Puh, habe mich gerade (teils amüsiert, teils nachdenklich, teils ärgerlich) durch den mittlerweile 70 Postings umfassenden Thread gelesen.
Mich haben einige Dinge recht nachdenklich gemacht. Ich bin gerade knapp 8 Wochen mit dem Fahrrad durch Norwegen gefahren und habe sowohl auf Campingplätzen, als auch in freier Natur übernachtet. Wenn ich jetzt z.B. über das Thema "Notdurft" lese, frage ich mich allen Ernstes, was der Unterschied ist zwischen einem Fahrradfahrer, der an einen Baum pinkelt, und einem WoMo-Fahrer, der an einen Baum pinkelt? Heisst das evt. sogar, dass ich als Fahrradfahrer zwar in der freien Natur übernachten durfte, aber nicht pinkeln? Und eigentlich bin ich als Fahrradfahrer, der wild campt doch noch ein grösseres Umweltschwein als der WoMo-Fahrer, weil dieser nämlich meistens sein eigenes Chemieklo dabei hat und (solange er es artgerecht entsorgt) gar nicht die Natur in Mitleidenschaft zieht (sehen wir mal von der Frage ab, wie rückstandslos Chemietoiletteninhalte später aufbereitet - oder wie auch immer das heisst - werden können).
Womit ich so langsam auf den eigentlichen Punkt komme: eigentlich ist doch nur die Masse der WoMos das Problem! Nur weil ich als Fahrradreisender in Norwegen einer absoluten Minderheit verglichen mit den WoMo-Reisenden angehöre, nimmt niemand Anstoss daran, wenn ich wild in der Natur campe. Auch wenn der Normal-WoMo-Touri genauso wenig (nämlich: möglichst keine!) Spuren hinterlässt wie ich.
Nein, ich kann und darf an einem WoMo-Fahrer, der in der freien Natur übernachtet, keinen Anstoss nehmen (solange er sich "benimmt"), wenn ich dieses Recht als Fahrradfahrer selbst in Anspruch nehmen möchte. Aber ich darf mich selbstverständlich weiterhin über die WoMo-Touris aufregen, die sich entweder nicht an die Regeln halten, einfach durch Dummheit, Ignoranz, Lautstärke oder Rücksichtslosigkeit auffallen oder mich mal wieder mit zu geringem Abstand überholt haben! Und werde dieses auch tun!
Interessant ist der Aspekt mit der Unterstützung der norwegischen Wirtschaft. Da ich als Fahrradfahrer nicht so viel Wahlmöglichkeiten habe, hatte ich mir bisher gar keine Gedanken darüber gemacht, was es für die norwegische Bevölkerung heisst, wenn Horden von WoMos im (knappen) Sommer das Land überschwemmen, ohne wenigstens die touristischen Angebote zu nutzen und Geld dafür zu bezahlen. Wieso ist gerade bei den Norwegentouris der Glaube, alles umsonst haben zu müssen, so weit ausgeprägt? Ist das Jedermannsrecht (auch wenn es für die Masse gar nicht anwendbar ist) für die deutsche Seele einfach ungesund, weil wir uns in unserem überfüllten, engen Land, in dem alles geregelt ist und wir für alles zahlen müssen, alle nach Freiheit und Weite sehnen und glauben, in Norwegen das Paradies gefunden zu haben, in dem wir alle (!) völlig frei und ungestört sein können? Und können wir nur das Freiheit nennen, für das wir möglichst nichts bezahlen müssen?
Da macht es mir Sorge, dass (u.a. durch die Terrorangst) europäische Reiseziele immer beliebter werden und in den nächsten Jahren wohl mit noch mehr Norwegenurlaubern zu rechnen sein wird. Was machen wir erst, wenn die Ballermannszene Norwegen für sich entdeckt?

Und schon entlarvt sich mein elitäres Denken ... Eigentlich wünsche ich mir doch tief in meinem Herzen, dass "mein" Norwegen weiterhin ein Geheimtipp bleibt (bzw. wieder wird), den ich möglichst nur mit einer kleinen, überschaubaren Gruppe Gleichgesinnter teilen muss. Dafür bin selbstverständlich auch bereit, etwas mehr Geld auszugeben. Es war ja schon immer etwas teurer, einen guten Geschmack zu haben ... Hauptsache, die Masse bleibt zuhause! Schön wär es ja, ist aber eine ziemlich arrogante Denke. Ich fürchte, ich werde mich in den nächsten Jahren an immer mehr Touris in Norwegen und an die wohl nicht zu verhindernden verschärften Regeln gewöhnen müssen. Hauptsache, die Rücksichtsvollen unter ihnen bleiben in der Mehrzahl. Womit der Bogen nach oben geschlagen wäre: die Masse macht's. Je mehr Leute mit dem WoMo nach Norwegen fahren, desto mehr muss der einzelne Rücksicht (besonders auf die norwegischen Einwohner) nehmen und sich an die Regeln halten! Ist doch eigentlich alles nur eine Frage des gesunden Menschenverstandes und des Blickes über den eigenen Gartenzaun.
Noch eine Anmerkung zum Thema Campingplatzpreise in Norwegen. Ich glaube nicht, dass sich WoMo-Reisende ernsthaft über die Preise aufregen können. Meine Erfahrung zeigt, dass WoMos vergleichbar billig übernachten dürfen. Es ist mir mehrfach aufgefallen, dass ich als Fahrradfahrer mit kleinem Zelt den gleichen Preis (so um die 100 NOK) zahlen musste, wie eine 4-köpfige Famile im ausgewachsenen WoMo. Ist nicht gerecht, aber ist so. Gerade Campingplätze sind Orte, wo WoMo-Fahrer vergleichsweise günstig wegkommen (ich spare dann eher auf Fähren oder Mautstrassen).
Hmm, schlauer bin ich jetzt auch nicht gerade geworden. Dafür aber nachdenklicher ...
Grüsse an alle, Carsten