Teil 35
Donnerstag, 27.06.2013
Innhavet – Tranøy – Saltfjell - Mo i RanaHeute würde unsere längste Etappe werden, über 420 km nach Mo i Rana über das Saltfjell, wobei noch zwei Abstecher eingeplant waren. Der erste Abstecher sollte uns zu dem Haus führen, in dem der norwegische Schriftsteller Knut Hamsun seine Kindheit verbrachte. Vorher aber kehrten wir erneut zum Aussichtspunkt Skillvassbakk bei Ulvsvåg zurück, um noch einmal die etwa 40 km entfernt liegende Lofotwand zu fotografieren, denn heute war die Sicht klarer als gestern.
Von hier aus ist auch das kleine Leuchtfeuer Ansholmen zu erkennen.
Allerdings ist das Wetter nicht so ganz nach unserem Geschmack, denn die Luft ist bei 21° C doch sehr feucht.
In Presteid auf Hamarøy steht ein großer brauner Klotz, das Dokumentationszentrum über Knut Hamsun. Er sieht nicht einladend aus und so fuhren wir weiter nach Hamsund, der Ort nach dem sich der als Knut Pedersen geborene Hamsun benannt hat.
Hamsun gård liegt malerisch vor den beiden Berggipfeln Littltinden (797 m hoch) und Dalstinden (860 m hoch). Der gesamte Hof, d.h. das Wohnhaus, das Nebengebäude und der große Schuppen, stehen heute unter Denkmalschutz.
Am Abzweig zu Hamsun gård steht eine große Holzskulptur, die Hamsun mit Hut und Schnauzbart darstellen soll. Wenn man weiß wie er ausgesehen hat, dann kann man sich das vorstellen. Aber über Kunst lässt sich ja vortrefflich streiten.
Nachdem die Fotos „im Kasten“ waren, fuhren wir etwas zurück und auf den FV 665 auf die kleine Insel Tranøy.
Ein Hinweisschild zeigte uns den Abzweig an und die Information, dass das Leuchtfeuer geöffnet sei.
Auf einer Ruckelpiste ging es Richtung Leuchtfeuer. Über den Büschen lugte der rote Kopf des Turms hervor und die Gipfel der Lofoten schauten ebenfalls über das Gebüsch.
Und um 11.30 Uhr lag die Leuchtfeuerstation Tranøy vor uns.
Unzählige kleine Schären liegen rund um die Insel Tranøy – und dahinter die schroffen Gipfel der Lofotwand.
Das erste Leuchtfeuer Tranøy wurde 1864 als eine „Ein-Familien-Station“ gebaut. Die Laterne befand sich auf dem Dach der Unterkunft. Neben dem Leuchtfeuergebäude befanden sich dort ein Bootshaus und ein Stall für das Vieh der Familie: eine Kuh, drei Schafe und eine Ziege.
Der jetzige 28 m hohe Turm wurde 1936 errichtet. Er besteht aus vorgefertigten Gussteilen, die durch Bolzen verbunden sind. Der Turm war ursprünglich für Moholmen auf den Lofoten bestimmt, wo er 1914 errichtet wurde. So konnte er abgebaut und nach Tranøy gebracht werden. Gleichzeitig wurde ein Nebelhorn installiert. Die neue Anlage benötigte mehr Personal und Unterkünfte. So wurden noch Häuser für zwei Familien und den Assistenten der Leuchtfeuerwärter gebaut.
Der Turm wurde 1959 elektrifiziert, die 250 m lange Seebrücke aber erst 1969 gebaut. Davor musste zwischen Tranøy und der Schäre gerudert werden. Sämtliches Baumaterial wurde daher mit dem Schiff nach Tranøy gebracht. 1991 wurde das Leuchtfeuer automatisiert und die Leuchtfeuerwärter abgezogen.
Heute dienen die alten Leuchtfeuerwärterunterkünfte als kleines Restaurant, Kurs- und Konferenzräume und stehen für Übernachtungen zur Verfügung. 1997 wurde die Anlage unter Denkmalschutz gestellt.
