch in Ísafjörđur verließen wir das Schiff über die Gangway an der Seite – gar kein Ausbooten mehr und auch keine Schwimmwesten waren erforderlich.
Die Busfahrt wurde geleitet von einer – wie meine Frau schrieb – „sehr agilen, unterhaltsamen Russin, die einen Isländer geheiratet hatte, den sie wiederum in Deutschland kennenlernte.“ Unterhaltsam war es auf jeden Fall, denn sie redete in einem Schwall voller Begeisterung von Island und dem Garten.
Wir fuhren wieder durch den Vestfjarðagöng, den längsten Tunnel Islands. Kurz nachdem wir aus dem Tunnel herauskamen und über den Damm über den Fjord fuhren, wurde der Bus mehr als heftig durchgeschüttelt. Nicht nur ein Schiff hat eine Windangriffsfläche.
Wir erreichten den Garten von Skruđur. Er ist deswegen interessant, weil er einer der nördlichsten Gartenanlagen der Welt ist. Selbst der botanische Garten von Akureyri liegt etwas südlicher. Die Anlage von Skruđur ist ein Blumen- und Gemüsegarten, mehr sogar ein Schulgarten, denn sie wurde 1905 von dem Pfarrer Sigtryggur Guðlaugsson gegründet und 1909 offiziell eingeweiht, also noch ein Jahr früher als der Garten von Akureyri. Er sollte zeigen, dass Blumen und Gemüse auch in Lagen mit widrigen Wetterumständen erfolgreich angepflanzt werden können, was dem Pfarrer auch gelang. Allerdings ließ man die Anlage verkommen, denn durch den Tod des Pfarrers geriet sie in Vergessenheit. Erst 1992 konnte sie mit Unterstützung freiwilliger Helfer wieder instand gesetzt werden. Heute ist die Stadt Ísafjörđur für die Instandhaltung zuständig.
Für uns war es schwierig, Fotos möglichst ohne Blaumeisen zu schießen. Aber bei einigen ist es gelungen.
Diestel
Glockenblume
Und sogar Erdbeeren wachsen hier!
Natürlich dürfen Lupinen nicht fehlen
Ebenso wenig wie der arktische Mohn
Die Blume kenne ich nicht.
Büste des Gründers Sigtryggur Guðlaugsson
Eingangstor aus Walknochen
Landschaft in Skruđur
Langsam wurde es Zeit für die Rückfahrt und so wurden wir dann gegen 16 Uhr am Fuß einer Anhöhe abgesetzt mit der Aufforderung doch den Hügel hinaufzugehen, weil man dort das beste Fotomotiv hätte.
Wir blieben wo wir waren und hatten auch dort eine gute Aussicht auf den Ort.
FRAM, das höchste „Gebäude“ von Flateyri
Der Friedhof von Flateyri
Mit dem Friedhof von Flateyri hat es eine besondere Bewandtnis. Der Ort liegt unterhalb des 660 m hohen Eyarfjall, von dem sich 1995 eine große Lawine löste, die 45 Menschen unter sich begrub, 25 konnten gerettet werden. Man muss dabei bedenken, dass es heute gerade 180 Einwohner gibt, damals waren es weniger. Da die Einwohner ihren Ort jedoch nicht verlassen wollten, wurden Lawinenverbauungen errichtet, die mögliche Geröll- und Schneemassen ableiten.
Wir gingen zur 1936 geweihten Kirche, die geöffnet war.
Sie strahlt durch ihre Farben eine Stimmung der Ruhe und Besinnung aus,
ebenso durch die bunten Kirchenfenster. So konnten wir nach der Busfahrt wieder einmal Stille genießen.
Walknochen vor der Kirche
Es stehen noch einige alte Häuser, die allerdings nicht so farbenfreudig wie die in Ísafjörđur waren.
