10. Tag – 12. August 2018Nach dem schönen Vortag ist für den heutigen Sonntag „Schietwetter“ angesagt. Hätte doch nicht Not getan. Menno. Für mich geht es trotzdem auf Tour. Eine Userin hatte hier im Forum auf die Frage, was man auf den Lofoten gesehen haben müsste geantwortet: „Setz dich ins Auto – fahre links, fahre recht; fahre Nebenstrecken und du hast alles gesehen, was du auf den Lofoten sehen kannst“ (oder so ähnlich). Ich nehme mir diese Lebensweisheit zu Herzen, setze mich in mein Auto und fahre in Richtung Leknes, Stamsund und weiter nach Å.
So früh am Morgen und bei dem miesen Wetter ist auf den Straßen nicht viel los. Ich komme gut voran, obwohl ich nun wirklich nicht auf Tempo machen muss. Den kleinen Ort Leknes, der zugleich Verwaltungssitz für die Kommune Vestvågøy ist, finde ich unspektakulär. Eine Hauptstraße, Geschäfte zum Einkaufen und eine Tankstelle. Vielleicht liegt meine pessimistische Grundhaltung zu diesem Ort aber auch am Wetter und an der Tatsache, dass heute am Sonntag nicht viel los ist. Immerhin gibt es ein farbenfrohes Graffiti:
Ich biege von der E 10 auf den Fv 815 ab und fahre nach Stamsund. Wenige Kilometer hinter Leknes gibt es einen großen Park- und Rastplatz mit vernünftigen Toiletten und sicherlich guten Möglichkeiten für eine Übernachtung. Allerdings finde ich diesen Standort nicht besonders schön und reizvoll. Ich denke, da gibt es interessantere Orte auf den Lofoten.
Meine Weiterfahrt nach Stamsund wird von heftigen Regengüssen begleitet.
Ich mag kaum aus dem Auto steigen und mir die Gegend und den Ort anschauen. An der Ecke „M.J. Johansens Vei“ (Johansen war der Erbauer oder Gründer von Stamsund) und „Steineveien“ halte ich kurz an, um die Installation des Künstler Ulf Melkstadvik mit dem Oldtimer „Fiat Jagst“ für ein Bilderrätsel aufzunehmen (Rätsel 1919 -
viewtopic.php?f=47&t=31589)
Wegen des Regens geht es gleich auf dem Steineveien wieder zurück nach Leknes. Schade, dass es heute so diesig ist und ich kaum etwas sehen kann.
In Leknes geht es wieder auf der E 10 und weiter ostwärts. Den nächsten kurzen Halt mache ich in dem kleinen Fischerort Napp
und kurze Zeit später am Flakstad Rastplatz mit seiner schönen Aussicht auf den Skagsanden Beach. Ein traumhaft schöner Strand, der anscheinend ein Eldorado für Surfer zu sein scheint. Trotz des miesen Wetters, der niedrigen Temperaturen stürzen sie sich mit ihren Wellenbrettern in die Fluten; mit mehr oder (meist) weniger Erfolg. Sensationell und total interessant. Jetzt noch Sonnenschein, ein Kaffee und Wienerbrød und das Leben wäre einfach nur noch schön.
Das mit dem Imbiss und dem Kaffee hole ich auf Sakrisøya in Anita's Sjømat nach – ein Geheimtipp, der schon lange nicht mehr geheim ist, sondern zum absoluten Muss bei einem Lofotenbesuch gehört.
Ohne zu übertreiben: Der Fischburger mit geräuchertem Lachs und Shrimps ist der Beste, den ich je gegessen habe. Einfach nur saulecker!!! Der Kaffee dazu ist übrigens ebenso perfekt.
So gut gestärkt geht soll es nun doch schnell nach Å weiter gehen. Aber zuvor noch ein Blick in den Trödelladen gegenüber von Anita’s Sjømat, der sich im Obergeschoss vom Spielzeugmuseum befindet.
Das Spielzeugmuseum mit alten Puppen und Blechspielzeug ist einzigartig in Nordnorwegen und mit Sicherheit einen Besuch wert. Hier befinden sich tausende von Schätzen aus dem 19. und 20. Jahrhundert und die Experten von „Bares für Rares“ würden vor Freunde feuchte Augen kriegen.
Mich aber zieht es mehr zum Trödel und zum Ramsch – deshalb meine Reise in eine vergangene und teilweise vergessene Welt nur ein Stockwerk höher.
