Jagd in Norwegen - nichts für Hobbyjäger,
jedoch eine äußerst bewußte, naturnahe Möglichkeit,
der wunderbaren Schöpfung in Norwegen nahe zu kommen.
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Hallo, allesamt !
Ich wunderte mich schon mehrmals, warum in diesem herrlichen Forum nirgends ein Beitrag über JAKT I NORGE zu finden ist, wo doch des Normannen Lieblingsbeschäftigung, neben Angeln und Schießsport, wohl wirklich die Jagd ist, und - ganz im Gegensatz zu Deutschland - derjenige als „unnormal“ gilt, der nicht zur Jagd geht.
Es ist klar, daß es ein absolut heißes Thema ist.
Wer sich in einem Internet-Forum z.B. auf Diskussionen über Wolfs-Jagd in Norwegen einläßt, hat am nächsten Tag hunderte von Protest-Mails von echten Tierschützern in der Mailbox, aber auch tausende von Hetz-Mails der Möchtegern-Tierschützer und militanten „Gegner der Jagd“.
Die letztere Gruppe (der ich selbst einmal angehörte) mag in deutschen Landen durchaus ihre Berechtigung haben. Doch in Norwegen gibt es eine >gänzlich !!< andere Form der Jagd.
Sinn meines heutigen längeren Beitrages soll es also sein, die Jagd in Norwegen als wunderbare Möglichkeit bei längeren Trekkings in völliger Wildnis darzustellen (also als pure Möglichkeit der Selbstversorgung, speziell im hohen Norden, wo es mit Angeln knapp wird und im Spätherbst kaum mehr Beeren zu finden sind, wenn es jedoch vor Rypen nur so wimmelt), und weiterhin als äußerst bewußte, naturnahe Möglichkeit, der wunderbaren Schöpfung in Norwegen nahe zu kommen.
Ich beginne mit einem Artikel von mir, der in dieser Form bereits im Jahr 2004 in der „Deutschen Jagdzeitschrift“ erschienen ist und daraufhin recht positive Reaktionen bekam.
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Vom vehementen Jagdgegner zum passionierten Jäger
- Der Pfad einer wundersamen Wandlung -
- aus dem Blickwinkel eines Ausgewanderten -
Schon als Kind fiel mir an meiner Umwelt auf, dass sie aus sich gegenseitig unterstützenden Lügen besteht. Auf diesem wackligen Lügengebäude hatte sich nach meiner damaligen Sichtweise die Gesellschaft etabliert und war dadurch von vorne herein dazu ausersehen, von mir nicht ernst genommen zu werden (weil sie von Wahrheit nichts wissen will) oder sogar unterzugehen, denn bereits damals war mir klar, dass jede Lüge irgendwann zusammenbrechen muß...
Wohlgemerkt: dies waren Ansichten eines Kindes mit ca. 11 Jahren.
Heute, viele Jahre später, scheint sich so einiges von meinen einstigen Wahrnehmungen bewahrheitet zu haben, denn die Zivilisation in deutschen Landen ist noch immer auf allerlei Lügengebäude aufgebaut, die jedoch zum Glück mehr und mehr zum Vorschein kommen, wie uns all die eskalierenden politischen und wirtschaftlichen Skandale belegen. Scheint es doch, dass immer weniger Menschen dazu bereit sind, sich wie Herdenschafe für dumm verkaufen ... jedoch zur gleichen Zeit melken oder sogar "schlachten" zu lassen, bildlich gesprochen.
Grund genug für mich, vor vielen Jahren der - für meine Begriffe - großkotzig und dekadent gewordenen Zivilisation der Germanen-Nachfahren Lebewohl zu sagen und mit meiner Familie in der Wildnis Skandinaviens Fuß zu fassen, wo wir 5 Jahre ziemlich autark auf einer Farm in den unendlichen Wäldern Sørlands lebten, um letztes Jahr ins obere Setesdal zu ziehen, wo unmittelbar hinter unserer Hütte die hochalpine Wildnis beginnt.
