Roland Oelke hat geschrieben:In Norwegen ist es üblich, seine Haustür nicht abzuschließen. In Deutschland wäre das nahezu undenkbar. Wohl jeder von uns hier schließt wie selbstverständlich abends seine Haustür zu. Wir empfinden das als völlig normal. Und deshalb wohl auch imponiert uns Norwegen, weil die es nciht tun, nicht tun müssen, oder vielleicht jetzt: bisher nicht tun mußten.
Das kann man so pauschal über Norwegen schon lange nicht mehr behaupten. Ich kenne eine vielzahl von Haushalten, die alle ihre Türen abschließen, weil die Anzahl der Einbrüche rapide zugenommen hat (und ich rede hier nicht von Oslo oder Trondheim, sondern von der ländlichen Gegend).
Roland Oelke hat geschrieben:Ja, die Polizeidichte ist faktisch nicht so hoch wie in Deutschland. Bezogen auf die Einwohner ist es aber schon wieder fast gleich auf.
Das bezweifle ich stark, nur finde ich leider keine Quelle dazu, die etwas zum "Polizisten pro 100 Einwohner"-Verhältnis aussagt. Fakt ist aber, dass es große Landstriche gibt, in denen kein einziger Polizist vor Ort ist. Passiert dort etwas, so braucht ein Polizeiwagen 2-3 Stunden dorthin. Außerdem ist es wohl so, dass sich die meisten Polizisten in Oslo befinden, die Anzahl also gleichmäßig auf Norwegen zu verteilen, wäre irreführend.
Roland Oelke hat geschrieben:Gerade weil es Norwegen ist, hat die Explosion im Regierungsviertel dazu geführt, daß die ganze Polizei zusammengezogen wurde. Ich kenne nicht die genauen Zahlen der in und um Oslo stationierten Polizei. Aber ich kann mir vorstellen, daß ich einiges an Leuten brauche, um das Gebäude zu sichern und den Verkehr umzulenken. Und ja, natürlich ziehe ich dann entsprechende Leute aus dem Umland ab, um das zu gewährleisten.
Da hast du mit Sicherheit wahrscheinlich doch recht und daher revidiere ich meine Aussage. Aber man sollte daraus eine Schlussfolgerung ziehen: Norwegen muss mehr Polizisten einstellen, denn es kann nicht angehen, dass ein europäisches Land Schwierigkeiten dabei hat, seine Bevölkerung angemessen zu schützen.
Roland Oelke hat geschrieben:Hinterher sind wir alle schlauer, sicher auch die Polizei.
Dieser Satz stößt bei mir auf totale Unverständnis. Es ist vollkommen okay, dass es für die norwegische Bevölkerung unvorhersehbar war und für den Rest der Welt sowieso, aber als Polizei sollte man mit allem rechnen, also auch damit, dass der Anschlag vielleicht noch nicht vorbei ist. Nach dem Massaker zu sagen: "Naja, jetzt sind wir schlauer." Da würde mir glaube ich der Mund ziemlich weit offen stehen.
Roland Oelke hat geschrieben:Die Frage nach den Booten wurde weiter oben ja schon beantwortet. Es ist nun mal so, daß man nicht so ohne weiteres ein Boot nehmen und starten kann, da braucht es meist einen Zündschlüssel für. Polizeiboote können gar nicht überall an strategischen Punkten stationiert werden, dafür gibt es viel zu viele strategische Punkte.
Das ist in diesem Fall Unsinn. Das Boot war überlastet und hatte deshalb einen Motorschaden, dadurch sind 10 Minuten verstrichen, um in ein Ersatzboot zu steigen. (Hätte man am besten gleich mehrere Boote nehmen sollen.)
Roland Oelke hat geschrieben:Nein, so etwas bleibt weiterhin undenkbar. Und wenn Ähnliches, wie damals in New York oder jetzt in Norwegen in Deutschland passierte, wäre es auch nicht zu verhindern. Um es zu verhindern, müßte man die Polizei in allen ihren Facetten (inklusive Geheimdienste) sowie die Überwachung derart aufrüsten, daß Big Brother von George Orwell wie ein niedlicher Comic erscheinen müßte. DAS will ja wohl niemand wirklich. Eben auch deswegen ist die Einstellung der Norweger zu ihrer Polizei und ihrer Inneren Sicherheit nicht zu beanstanden.