Sveinshus von 1880
Der Krämerladen von Flateyri
Das älteste erhaltene Haus in Flateyri aus 1870. Es wurde von Hjálmar Jónsson gebaut, der hier Fischerei und Handel betrieb. In diesem Haus wurde der Stick- und Klippfisch gelagert. Hjálmar lernte Schiffbau in Dänemark. Dort lernte er Torfi Halldórsson kennen, der die Seemannschule in Flensburg besuchte. Flensburg war seinerzeit dänisch, ebenso wie Island unter dänischer Herrschaft stand. Torfi wurde später Leiter der ersten Seemannschule in Island. Gemeinsam beschafften sie das Segelboot LOVISA, das größer und besser ausgestattet war, als die üblichen „ungedeckten“ Ruder- und Segelboote in den Westfjorden. Somit wurde die Reederei Torfis und Hjálmars über 30 Jahre die größte in den Westfjorden. Die Fangsaison dauerte vom Frühjahr bis September, wenn die Boote an Land gezogen wurden.
Heute befindet sich in diesem alten Haus ein kleines, liebevoll eingerichtetes Museum über die Fischerei und Seefahrt.
Kurz bevor wir wieder an Bord gingen, konnten wir den „eisgeschädigten“ Wulstbug der FRAM aus dem Wasser ragen sehen.
Beim Abschiedscocktail des Kapitäns erhielten wir dann von ihm und der Expeditionsleitung die Information, dass wir wegen eines heranziehenden Sturms Grundafjörđur auslassen und direkt nach Reykjavik laufen würden. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass viele Passagiere ihre Heimflüge verpassen könnten. Glücklicherweise betraf die Maßnahme uns nicht, denn wir hatten noch ein Nachprogramm gebucht, zu einem Zeitpunkt, zu dem wir noch nicht wussten, dass wir 2016 Island mit dem Auto umrunden würden.
Kurz nach dem Ablegen leerte sich der Panoramasalon zusehends. Auch das Restaurant war leerer. Glücklicherweise waren wir nicht seekrank und so ließen wir uns das Abendgetränk in der QILAK-Lounge schmecken, bis auch wir durch die Schaukelei müde wurden.
Hier sehen wir noch einmal die Route in Grönland und in Island.
Und so setzten sich die Passagiere nach Nationalitäten zusammen:
Mittwoch 9. September – Ritt über den Breiđarfjörđur und Faxaflói nach Reykjavik
Dieser Tag ist kurz erzählt. Da bei den „Tanzbewegungen“ der FRAM an Duschen nicht zu denken war, blieben wir in der Koje und ließen das Frühstück ausfallen. Wir waren nicht seekrank, aber man konnte sich auch nur schlecht auf den Beinen halten. Da die FRAM ja ein recht kurzes Schiff ist mit 114 m und einer Breite von 20 m, waren die Bewegungen auch für mich als ehemaligem Seemann etwas ungewöhnlich und ziemlich heftig und ruckartig.
Wenn ich mir vorstelle, dass man auf den Antarktisreisen zwei Tage in der Drake-Passage diese Schaukelei haben würde und eventuell auf der Rückreise auch noch…
Nein danke, das, was ich erlebt habe auf dem Nordatlantik und wofür ich seinerzeit bezahlt wurde, muss ich nun nicht buchen und dafür selbst bezahlen.
Am späten Vormittag wurden die Bewegungen geringer und wir standen auf, um noch ein Foto von der Einfahrt nach Reykjavik zu schießen, wo wir gegen 15 Uhr einliefen.
Reykjavik mit der Hallgrímskirkja
In Reykjavik blieben wir an Bord, denn fast alle anderen Passagiere hatten die Gelegenheit wahrgenommen, um an den kostenlosen Ausflügen teilzunehmen, die für den Ausfall Grundarfjörđur angeboten wurden. Da wir das Nachprogramm gebucht hatten, würden wir ab dem nächsten Tag eben diese Ausflüge machen. Wir hingegen konnten in aller Ruhe unsere „Siebensachen“ packen und die Ruhe an Bord und die Aussicht auf Reykjavik genießen.
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Fortsetzung folgt.
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Und herzlichen Dank wieder für Eure lobenden Worte!
Und @ Christina: Ich weiß immer noch nicht, welches mein (e) Topfoto(s?) sein werden.
Gruß
Ronald