Eine der gefühlskältesten Lügen erschien mir immer der Umgang mit dem Tod in jeder Beziehung. Einerseits die völlige Verdrängung des eigenen Todes, andererseits die Krokodilstränen an den Gräbern, die oft genug nur aus Selbstmitleid bestanden. Einerseits das christliche Gebot "Du-sollst-nicht-töten", andererseits überall auf der Welt Blutrünstigkeiten unter den Menschen und die Metzgereien voller Leichen-Teile, denn als etwas anderes konnte ich damals das Fleisch nicht empfinden. Als ich im Laufe der Zeit dann auch noch von all den zweifelhaften Angeboten von Jagd-Reisen erfuhr und annehmen musste, dass eine ganze Menge schießwütiger Deutscher zu existieren scheint, die in Dritte-Welt-Ländern oder GUS-Staaten seltene Tiere gegen horrende Gebühren abknallen dürfen und dazu nicht mal einen Jagdschein benötigen, rundete dieser Exzess barbarischen Verhaltens mein Weltbild eindringlich ab.
Kein Wunder, dass ich schon lange vor meinem Umzug nach Norwegen zum Vegetarier wurde und alle Leute, die ein Tier quasi aus dem Hinterhalt erschossen, oft genug nur zum eigenen Spaß, als unmenschliche Exzentriker empfand, nicht weit entfernt von den alten Römern, die sich während des Niedergangs ihres Reiches an grausamen Gladiatorenkämpfen ergötzten !
Abberundet wurde dieses Bild von der Jagd und der Jägerschaft noch durch ein markantes Erlebnis. Etwa zwei Jahre vor meiner Umsiedlung war ich in der Fränkischen Schweiz mit meinem Hund wandern. Auf einem herrlichen Waldpfad begegnete mir an einem Sonntag ein „Jäger“. Ich setze ihn bewusst in Anführungszeichen, denn dieser Mann war stockbetrunken, fuchtelte mit der Waffe herum (ohne dass ich erkennen konnte, ob sie geladen war oder nicht) und deutete mir an, dass ich hier nichts zu suchen hätte und verschwinden solle.
Noch heute bedauere ich, dass ich damals nicht gleich die Polizei verständigt habe. So prägte dieses Erlebnis nur mein Anti-Jagd-Weltbild noch tiefer und ließ mich alle Jäger als nahezu unzurechnungsfähige Waffen-Freaks betrachten, die möglichst alle ins Gefängnis oder in die Klapsmühle zu wandern hätten.
So faßte ich als hartgesottener Gegner der Jagd in Norwegen Fuß.
Jedoch lernte ich hier rasch, dass es auch anders geht.
Zunächst fiel mir beim Kontakt zu den in unserer Gegend weit verstreuten Farmen auf, dass überall Jagdwaffen vorhanden waren und diese, wenn jemand zuhause war, zumeist im Wohnzimmer als Wandschmuck dienten.
Reiner Vegetarismus ist hier sehr selten, weil es für ertragreichen Anbau einfach zu kalt ist, daher geht fast jeder auf dem Land Lebende selbst zur Jagd, um für den Fleisch-Bedarf der Familie zu sorgen. Das Fleisch in der nächsten Stadt zu kaufen wäre einfach zu teuer oder viel zu zeitaufwendig, wenn Städte weit entfernt liegen.
Im Gespräch mit den einheimischen Jägern fiel mir auf, dass eine Schußwaffe nahezu zum Kulturgut hierzulande gehört und dass Jungs oft zur Konfirmation ihr erstes Jagdgewehr geschenkt bekommen, mit dem sie ab 14 bereits die Eltern zur Jagd begleiten und ab 16 allein zur Niederwildjagd gehen dürfen. Schießwutige oder prahlerische Waffen-Narren (wie ich sie in Deutschland gelegentlich erlebt hatte) waren nirgends anzutreffen. Das Gewehr im Haus war einfach völlig normal und mußte nicht durch Angabe unterstrichen werden. Ebenso normal war, dass der riesige Wildbestand in den Wäldern die Bevölkerung ernährte.