Wir genossen diese einmalige „hörbare“ Stille und die Aussicht auf die Lofotwand bei tollem Sonnenschein. Die kreischenden Möwen und die aufgeregten Austernfischer (düdüdüdüdüdüdü) sowie die plätschernden Wellen an den Felsen wollten uns eigentlich nicht loslassen. Aber eine Tasse Kaffee musste sein.
Die Bedienung im Tranøy „kafe“, setzte sich erst einmal vor ihren „Bedienungscomputer. Wir bestellten zwei Kaffee, sie tippte alles ein und kassierte sagenhafte 28 NOK, das ist eine Krone mehr als auf der Hurtigrute = 3,55 EUR. Dann zeigte sie auf die Becher und die Maschine, wo der Kaffee abzuzapfen war ….
Wir genossen den Kaffee in der Sonne sitzend neben einer windgeschützten Wand mit Glas.
Wir saßen draußen und dann kam wieder ein schönes Erlebnis. Ein Mitglied der Freunde der Vereins Leuchtfeuer Tranøy kam und fragte uns, ob uns der Windschutz gefällt. Wir erwiderten, dass wir es toll finden, hier in der Sonne auf das Wasser und die Lofoten zu gucken, und er war glücklich. Er erzählte uns weiter, dass er den Windschutz in der letzten Nacht (Mitternachtssonne) gebaut hätte. Heute würde er das Holz noch anmalen.
Wir konnten uns gar nicht trennen, mussten aber los, denn es lagen ja noch immer etwa 350 km vor uns.
Auf dem Weg zum Auto passierten wir einen Gedenkstein, der an die Torpedierung des Dampfschiffes BARØY am 13. September 1941 durch einen englischen Torpedobomber und den Tod von 112 Menschen erinnern soll.
Wer weitere Inforationen haben möchte, findet diese hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bar%C3%B8y_(Schiff)
Kaum waren wir losgefahren, stand ein Auto am Wegesrand und ein Mann wies mit seinem Arm auf eine Waldlichtung. Diesem deutschen Touristen haben wir es zu verdanken, dass wir einen weiteren Elch in unserer Sammlung haben. Es war, ein Elchbulle, wenn auch noch ein junger, dessen Geweih ansatzweise zu erkennen war.
Wie angewurzelt stand er da vor dem kleinen Tümpel, auf dem auch noch ein Reiher schwamm.
Jetzt ging es aber ab auf die E 6 – nach Süden, leider!
Der 923 m hohe markante Berg Kråkmotinden an der E 6.
Die E 6 immer noch in der Kommune Hamarøy
Weiter ging’s Richtung Kobbelv vertshus, das wir um 14.30 Uhr nach zwei Stunden Fahrt und mehrfachen Panikattacken, verursacht durch „Håkons“, d.h. kurvenschneidende, in der Mitte fahrende und erst im letzten Augenblick ausweichende norwegische Lkw-Fahrer. Zudem war die E 6 in diesem Landstrich in keinem besonders guten Zustand. Demnach hatten wir uns ehrlich einen Kaffee verdient.
Neben dem „vertshus“ befindet sich ja der kleine Wasserfall der Kobbelv, der ja schon den Weg in das Bilderrätsel gefunden hat. Auch erfährt man Details über den während der Besatzungszeit durch die Deutschen geplante Polarbahn, die allerdings von Kriegsgefangenen gebaut werden sollte.
Hinter Kobbelv fuhren wir am Leirfjorden in der Kommune Sørfold vorbei und hatten einen tollen Blick auf das 715 m hohe Rismålsfjell. Eigentlich hatte meine Frau den Blick und auch das Foto gemacht, denn ich hatte die Straße und meine Håkons im Blick.
Kurz vor dem „Aufstieg“ zum Saltfjell kam uns die Nordlandbahn entgegen.
Wir schrieben den 27. Juni und erfuhren „erleichtert“, dass das Saltfjell geöffnet war, also keine „kolonnekjøring“ wegen Schnee, sondern wegen einer Baustelle und schon sahen wir uns hinter einem „ledebil“ wieder.
