Hit the road
Liebe Norwegenfreunde
Mit diesem Bild endete meine Rundreise durch Norwegen im vergangenen Jahr:
und ich hatte den Winter über Zeit zu überlegen, ob und wie es weitergehen sollte. Mit einem großen Wohnmobil glaube ich nicht mobil genug zu sein; mit einem Wohnwagen binde ich viel Kapital für nur wenige Wochen. Und für die Variante „Miete“ bin ich zu geizig. Da bleibt nicht viel – und so habe ich mich schließlich allein mit meinem Golf VII TDi auf den Weg nach Norwegen gemacht und meine Erlebnisse und meine Abenteuer gesucht. Was daraus geworden ist, könnt ihr in den nächsten Tagen hier lesen. Denn, wie von mir gewohnt, werde ich peu à peu meine Tagesetappen hier einstellen.
Seid nicht enttäuscht, wenn ihr das eine oder andere Bild zum wiederholten Male seht und dann auch noch von mir. Für mich waren es überwiegend erstmalig und einzigartige Momente, die ich auf meine Festplatte gebannt habe. Ich habe, in den letzten Jahren immer wieder erleben dürfen, dass eigene Erlebnisse vor Ort weitaus intensiver erlebt werden und mehr Nähe bringen, als irgendein Bild in einem Bildband oder einem Forum. Damit will ich mich nicht gegen eure Bildberichte aussprechen – ganz im Gegenteil. Eure Berichte, eure Erlebnisse und eure Erfahrungen begleiten mich auf meinen eigenen Touren und geben mir Anregungen, Tipps und Hinweise für eigene Wahrnehmungen. Und nach einer Reise geben mir eure Berichte dann auch noch Erinnerungen und Sehnsüchte.
Ich habe immer wieder hier im Forum den Ratschlag gelesen, nichts im Voraus zu planen sondern seiner Spontanität freien Lauf zu lassen. Ich interpretiere es als „freie Fahrt für freie Menschen“! Also: Losfahren, irgendwo ankommen, weiterfahren und wieder irgendwo sein.
Leute – so bin ich nicht! Das bin ich nicht! Und als Beamter schon gar nicht. Seht es mir daher nach, dass ich meine Reise geplant habe, dass ich vier Fähren (Kiel – Göteborg; Bodø – Moskenes; Svolvær – Nesna und Langesund – Hirtshals) im Voraus gebucht und auch bezahlt hatte. Das bedeutet natürlich auch die Einhaltung eines bestimmten Zeit- und Fahrplans. Das war mir, vor Antritt meiner diesjährigen Reise durchaus bewusst. Aber es verschaffte mir auch ein notwendiges Maß an Planungssicherheit. Tja, Beamter halt.
Das gilt auch für die Unterbringung auf den Lofoten, für die ich bereits im November 2017 eine Unterkunft für eine Woche über AirBnB gefunden und gebucht hatte.
Doch alles schön der Reihe nach:
Anreise:
Der Urlaub beginnt bei mir bereits vor der Haustür. Denn nach nur 30 Minuten Fahrzeit über die BAB A 210 kann ich bereits auf die Stena Germanica am Kieler Schwedenkai einchecken. Ich bringe mein Handgepäck in die Kabine und begebe mich gleich auf das Sonnendeck, das seinem Namen alle Ehre macht – die Sonne scheint. Dazu gibt es Bier, schwingende Klänge aus dem Lautsprecher und Bratwurst oder Hamburger vom Grill.
Aus dieser Höhe sieht sogar mein Arbeitsplatz in der Nähe vom Schleswig-Holsteinischen Landtag interessant aus.
Doch interessanter finde ich die Segler auf der Kieler Förde und die Kulisse um den Einlauf vom Nord-Ostsee-Kanal sowie die gegenüberliegende Seite, nämlich Mönkeberg, Heikendorf und vor allem Laboe mit dem Marine Ehrenmal und dem U-Boot U 995. Jeder Reisende auf dem Weg nach Schweden oder Norwegen kommt an diesen „Denkmälern“ vorbei.
