Nachdem ich mich bisher noch nicht zu diesem Thema geäussert habe - und zwar nicht, weil ich es nicht interessant finden würde (ganz im Gegenteil!) -, ist es mir jetzt doch ein Bedürfnis etwas beizusteuern.
Ich bin ja irgendwie jemand, der in keine der Schubladen, die hier aufgemacht wurden so ganz hineinpasst. Ich bin sowohl "Wirtschaftsflüchtling", weil ich in Deutschland arbeitslos war und in Norwegen dann einen Job gefunden habe, als auch von dem Norwegenvirus infiziert, obwohl ich noch nicht weiss, wie lange ich hier bleiben will. Ich bin zufällig in der Telemark gelandet, weil ich halt hier Arbeit gefunden habe und ich habe mich in Deutschland vorher ziemlich wohlgefühlt (bei aller Kritik) und bin nach Norwegen gegangen, weil ich einfach neugierig auf was neues war.
Ich will jetzt gar nicht so viel von meinen Erfahrungen hier schreiben, weil die sich eigentlich irgendwo in den anderen Postings wiederfinden (viel positives, einiges erstaunliches oder verwunderliches, wenig wirklich negatives).
Aber ich möchte noch ein paar Worte zu den "Nörglern" loslassen. Nur zur Beruhigung: es sind nicht nur die Deutschen, die nörgeln - im Moment mache ich gerade sehr geballte Erfahrungen mit Österreichern. Das liegt zum einen daran, dass unsere Firma ein starkes Standbein in Österreich hat und ich dadurch viel mit Österreichern zu tun habe (die fast alle nur am nörgeln, bzw. granteln sind, dass es einfach nur nervt - aber das hat nichts mit Norwegen zu tun), zum anderen, dass zwei negative Erfahrungen zu dem Thema in den letzten Tagen (zufällig) mit Österreichern zu tun hatten.
Da mich beide Begebenheiten in den letzten Tagen sehr beschäftigt haben, möchte ich sie hier mal loswerden. Zum einen war ich auf einem sehr schönen Konzert mit Bugge Wesseltoft und Audun Kleive hier in Porsgrunn. Nach dem Konzert bin ich mit der Vorsitzenden des örtlichen Jazz-Forums hier ins Gespräch gekommen und als sie hörte, dass ich Deutscher bin, hat sie mich einem Mitglied des Forums vorgestellt, der zwar Norweger ist, aber ein österreichisches Elternteil hat und auch ein paar Jahre in Österreich gelebt hat. Ich muss sagen, dass es mir jetzt nicht sooo wichtig war, einen deutschsprachigen kennenzulernen, aber seine Reaktion war auch sehr negativ ("wenn es sein muss"). Na ja, irgendwie sind wir dann doch ins Gespräch gekommen und was ich dann hören musste, war echt der Hammer. Dass er in einer sehr abfälligen Art über das Konzert sprach, konnte man noch unter Meinungsfreiheit abbuchen. Aber dann ging es darum, wie es mir hier gefallen würde und als ich sagte, dass es mir im Grossen und Ganzen sehr gut gehen würde, es aber natürlich nicht immer leicht währe, musste ich mir anhören:
"na ja, du bist ja erst ein halbes Jahr hier. Warte mal ab, wie dir das hier in 2 Jahren alles auf den Geist gehen wird!"
Am nächsten Tag hatte ich dann Kontakt mit einem Kollegen aus Österreich, der am selben Tag wie ich hier in Norwegen angefangen hat und der selbst nach sieben Monaten erst zwei, drei gebrochene Sätze norwegisch spricht, aber meint, immer alles (meist negativ) kommentieren zu müssen ("die Norweger sind so", "die Norweger machen das"). Der hat aufgrund fehlender Kontakte und Interessen ziemlichen Frust geschoben, weil er sich zu Tode langweilt. Na ja, kein Wunder, er spricht die Sprache nicht, hat keine Hobbies, und kommt noch nicht einmal auf die Idee, mal nach Oslo zu fahren, wenn ihm das Kleinstadtleben in Porsgrunn auf den Geist geht (sprich: er war ausser aus beruflichen Gründen noch nicht einmal unterwegs in dieses sieben Monaten - weder in Norwegen, noch zuhause in Österreich). Na ja, jedenfalls musste ich auf meinen Hinweis an ihn, dass seine Probleme sicher auch sehr viel mit den fehlenden Sprachkenntnissen zu tun haben, folgendes anhören:
"Ja, die Sprache ist sicher ne Barriere, aber nicht der Hauptgrund der Tristesse. Schau dich mal um und sag mir was es da gibt ausser Natur und besoffene Menschen am Wochenende?"
Halllllooooo, geht es
noch arroganter? Und das war zu 100% ohne Augenzwinkern so gemeint!
Sicher kann ich solche Erlebnisse damit abtun, dass es halt immer Leute gibt, die alles nur negativ sehen. Aber ganz so einfach ist es nicht. Auch ich habe manchmal Durchhänger und empfinde nicht alles als so leicht. Z.B. spüre ich immer noch (trotz riesiger Fortschritte und trotz der Tatsache, dass ich mich mit jedem Norweger hier fast problemlos verständigen kann) diese Sprachbarriere. Vieles ist noch nicht selbstverständlich für mich, sondern muss täglich neu erlernt werden (wo bekomme ich was, wie verhält man sich in welcher Situation, etc.). Und natürlich bin ich mit meinem spärlich vorhandenen sozialen Umfeld noch nicht zufrieden und fühle mich ab und an etwas alleine. Da kostet es Energie, immer wieder die vielen (wirklich vorhandenen) positiven Dinge zu sehen, sich am bereits erreichten zu erfreuen und einfach Geduld mit sich und der neuen Situation zu haben. Und deswegen sind solche Erlebnisse, wie ich sie jetzt gerade hatte, nicht einfach nur nervig, sondern sie kosten mich noch eine ganze Menge extra Kraft, weil sie meinen Fokus erstmal wieder auf die noch nicht so tollen Sachen werfen. Und gerade diese Orakel-Aussagen ("warte erstmal ab") sind nicht durch Fakten entkräften, sondern nur durch Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und durch Vertrauen in das Positive.
Und deswegen habe ich mir vorgenommen, diesen Nörglern und Grantlern noch viel mehr aus den Weg zu gehen und mich mit positiven Menschen zu umgeben, bzw. lieber mich alleine langweilen, als mir so einen Sch... anhören zu müssen.
Danke an alle, die bis hierhin gelesen haben. Hat echt gut getan, das mal los zu werden.
Viele Grüsse und ein schönes Wochenende,
Carsten