Von der E 6 kurz vor dem Polarkreis erhaschten wir einen tollen Blick auf den Svartisen und dessen östlichen Ausläufer, der Austisen.
Kam uns vor dem Saltfjell der Personenzug der Nordlandbahn entgegen, war es nun ein Containerzug.
Kurz vor dem Polarkreis erreichten wir den höchsten Punkt des Saltfjells: 692 m über dem Meeresspiegel.
Um 17.15 Uhr erreichten wir den Polarkreis und es musste natürlich das übliche Foto vom Polarkreiszentrum
und dem davor befindlichen Polarkreisstein gemacht werden.
Über den Aufenthalt am Polarkreiszentrum lasse ich mal wieder meine Frau „sprechen“:
„Am Polarkreis Center tummeln sich massenhaft Touristen aller Couleur aus verschiedenen Ländern. Reisebusse, Wohnmobile, Pkw geben sich auf dem großen Parkplatz ein Stelldichein. Im Center selbst möchten wir am liebsten gleich schreiend wieder rauslaufen, so viel Kitsch auf einem Haufen haben wir selten gesehen. Und das wird auch noch gekauft! Das muss man sich eigentlich nicht ansehen. Trotzdem stöbern wir in dem Kitsch. Ronald zeigt mir ein ziemlich albern aussehendes Leibchen. „Wäre das nicht etwas für den Nachwuchs von Sohn und Schwiegertochter in New York?“, fragt er mich grinsend. „Wenn du das kaufst, laden die uns nie wieder ein“, ist meine Antwort. Das wollen wir natürlich nicht riskieren und hängen dieses „entzückende“ Teil wieder zurück auf die Stange.
Gerade sehen wir, wie der Reiseleiter eines deutschen Busses seine Schäfchen einsammelt. Bloß weg, die wollen bestimmt auch nach Mo i Rana. Und man glaubt es nicht, dieser Bus überholt uns später noch. Der Fahrer fährt genauso unmöglich wie die norwegischen Busfahrer in einem irren Tempo über die schmalen Straßen. Noch ein Grund mehr, niemals eine Busreise zu machen."…
Um 18.45 Uhr erreichen wir wieder das Meyergården Hotel in Mo i Rana. Es war dann doch nicht so ein langer Tag wie befürchtet. Und was sehen wir da? Der deutsche Bus, der uns vorhin überholt hat, ist bereits da. Ronald spricht den Fahrer an, der gerade dabei ist, seinen Bus zu waschen, er hätte ja eine flotte Fahrweise. Der nimmt’s gelassen und sagt, er sei bestimmt schon zum 70sten Mal in Norwegen unterwegs. Er kenne jede Kurve und führe wie im Schlaf (bloß nicht!) durch dieses Land. Das mache ihm überhaupt nichts mehr aus. Das nehmen wir zur Kenntnis und schwören uns, niemals eine Busreise zu machen.“
Die Reisebusse – zum und vom Nordkapp, und das in 12 Tagen!
Meyergården Hotel
Das Meyergården Hotel in Mo i Rana hat eine lange Tradition. Es wurde bereits 1831 gegründet. Allerdings befinden sich im denkmalgeschützten alten Haus Konferenz- und Seminarräume. Die Zimmer befinden sich in einem Neubau.
Da heute – aus welchen Gründen auch immer - unser Laptop streikte, machten wir nach dem Abendessen einen Spaziergang durch Mo i Rana und kamen zur alten Kirche von 1724. Die Kirche ist bis 22.00 Uhr geöffnet und so huschten wir noch hinein, um sie uns anzusehen. Dort wurden wir von einer Dame bemerkt, die in der Kirche beschäftigt ist.
Kirche Mo i Rana
Sie kam auf uns zu und wir kamen mit ihr ins Gespräch. Überraschung: Wir erhielten eine Privatführung, denn sie hatte alle Daten der Geschichte der Kirche im Kopf. Die Kirche ist das älteste Bauwerk in Mo i Rana.