Nach einem kurzen Besuch fahre ich schließlich weiter – die E 10 schlängelt sich weiter an der Küste und über Brücken vor landschaftlich grandioser Kulisse. Schade, dass ich wegen der „tieffliegenden“ Wolken nicht allzu viel sehen kann. Bei klarer Sicht muss das traumhaft schön sein.
Ich halte noch kurz am Parkplatz, der sich kurz vor Reine befindet. Ein toller Blick von dort hinüber zum Ort. Aber wegen des extrem schlechten Wetters bleibe ich auch hier nicht länger.
Inzwischen habe ich gelesen, dass dieser Parkplatz der neue Ausgangspunkt für eine Wanderung auf den Reinebringen sein soll, für die Sherpas in diesem Sommer Treffen in den Berg geschaffen haben, um die Gefahr von Steinlawinen, Bergrutschen und Abstürzen zu verhindern. Vermutlich wird der Reinebringen künftig noch stärker als ohnehin schon von Touristen belagert.
Endlich bin ich an dem Etappenziel meiner heutigen Rundreise angelangt. Ich parke mein Fahrzeug brav auf dem Touristenparkplatz außerhalb des Ortes, gleich hinter dem Tunnel. Von dort führt ein kurzer Fußweg in das Norwegische Fischereimuseum, eines der ältesten und besterhaltenen Fischerdörfer Norwegens.
Na ja, „Fischerdorf“ würde ich die Ansammlung jetzt nicht mehr bezeichnen. Denn alle Gebäude dienen ausschließlich touristischen Zwecken. Entweder als Ausstellungsgebäude oder als Ferienwohnung. Jedes ehemalige Fischergebäude, das so genannten „Rorbu“, befindet sich in der Hand der Reiseveranstalter und Ferienhausvermittler. Einen echten und leibhaftigen Fischer wird man heute in der alten Siedlung vergeblich suchen müssen.
Aber sehenswert und interessant ist es in dem Museum und den abwechslungsreichen Ausstellungen ja trotzdem – egal ob in der Schmiede, dem Bootshaus, der Trankocherei oder auch der Bäckerei. In den Sommermonaten soll es dort auch Steinofenbrot und Kanelboller geben. Ich merke, ich bin mal wieder viel zu spät; für die Norweger ist Anfang August schon keine Saison mehr. Das gilt im Übrigen auch für die Führungen, die eigentlich innerhalb des Eintrittspreises (100 NOK) angeboten werden und nun nicht mehr regelmäßig, sondern „nach Bedarf“ stattfinden.
Aber in dem Museum ist alles frei zugänglich und alles sehr schön und liebevoll ausgestellt. Auch ohne Führung gewinnt man einen guten Eindruck von der Welt der Fischerei im 19. und 20. Jahrhundert.
Ein altes Fischerdorf wäre nicht ein solches ohne Fisch. Also besuche ich auch noch das Stockfischmuseum (Tørrfisk-Museum) an der alten Brygge am Hafen von Å. Das Museum erzählt die tausendjährige Geschichte des Stockfischs, seiner Verarbeitung, seiner verschiedenen Güteklassen und seinem Export in die weite Welt; vor allem nach Italien.
So viel Kultur auf einem Haufen ist nahezu erdrückend. Außerdem bin ich von diesem feinen und fiesen Nieselregen bis auf die Wäsche pitschnass. Urlaub geht eigentlich anders, habe ich immer gedacht. Aber auf mich hört ja keiner.
Auf dem Rückweg zur Unterkunft noch ein kurzer Abstecher zur „Epitaph skulptur“ am Fv803 bei Skjelfjord.
Dazu die Erklärung auf „skulpturlandskap.no“:
„Die Skulptur Epitaph - Erinnerungsbild – des japanischen Bildhauers Toshikatsu Endos in Flakstad erzählt von etwas oder von jemandem, was/ der gewesen ist, und an das man sich erinnern will oder sollte. Die Wahl des Ortes für die Skulptur durch den Künstler, direkt an einem viel befahrenen Weg mit einem Geröllfeld als Hintergrund, ist ein Zeugnis des ästhetischen Raffinements, wofür die japanische visuelle Kultur so geschätzt ist.
Die technische Ausführung der Skulptur, Stein für Stein zu einem monumentalen Kunstwerk aufgebaut, steht im Widerspruch zu der Hetze nach Effektivität unserer Zeit. Die Gedanken werden zum Meditativen hingelenkt, dem Langsamen und Stillen im Dasein, oder zu der europäischen Tradition, die über die reine physische Präsenz hinausgeht.“
Ach ja !!!