Noch ganz erfüllt von den Eindrücken aus Oslo geht es weiter.
Wir fahren Richtung Süden, wieder ans Meer. Unterwegs verdüstert sich der Himmel immer mehr und bei stürmischem Wind erreichen wir Verdens End.Das "Ende der Welt" liegt an der Südspitze der Insel Tjøme am Eingang des Oslofjordes und hat Panoramaaussicht zum Skagerrak, das Gebiet war früher ein Aussichtsposten für Lotsen auf der Jagd nach Aufträgen.
Heute ist dieses Gebiet ein beliebter Ausflugs- und Badebereich mit tollen Stränden und sogar bei dem miesen Wetter ist richtig viel los. Ein Campingplatz, den wir anvisiert hatten, ist leider belegt.Es scheint hier ein Oldtimertreffen stattzufinden, uns begegnen viele richtig schöne und alte Autos.
Nach einem Spaziergang zurück am Auto fängt es an zu regnen und der Regen wird immer stärker, bald schüttet es wie aus Eimern. So fahren wir wieder landeinwärts,
entlang des Telemarkkanals. Er ist 105 Kilometer lang und führt von der Nordsee bis nach Dalen, über schon vorher vorhandene Seen, die zusätzlich aufgestaut wurden, und Verbindungsflüsse. Ein System von 18 Schleusenstufen bewältigt auf der Strecke einen Höhenunterschied von 72 Metern. Der letzte Abschnitt wurde 1892 fertiggestellt, nachdem ihn 500 Arbeiter fünf Jahre lang ohne Maschinen dem norwegischen Fels abgetrotzt haben. Zu seiner Zeit wurde er in Reisehandbüchern als achtes Weltwunder bezeichnet.
Charakteristisch für den Telemarkkanal sind seine historischen, originalgetreu erhaltenen und handbetriebenen Schleusen. Wir machen Halt bei der Ulefoss Schleuse und betrachten sie eingehend – im strömenden Regen.
Gegen Abend landen wir auf dem Teksten Familiecamping. Für Familien mit Kindern ein super Platz! Riesiger Spielplatz mit großen Rutschen und anderen Spielgeräten, ein Badeplatz mit Schaukel und Rutsche ins Wasser und ganz viel Platz. Es gibt sogar im Sanitärbereich der Männer einen Wickelraum. Preiswert ist er auch und ein „Selbstbedienungsplatz“, das heißt, das Geld wird in einen Umschlag gelegt und auf Vertrauensbasis in einer Kassette deponiert.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Heute wollen wir weiter durch die Telemark Richtung Rjukan fahren und am Berg Gaustatoppen einen Stop einlegen.
Zunächst liegt auf unserem Weg die Stabkirche Heddal.
Obwohl die Stabkirchen fast zwei Jahrhunderte nach dem Beginn der Christianisierung Norwegens errichtet wurden, finden sich an den Bauwerken viele heidnische Elemente z. B. Drachenköpfe, Odindarstellungen und heidnische Symbole. Der Drache galt als Dämon, der nur durch sein eigenes Bild gebändigt werden konnte. In vielen Kirchen finden sich beim Eingang ins Innere sogenannte Geisterschwellen, eine hohe Stufe, die Naturgeister von dem Eindringen in die Kirche abhalten soll.
Der Sage nach erbaute der Troll Finn, der im Svintruberg unweit Heddals wohnte, dieses Gotteshaus im Laufe von nur drei Tagen.
Mit einer Turmhöhe von 26 Metern und einer Länge von 20 Metern ist es die größte Stabkirche des Landes. Aufgrund ihrer Größe und der Vielzahl der sich überlappenden Dächer wird die Stabkirche Heddal als „gotische Kathedrale aus Holz“ bezeichnet.
Für den Bau wurde harzreiches Kiefernholz verwendet, das zum Schutz gegen Fäulnis regelmäßig nach mittelalterlichem Vorbild geteert wird. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode konnte nachgewiesen werden, dass ein Balken der Grundkonstruktion aus der Zeit zwischen 875 und 925 stammt.