Ich halte Dinge sehr wohl für möglich, auch wenn sie noch nicht passiert sind, naja egal.
Da du ja schon Deutschland ansprichst, können wir ja mal eine Parallele ziehen. Z.B. die Sauerland-Gruppe: Diese Gruppe hat ebenfalls wie Breivik tonnenweise Material zur Sprengstoffherstellung beschafft, doch die deutschen Behörden wurden darauf aufmerksam, haben die Gruppe beschatten lassen, nachdem sich der Verdacht bestätigte und die Terroristen zu einer geeigneten Zeit verhaftet.
Durch den "Big-Brother"-Vergleich überspitzt du die Situation total, das ist unangemessen.
Und vielleicht musst du erst in einer Situation sein, in der du von einer Person mit einer Schusswaffe bedroht wirst und 1-2 Stunden auf polizeiliche Hilfe wartest, um zu realisieren, dass die innere Sicherheit in Norwegen sehr wohl zu beanstanden ist (ohne ein Big-Brother zu fordern).
Roland Oelke hat geschrieben:Dann habe ich gelesen, daß die Polizei nichts getan habe, als der Attentäter tonnenweise Düngemittel gekaut hat. Naja, hier kann ich auch nur sagen, ich bin froh, daß die Polizei da nichts getan hat. Wenn jeder Landwirt, der tonnenweise Düngemittel kauft, unter einen Attentatsverdacht gestellt wird, dann hätte ich allein hier in Mecklenburg-Vorpommern über 2500 potentielle Attentäter. Soll ich die alle festnehmen? Wohl kaum. Es ist nämlich überhaupt nichts Verdächtiges an einem Landwirt, der tonnenweise Düngemittel kauft.
Schon wieder dramatisierst du und stellst etwas so dar, wie es nie passieren wird. Es hat niemand behauptet, dass gleich alle Personen, die tonnenweise Dünger kaufen als potenzielle Attentäter verhaftet werden. Man kann an dieser Stelle einfach aufmerksamer sein. Ob die Aufmerksamkeit gerechtfertigt ist oder nicht, stellt sich ziemlich schnell heraus.
Roland Oelke hat geschrieben:Ja, das „Wir halten zusammen“ und „Wir lassen uns unsere Demokratie nicht wegbomben“ erscheint uns naiv, aber siehe oben, es ist genau das, was Norwegen ausmacht und was die Norweger uns in Mehrheit jetzt auch vorleben. Ihr Umgang mit der Situation, jedenfalls nach außen, ist bemerkenswert. Natürlich weiß niemand von uns, wie es nach innen aussieht, aber ich hoffe stark, daß sich die norwegische Identität durchsetzen wird und sich Norwegen seine „Naivität“ erhält, denn sie ist es, die Norwegen letztendlich für uns so toll macht.
"Wir halten zusammen" und "Wir lassen uns unsere Demokratie nicht wegbomben" finde ich keineswegs naiv, Zusammenhalt ist ein sehr wichtiges Kriterium und das würde ich mir von vielen anderen Nationen auch wünschen. Natürlich reicht dieses Gefühl nicht aus, es muss mehr passieren, aber es nicht naiv, sondern sehr bemerkenswert.
Naiv ist die Sicherheitslage eines Landes, das sich an mehreren Kriegen beteiligt. In England und in den USA wurden Anschläge vollzogen, in Deutschland hat man es ca. ein Dutzend mal versucht...und dann zu denken "Norwegen - ein kleines Land am Rande Europas - wird schon nichts passieren", das ist naiv. Man hätte wohl kaum die Sicherheitslage auf Breivik ausrichten können, aber auf Islamisten bezogen wäre dies nur logisch gewesen, denn Drohungen gab es mehrfach, und dann hätte man dies auch auf Breivik verwenden können.
Roland Oelke hat geschrieben:Ich mag der Polizei keinen Vorwurf machen.
Musst du ja auch nicht, die Polizei macht sich ja auch schon selber Vorwürfe.
http://www.faz.net/artikel/C32742/vorwuerfe-gegen-norwegische-polizei-ein-boot-mit-motorschaden-kein-hubschrauber-30472772.html