1. Tag – 3. August 2018
Tagesetappe: https://goo.gl/maps/hGLPzDHY9zn
Schweden und Göteborg begrüßen mich und alle anderen Gäste mit allerbestem Wetter und Sonnenschein. Also schnell gefrühstückt und die Einfahrt in den Göta vom Sonnendeck aus verfolgen. Super schön.
Auf der Fähre gibt es bereits Flyer über eine Umleitung innerhalb Göteborgs, weil der Götatunnel in Richtung Norden wegen Sanierungsarbeiten gesperrt ist. Das ist aber kein Grund zur Sorge, denn die Umgehung ist gut ausgeschildert und meine Tante im Navi bräuchte eigentlich nicht aktiv zu werden. Sie redet trotzdem und führt mich zielsicher auf den Europaväg 45 (E 45).
Und nach knapp einer Stunde stehe ich bereits vor dem Saab Car Museum in Trollhättan.
„Das Saab Automuseum ist mehr als Nostalgie. Es ist Designgeschichte, Kultur- und Industriegeschichte und eine berühmte Renngeschichte. Es ist Ingenieurskunst und Ideen von hinten. Es ist die Geschichte von Schweden und von Saab.“
Diese Feststellung ist nicht von mir, sondern von dem schwedischen Autojournalisten Claes Johansson, der sich persönlich hohe Verdienste um den Erhalt des Saab-Museums erworben hatte.
Angefangen im Flugzeugbau revolutionierte der schwedische Autobauer 1984 mit seinem Saab 900 Turbo 16 Aero mit einem 16-Ventil-Turbomotor den Motorenbau im Automobilbau. Für eine kurze Zeit blickte die Welt nach Schweden, wie vielleicht vorher schon bei den Erfolgen der Pop-Gruppe ABBA in den siebziger Jahren.
Ich habe das Saab Museum in Trollhättan als eine kleine, aber feine Sammlung aller Modelle des schwedischen Autobauers vom Beginn bis in die Neuzeit erlebt. Alle Modelle sind liebevoll aufgereiht, dokumentiert und kommentiert. Ein Stückchen Automobilkultur. Aber man ist schnell rum und auch nach einem zweiten Rundgang ist dieser Museumsbesuch schnell zu Ende.
Ich fahre weiter in Richtung Karlstad, richte mich aber auf eine Kaffeepause im Cafe und Butik „Country Thyme“ in Mellerud ein, hatte ich mich hier doch im letzten Jahr so wohl gefühlt. Aber der Besuch erweist sich in diesem Jahr als überflüssig. Die Butik mit unzähligem Schnick-Schnack für teuer Geld gibt es noch, aber der Gastronomiebereich wird nicht mehr bedient. Also kein Kaffee, kein Kuchen, keine Pølser und keine Sandwiches. Damit war mein Besuch dort auch schnell wieder vorbei.
Den nächsten Boxenstopp mache ich im Värmlands Vikingacenter in Nysäter.
Das Wikinger-Museum mit einer 200 qm großer Ausstellungsfläche und einem Freilichtmuseum mit Wikingerhütten und –zelten empfinde ich als unspektakulär. Aber vermutlich bin ich mit dem Weltkulturerbe „Haithabu“ etwas verwöhnt.
Ich schaue mich um, mache einen Rundgang über das Gelände und genieße den Kaffee im Cafe. Ich denke, für Familien mit kleinen „Wikingern“ ist dieses Museum und Gelände einen Besuch wert.
Auf dem Weg zu meinem ersten Nachtlager in Schweden schaue ich noch kurz am Långelanda tingshus, einem der ältesten Gerichtsbebäude, in der Nähe von Årjäng vorbei.