Der große Unterschied zu meinen Erfahrungen von früher war rasch festzustellen:
a) Kein Mensch jagte hier aus Lust an Töten oder gar wegen einer Trophäe. Undenkbar !! Es war ein reines Mittel zum Zweck, um die eigene Nahrung zu beschaffen, weil es anders nicht möglich war.
b) Die Norweger liebten ihre Tiere heiß und innig. Die einheimischen Jäger kennen ganz genau die Rehe und Elche, oft jahrelang vor einem Abschuß. Man könnte sagen: es sind ihre Freunde, mit denen sie im Herzen eins geworden waren. Der Tod dieses Freundes ist dann für manchen echten Jäger hierzulande ein wirkliches Ritual. Dem Bewußtsein des Tieres wird gedankt, man "entläßt" es bewußt zurück in die Wälder - und man sieht den körperlichen Tod dieses Wesens eher als Übergang in eine andere Form (dadurch, dass man das Fleisch ißt und die Haut verwertet), denn als Auslöschung von tierischem Leben. Die Jagd wurde also als äußerst bewußte Möglichkeit empfunden, mit der Matur, ja mit der gesamten Schöpfung in sehr innigen Kontakt zu treten.
Durch diese sehr bewußte Jagdweise erinnerten mich die Norweger rasch an die Indianer Nordamerikas, deren Jagd bekannterweise ebenfalls ein Ritual war - und sie lebten wahrscheinlich noch viel mehr als jeder Europäer im Einssein mit der tierischen Welt.
Vor einigen Jahren plante ich mit der Familie ein längeres Trekking in den arktischen Gefilden Spitzbergens, wozu es obligatorisch war, sich zu bewaffnen, um einen eventuellen Eisbär-Angriff abwehren zu können.
Zu diesem Zwecke machte ich nicht nur die Norwegische Waffenlizenz, sondern gleich den gesamten Jagdschein, aus dessen Lern-Stoff ich unglaublich viel Nützliches über die gesamte Nordische Fauna und Flora erfahren konnte. Beruflich bin ich oft in unwegsamen Gegenden des Landes unterwegs, Frau & Tochter meist mit dabei. Und sehr leicht kann ein Wetterstutz oder plötzlicher Schneefall im Norden die Notwendigkeit mit sich bringen, selbst für Nahrung zu sorgen, wenn die vegetarischen Vorräte ausgegangen sind. Gerade in Nordnorwegen oder auch in der Hardangervidda ist der Bestand an Rypen noch gut; und man kann sich daher Problemlos in der Jagdzeit der Rypen während einer längeren Tour mit diesem herrlich schmeckenden Schatz der Natur selbst versorgen.
So bin ich aufgrund dieser gänzlich veränderten Situation in meinem Leben ganz sicher nicht mehr der einstige radikale Gegner der Jagd, weil ich sah, dass es wahrlich auch anders gehen kann, als ich es einst in Deutschland erlebt hatte.
Ich erkannte, dass ein Tier nicht als "Trophäenobjekt" umgebracht werden darf, sondern dass man es zuerst einmal lieben m u s s, um dann - wenn nötig - durch dessen Leben das eigene Leben weiterzuführen.
Das Wort "Dankbarkeit" kam mir in diesem Zusammenhang gelegentlich in den Sinn. Ein Dank an die Schöpfung als Ganzes und das Tier als Individuum. Das Thema "Tod", als Kind stets mit Lügen behaftet empfunden, wurde dadurch lebensnah, erfahrbar, von einem Schleier befreit und dennoch mit tiefer Mystik veredelt, welche die Frage aufwirft, ob es - auch oder gerade im körperlichen Sinne - so etwas wie eine Auslöschung in Wirklichkeit überhaupt gibt.
Jagd, um zu überleben...
Jagd, sehr bewußt ausgeführt von einem ehemaligen radikalen Jagdgegner...
Jagd, um sich seiner uneingeschränkten Liebe zu jeder Art von Leben bewußt zu werden...
Jagd, um zu lernen, Dankbarkeit im Herzen erblühen zu lassen...
Jagd, um den Tod zu entschleiern und ihm seine Bedrohlichkeit zu nehmen,
wenn man die Ewigkeit allen Seins bewußt erfahren darf.