Im Chor steht ein geschnitzter Bischofs-Stuhl aus dem 14. Jahrhundert - einer der wenigen erhaltenen aus dieser Zeit. Die Stuhlseite zeigt eine Kampfszene zwischen einem Löwen und Drachen.
Sonntags finden in der Kirche normale Gottesdienste statt, an Samstagen werden oft Hochzeiten abgehalten.
Der Aufenthalt hier ist beeindruckend und bei dem Gedanken daran, wie alt das alles ist, wird mir ganz feierlich zumute.
Danach geht es weiter, über die 651 Richtung Rjukan, hinauf auf ca.1200m Höhe. Herrlich - Berge, Schnee, das Karge- voller Begeisterung halten wir an um zu staunen und zu fotografieren. Eine gute Dosis Adrenalin bekommen wir zu den Fotos dazu, denn der Straßenrand, an dem wir halten, ist voller Schotter und es geht noch etwas bergauf. Beim Anfahren klappt es so eben in letzter Sekunde, da weg zu kommen… nach etlichen Fehlversuchen mit durchdrehenden Reifen.
Vom Gaustatoppen soll man bei klarem Wetter ein Sechstel Norwegens überblicken können - nach Osten bis zur schwedischen Grenze und nach Süden bis zur Küste. Nach Norden schaut man über die Weite der Hardangervidda.
Aus unserer Wanderung wird aber nichts, auch er präsentiert sich noch im weißen Winterkleid. Das war zu der frühen Jahreszeit auch nicht wirklich anders zu erwarten gewesen. Wir müssen eben wiederkommen!
Wir fahren runter nach Rjukan und halten nach einer steilen Serpentinenabfahrt am Vemork Kraftwerk.
Es wurde durch Geschehnisse im 2. Weltkrieg sehr bekannt. Während Nazi-Deutschland hier schweres Wasser für das eigene Atomprogramm herstellte, kämpfte der norwegische Widerstand mit diversen Kommandoaktionen erbittert dagegen an. Er schaffte es nach mehreren erfolglosen Angriffen auf das Kraftwerk, dass eine mit schwerem Wasser beladene Eisenbahnfähre auf dem Tinn-See geprengt, und somit die Auslieferung an Deutschland erfolgreich verhindert wurde.
Der Weg vom Parkplatz zum Kraftwerk führt zunächst über eine beeindruckende alte Hängebrücke (diese Schlucht mußten die Saboteure überwinden…) von der auch manchmal Bungee-Sprünge angeboten werden, und unter der die Ruine eines über 100 Jahre alten Kraftwerkes zu sehen ist.
In einer Hütte ist dargestellt, wir die Saboteure lebten.
Ein wunderschöner alter Steinbau, ganz sorgfältige Arbeit, obwohl es ja „nur“ ein Industriebau ist.
Wir geniessen die Weiterfahrt auf dem RV 37 Richtung Amot, rauf und runter- Winter, Frühling und Sommer an einem Tag erleben, schön!
Am Møsvatn laden mehrere Plätze zu Pausen und Spaziergängen ein, aber nicht alle sind schon befahrbar.
Und überall sieht man Hütten – beneidenswert!
Oder alte Speicher
Wir beenden die heutige Fahrt auf dem Hyllandsfoss Camping, ein idyllischer Platz an einem gestauten Fluss, Hyllandshylen, am Beginn des Wasserfalles mit diesem Blick aus dem Wohnwagenfenster
Und diesen Aussichten beim Spaziergang- traumhaft!
Übrigens merken wir hier die Nähe zum Polarkreis (+Sommerzeit), um 23.00 ist es noch immer nicht dunkel!
Auf der Fähre haben wir eine Flasche Lysheim „Linie Aquavit“ erstanden. Der wird in ehemaligen Sherryfässern aus Eichenholz gelagert und reift 19 Wochen lang auf Schiffen, die den Äquator (Linie) kreuzen. Davon genießen wir jetzt einen und freuen uns des Lebens!
So, bis zur nächsten Fortsetzung,
liebe Grüße gudrun55