Das Gerichtsgebäude wurde 1801-1804 erbaut und war bis 1935 in Gebrauch. Es befinden sich dort auf dem Areal – außer dem Gerichtsgebäude – auch noch das Gefängnis und ein Archiv. Alle Gebäude sind Kulturdenkmäler. Es ist vor allem die Einrichtung, die dieses Kulturdenkmal interessant macht.
Rund um das Gerichtsgebäude gibt es noch andere gut erhaltene Gebäude. In diesen wohnte der Richter, Polizeikommissare und Schöffen während der Gerichtssitzungen, die damals mehrere Tage und manchmal mehrere Wochen dauerten.
Schließlich lande ich auf dem „Töcksfors Camping & fritid“ und beziehe dort eine kleine Campinghütte für die Nacht.
Der Campingplatz ist sehr schön am Foxen, einem Seitenarm des noch viel größeren Stora Le gelegen, der als 19. größter See Schwedens gilt. Die Betreiber sprechen deutsch und sind ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. „Wir haben kein WLan, wir sprechen noch mit unseren Kunden“ steht über der Anmeldung. Ich habe diesen Service, der mittlerweile überall als Standard gilt, nicht vermisst.
Es ist noch früh am Abend, es ist noch warm und ich bin von der Fahrerei bis hierher nach Tockförs nicht „erschlagen“ oder „kaputt“. Also mache ich mich auf den Weg zu dem eigentlichen Ziel meines Abstechers von der eigentlichen Süd-Nord-Achse des Inlandsvägen auf dem Weg nach Norwegen: Båstnäs bilkyrkogård
Båstnäs ist wirklich eine Attraktion der besonderen Art, der einzige Autoschrottplatz der Superlative Nordeuropas.
Ich fahre vom Campingplatz in Töcksfors über Västra Fågelvik auf einer etwa 25 Kilometer kurvenreichen Schotterpiste, bis zu einem Schild mit der Aufschrift "Hier ist das Ende der öffentlichen Straße“. Ich bin in Båstnäs und auf dem Autofriedhof der Brüder Ivanssons, einer Kultstätte, in der sich mindestens 200 bis 300 vergessene Oldtimer stapeln. Hier scheint die Zeit still zu stehen, hier wirkt alles unwirklich und unheimlich.
Ivanssons Bilskrot gehörte ursprünglich zwei Brüdern (Ivansson). Autos wurden demontiert und Schrott und Teile wurden verkauft, hauptsächlich nach Norwegen. Norwegen war nach dem Krieg ein armes Land und Autoteile waren fast unmöglich zu bekommen. Es gab daher viele Schrottlager an der schwedischen Grenze und die Norweger waren ihre besten Kunden.
Die ausrangierten Autos stammen hauptsächlich aus den frühen 50er Jahren und sind ein Nostalgietraum für Autoliebhaber. Viele der Autos sind von Bäumen und Moosen überwachsen und sind fast eins mit der Natur geworden.
Båstnäs Bilskrot – das kann man nicht beschreiben, das kann man nicht auf einem Bild festhalten. Die Spuren der Vergänglichkeit von ca. 200 bis 300 Fahrzeugen, bei denen die Botanik mittlerweile über die Jahrzehnte hinweg ihr Quartier zurück zu erobern versucht, ist so skuril, dass man es persönlich gesehen haben muss. Man muss diesen Ort sehen, fühlen und spüren. Automarken bis in die späten 60iger! DKW, VW, Buick, Saab, Volvo und Ford mit der legendären ”Badewanne” (Ford P 3).
Und auch die schwedische Nobelmarke Saab wurde nicht ausgespart.
(alter Schwede)
Wer also alte Autos mag, die sich in nicht idealem Pflegezustand befinden (in Zeitungsannoncen würde wohl „starke Gebrauchspuren“ stehen), wird den Autofriedhof bei Båstnäs lieben.
So, das war der Auftakt - in den nächsten Tagen geht es Stück für Stück weiter. Habt bitte etwas Geduld
Schönen Abend, schönes Wochenende
Martin