... sicherlich ganz ungewöhnliche Aspekte für den gewohnheitsmäßigen Fleisch-Konsumenten, der in einem Schwein nur ein wandelndes Wiener Schnitzel sieht und in einem Elefanten die wertvolle Elfenbein-Trophäe.
Im Laufe der Monate und Jahre habe ich dann auch viele wunderbare Jagd-Erlebnisse in der Natur machen dürfen, von denen in der Literatur berichtet wird, und die, solange man sie nicht selbst erfahren durfte, gerne als „Jägerlatein“ abgestempelt werden.
Es geht mir bei der Jagd nach wie vor nicht um den Erfolg, sondern um den großartigen Kontakt mit der Natur, deren Wahrnehmung sich mehr und mehr zu schärfen beginnt, je mehr man auf die kleinen und kleinsten Zeichen in Wald und Feld zu achten beginnt.
Ich liebe dieses naturverbundene Leben als moderner Trapper sehr (leben wir hier doch mitten in einem ausgedehnten Jagdgebiet), denn es inspiriert mich in meinem künstlerischen Beruf zu außergewöhnlich tiefen Werken.
Wenn nun ein strikter Jagd-Gegner diese Zeilen liest, für den jeder bewaffnete Trapper in der Wildnis bereits ein Kapital-Verbrecher gegen die Gesetze der Schöpfung ist, dann möge er sich zunächst hinterfragen, ob er denn selbst überhaupt fähig ist, die Gesetze der Schöpfung zu erkennen und in ihnen zu leben; denn urteilen sollte man nur, wenn man wirklich die Fähigkeit hat, aus einem übergeordneten Bewußtsein die Dinge in allen Aspekten ihrer Ganzheit zu überblicken. Jedes andere Urteil ist ein "Verurteilen" anderer, um sich selbst und seinen eigenen Ego-Trip damit zu beweihräuchern.
Eine Menge wirklich ehrenhafter Jäger, die die Tiere ihres Reviers sehr lieben und sich selbst soweit in die natürlichen Abläufe des Waldes integrieren können, dass ihre Jagdweise eine wirkliche Unterstützung für eine natürliche Tiergemeinschaft darstellen kann, steht neben einer verschwindenden Anzahl von „Pseudo-Jägern“. Doch leider prägen die „Pseudos“ das Bild in der Öffentlichkeit, wie meine eigene frühere Haltung zur Jagd zeigt.
So kann dieser Artikel auch ein Aufruf an alle ehrenhaften Jäger sein, das Ansehen der Jagd (wie auch im Deutschen Jagdrecht gefordert) nicht nur zu wahren, sondern auch aktiv zu verteidigen, indem Sie sich deutlich von den „Möchtegerns“ distanzieren und sie in ihre Schranken verweisen.
Soweit meine Zeilen vom Herbst 2004.
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Ich hoffe, daß ein jagdlicher Beitrag dieser Art jetzt nicht unheilvolle Diskussionen über Sinne und Zweck der Jagd im Allgemeinen auslöst, doch ich hoffe, daß sich der eine oder andere der Norwegenfreunde, die an Jagd interessiert sind, sich mal per eMail direkt bei mir melden.
Ich gebe SEHR gerne Tips jeder Art zu diesen Themen und würde mich auch über Interesse an gemeinsamen Touren freuen.
Z.B. planen wir nächstes Jahr wieder eine längere Tour in Svalbard.
Wahrscheinlich ein Boots-Transfer zur spektakulären Petunia-Bucht, nähe der alten russischen Siedlung Pyramiden, wo wir in der hocharktischen Wildnis ca. 14 Tage durch die Pampa stapfen werden. Jagdliche Selbstversorgung ist hier unabdingbar (ringsel). Wer generell Lust hat, mitzumachen, der soll sich einfach melden.
Oder wer sich von der Schneehuhnjagd inspiriert fühlt: wir gehen jetzt im Winter noch mehrmals im Haukelifjell auf Rypenjagd, nächsten Herbst wieder in der Hardangervidda.
Beste Grüße
aus dem oberen Setesdal
Excalibur