Hauptaltar von 1866
Hauptaltar
Die Frau erzählte uns mit Stolz, dass Ihre Mutter die Altardecke auf dem Hauptaltar in Hardangerstickerei gefertigt hatte.
Die Kirche wurde auf Initiative des Missionars Thomas von Westen errichtet. Der Bau begann 1723 und am Dreikönigstag 1724 wurde der erste Gottesdienst in der Kreuzkirche aus Holz abgehalten. Sie hat 400 Sitzplätze und ist eine Gemeindekirche der Gemeinde Mo. Die Kirche wurde ursprünglich durch den Missionsfond unterhalten. 1827 wurde sie von der Gemeinde gekauft. Von 1834 bis 2004 war die Kirche Mutterkirche im Mo „prestegjeld“, einer Gemeinde innerhalb einer Probstei. Heute ist sie Hauptkirche der Indre Helgeland Probstei in der Sør-Hålogaland Diözese.
Altaraufsatz von 1766
Detail Altaraufsatz 1766 Abendmahl am Gründonnerstag
Während ihrer langen Geschichte wurden mehrere Restaurierungen vorgenommen. 1956 wurde eine Tauf-Sakristei mit einer kleinen Kapelle eingerichtet mit einem eigenen Altar und einem alten Altaraufsatz von 1766. Diese zeigte uns die Dame und auch das alte Messgewand von 1763.
Taufbecken
Brautgestühl
Brautgestühl
Messgewand von 1763
Orgel
Etwa um 1893 kaufte die Kirche ihre erste Orgel. Bis dahin hatte der Küster die Aufgabe, als Vorsänger zu fungieren. In Vågan auf den Lofoten wurde eine neue Kirche gebaut und die alte Orgel wurde an Mo Kirche verkauft. Der Lehrer Jakob Thode Jakobsen und der Sägewerksvormann Ole Pedersen reisten nach Kabelvåg und brachten die Orgel nach Mo. Die Orgel wurde 1895 eingeweiht und war bis 1924 in Betrieb, bis sie durch eine neue Orgel ersetzt wurde. Die alte Orgel wurde in ein kleines Nebengebäude auf dem Kirchhof gebracht. Dieses Gebäude brannte jedoch 1943 ab und somit ging ein Kulturschatz verloren.
Votivschiff Nordlandboot
Kirchhof
Kirchhof
Natürlich bedankten wir uns herzlich und „monetär“ für diese Exklusivführung.
Mo i Rana kirke
Quellen:
https://no.wikipedia.org/wiki/Mo_kirke_(Rana)
https://en.wikipedia.org/wiki/Prestegjeld-
Wir bummelten noch ein bisschen durch Mo i Rana und genossen in einem „uterestaurant“ in der milden Abendluft noch ein Glas Bier und Wein mit Blick auf den Ranfjord und die dahinter liegenden Berge – dank eines streikenden Laptops.
„uterestaurant
Gruß aus Mo i Rana
Und zum Schluss zitiere ich noch einmal meine Frau:
„Inzwischen ist ein zweiter deutscher Reisebus angekommen. Als wir auf dem Weg in unser Zimmer sind, kommen wir mit einem Paar aus diesem Bus ins Gespräch. Die Frau erzählt begeistert, sie seien über Schweden und Finnland nach Norwegen gereist und wären drei Tage lang nur durch Wälder gefahren. Das wäre herrlich gewesen. Na ja, die Geschmäcker der Publikümer sind verschieden, wie meine Mutter immer scherzhaft zu sagen pflegte. Wir hätten wahrscheinlich einen Schreikrampf bekommen.“-
Vom Hotelzimmer hatten wir abends um 23.30 Uhr noch diese Aussichten mit der „Beleuchtung“ durch die Mitternachtssonne. Nachzutragen ist, dass Mo i Rana „Polarsirkelbyen“, Polarkreisstadt genannt wird, da sie nur unwesentlich unterhalb des Polarkreises liegt.
-
Nachzutragen ist noch, dass ab diesem Teil auch Fotos meiner Frau eingefügt sind.
-
Fortsetzung folgt