5. Tag – 08. Juni 2019Gestern noch T-Shirt, kurze Hose und Sandalen bei hochsommerlicher Hitze – heute Mütze, Schal und Handschuhe. So schnell kann das gehen. Es sind am Morgen 7 Grad, es regnet und es ist kalt.
Gut geschlafen habe ich trotzdem. Ich hätte mir zwar einen schönen Sonnenaufgang in den Bergen gewünscht und den Blick auf dieses Gipfelpanorama, aber so ist es mit den vielen großen und kleinen Wünschen – sie gehen nicht immer in Erfüllung.
Gegen 07:30 Uhr lässt der Regen nach und geht in leichten Niesel über. Ich starte den Tag mit der wichtigsten Handlung – Kaffee!!! Der Spirituskocher braucht eine gefühlte Ewigkeit bevor die kleine Kasserolle Wasser heiß ist. In der Zwischenzeit habe ich meine Schlafstätte aufgeräumt, alle Klamotten wieder an ihren Platz bestellt und mein Frühstück vorbereitet.
Kaffeebecher in der einen Hand, Frühstücksstulle in der anderen. Improvisieren ist alles; vor allem bei diesem miesen Wetter. Der Nieselregen ist unangenehm – also Regenjacke und Türen immer gut geschlossen halten.
Schließlich komme ich kurz vor 09:00 Uhr vom Platz und fahre das Korgfjell wieder bergab nach Mo i Rana. In Dalsgrenda überlege ich noch, ob ich so dreist sein sollte, auf dem Yttervik-Camping-Platz eine kurze Pause zum Rasieren und Duschen einlegen sollte, fahre dann aber doch vorbei, weil ich das nämlich doch nicht ganz in Ordnung finde.
In Mo i Rana folge ich der Empfehlung von Park4Night für einen weiteren Frühstücksplatz und finde das Freizeitgelände „Klokkenhagen“. Ein einfacher Sandplatz zum Parken, aber ein riesiger Erholungspakt mit unendlich vielen Picknick- und Grillplätzen, Fußball- und Volleyballplatz. Ein großes Gelände lädt zum Spaziergang auf unterschiedlichen Strecken (bis 3,7 km) ein. In der Nähe des Stellplatzes finde ich ein WC – sauber und makellos!! Sogar mit warmen Wasser. Ein perfekter Service.
Ich unternehme einen kurzen Morgenspaziergang durch den Park und mache mich mittags auf den Weg zum „Bertelberget“, eine Empfehlung meiner Freunde aus Mo i Rana, die ich vor 2 Tagen getroffen hatte. Vom Berg soll man aus über 500 Metern eine phantastische Aussicht auf Mo i Rana und den Ranfjorden haben.
Die Fahrt ins Fjell hinauf über eine schmale Straße mit unendlich vielen Serpentinen ist atemberaubend schön. Aber schließlich befinde ich mich 521 Meter ü. M. und leider wieder in den Wolken. Schade – denn von dem schönen Blick auf Mo i Rana ist hier nicht viel zu erreichen. Alles im Nebel der Wolken verschwunden.
Aber es ist eine tolle Landschaft hier oben – die Trampelpfade deuten darauf hin, dass man hier auch sehr gut wandern kann. Und wahrscheinlich gibt es hier oben die besten Blaubeeren ins ganz Helgeland. Leider nur nicht jetzt – falsche Jahreszeit.
Nach einer kurzen Pause fahre ich nach Mo i Rana zurück, mache kurz eine Besorgung im Rema 1000 und gehe von dort zu Fuß zum Havmannen, eine 11 Meter hohe Granitskulptur des englischen Bildhauers Antony Gormley (geb. 08.1950), die im Ranfjord steht und der Stadt den Rücken zudreht, um in den Fjord hinaus zu blicken. Sie wurde im Rahmen des Kulturprojektes „Skulpturlandskap Nordland“ geschaffen und am 06. Mai 1996 enthüllt.
Zu meiner Überraschung und Freude findet dort genau zu diesem Zeitpunkt eine Hochzeit statt mit dem Bürgermeister der Stadt Mo i Rana, Geir Waage und natürlich dem Brautpaar, Familie und Gäste. Das Brautpaar wird mit einer Ponykutsche vorgefahren und nach einem Cello-Solo einer jungen Künstlerin beginnt der Bürgermeister auch sogleich mit dem Zeremoniell. Im Hintergrund mit dem Tablet in der Hand verfolgt ein Wedding-Planer das Geschehen. Und statt Reis und Konfetti wird das neue Paar mit Seifenblasen bejubelt.
Nachdem die Hochzeitsgesellschaft verschwunden ist mache auch ich mich wieder auf den Weg in Richtung Norden. Also zurück zur E 6 und immer in Richtung Narvik.
Auf halber Strecke zwischen dem Polarsirkelsenter und Mo i Rana begebe ich mich auf die Spuren der Geschichte und besuche in der Nähe von Dunderland die Reste eines Kriegsge-fangenenlagers aus dem 2. Weltkrieg, wo 13.000 sowjetische Kriegsgefangene während des Krieges als Sklaven für den Bau der Nordlandbahn eingesetzt wurden.
Die norwegische Straßenbauverwaltung und das Bauunternehmen hatten sich im Zuge des Neubaus der E6 bereit erklärt, den Weg zu dem Kriegsgefangenenlager zu schaffen. Es soll schließlich vom Helgelandmuseum restauriert und der breiten Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. An der E6, an der sich das Lager befand, ist bisher nur ein Hinweisschild vorhanden. Das Helgelandmuseum will nun in Dunderlandshagen den Wald roden, damit die Überreste sichtbarer werden. Die Camps liegen an einer Forststraße direkt an der E6 in Dunderlandsdalen. Das Gefangenenlager in Dunderlandshagen soll eines der besterhaltenen in Europa werden. Der Grund, warum es heute noch besteht, ist die Tatsache, dass der Landbesitzer nicht das Herz hatte, die Überreste zu entfernen.
Bei meinem Besuch ist alles stark beschädigt und überwuchert. Trotzdem kann man die Überreste gut sehen. Mir läuft ein Schauder über den Rücken und tief bewegt kehre ich schließlich zu meinem Auto zurück.
Der Rest des Tages ist schnell erzählt. E6 bis zum Polarsirkelsenter, kurzer Spaziergang zur Weltkugel, einen Kaffee und Touristen begaffen. Interessant sind Busreisegesellschaften, deren Gäste nach dem Besuch am Polarkreis mit einem Gläschen Sekt anstoßen dürfen – eine nette Geste des Reiseveranstalters! Aber Sekt aus Pappbechern?? Mein Ding ist das nicht.
Den Abend verbringe ich bei meinen Freunden in Rognan auf der Terrasse am Grill bei einer Bierprobe und wundere mich, dass es kurz nach Mitternacht immer noch taghell ist. Ich habe überhaupt kein Zeitgefühl. Jetzt aber „husch, husch ins Bett“, um am Morgen doch noch ein wenig geschlafen zu haben.
Morgen geht's dann mal wieder ins Fjell.
Schönen Abend allerseits und Danke für das Interesse
Martin