von Hubi59 » Sa, 30. Jul 2011, 6:52
Hallo
Ich møchte einen Beitrag von Harak aus dem Trolljenta Forum hier einstellen, er ist Norweger und ich denke ihr solltet ihn auch lesen.
Liebe Leute,
Für Eure Anteilnahme danken Euch bestimmt alle Eure norwegische Freunde, wie ich Euch auch danke.
Norwegen ist ein grosses Land aber eine kleine Gesellschaft. Die geographischen Strecken sind lang, die Strecken vom Menschen zum Menschen aber kurz. Daher ist es seit eh und je so gewesen, dass wir uns in Krisen eher besonnen und ruhig verhalten und Zusammenhalt und Gesellschaftsgeist zeigen.
Bislang war das für uns die beste Strategie. Mit der Hilfe von diesen Tugenden hat sich das Land durch so manche Krisen gerettet: Not, Armut, Klassenkampf, Okkupation. Dadurch werden wir uns hoffentlich auch durch diese Krise, diese Stunde der enormen Trauer, nochmals heil retten können.
Wir schätzen unsere Demokratie enorm hoch, und, wenn ich heute Abend noch so frei sein darf: Wir sind darauf ein klein wenig stolz. Die Konstitution vom 17. Mai 1814 ist die älteste, noch gültige, geschriebene Verfassung Europas, und die zweitälteste, noch gültige, geschriebene Verfassung aller Staaten der Welt. Nur die US-amerikanische ist älter. Unsere Äusserungsfreiheit geht darauf zurück, wie auch die konstitutionelle Monarchie, die Gewaltverteilung des Staates, die zivilen Rechte, die Repräsentation des Volkes durch freie Wahlen.
Nein, die Norweger haben natürlich nicht die Demokratie erfunden. Aber wir haben vermocht, sie dauerhaft zu machen.
In Bertolt Brechts "Leben des Galilei", findet folgende Replikwechslung statt:
Andrea: "Unglücklich das Land, das keine Helden hat."
Galilei: "Unglücklich das Land, das Helden nötig hat."
Ich möchte eigentlich keinen Helden als Ministerpräsident. Ich will einen dezenten, anständigen, ehrlichen und etwas langweiligen Menschen als Leiter des Landes haben. So möchte ich am Liebsten alle Politiker. Die Demokratie sollte eben eine etwas langweilige, etwas undramatische und unheroische Sache sein.
Nein, ich möchte nicht, dass unser König oder Kronprinz grosse Rhetoriker oder glänzende Gestalten sein sollen. Das sollte gar nicht nötig sein. Nötig ist nur, dass sie ihre Pflicht als Garanten für unsere Konstitution erfüllen, dass sie unsere kleine Gesellschaft zum Zusammenhalten rufen können, wenn es absolut notwendig ist.
Der Ministerpräsident, König und Kronprinz sind heute in eine heroische Situation hineingezwungen worden, die sie sich gar nicht erwünscht haben. Mit Ruhe und Fassung haben aber sie genau das getan und gesagt, was wir von ihnen erwarteten und hofften.
Die immenze Würde, mit der sich die Überlebenden von Utøya sich geäussert haben, ihr ziwiler Mut und ihre totale Mangel an Rachelust, hat den Ton angegeben.
"Vi er så få her i landet, hver fallen er bror og venn," schrieb Nordahl Grieg in seinem Gedicht "17. Mai 1940". Deswegen wird unsere Rache dem Attentäter gegenüber darin bestehen, dass er, aus seiner tiefsten Einsamkeit im Gefängnis beobachten muss, wie seine Greueltaten überhaupt nichts bewirkt haben, wie unsere Gesellschaft und Demokratie weiterleben. Insofern wünsche ich ihm ein langes, langes Leben.
Politik ist wichtig, aber das Wichtigste ist nicht die Politik, sondern die Grundlage der Politik: Die Demokratie selbst. Voraussetzung dafür ist eine grundlegende Einigkeit und Anständigkeit. Auf Eidsvoll 1814, am 17. Mai, versammelten sich die Väter des Grundgesetzes auf dem Platz vor dem Gebäude, nachdem die Verfassung unterzeichnet worden war. Nach wochenlangen, zerreisenden Diskussionen, Streitigkeiten und Uneinigkeiten bildeten sie jedoch dort eine "Bruderkette", hielten einander die Hände und versprachen einander das, was das Storting immer noch einander verspricht:
"Enige og tro til Dovre faller!"
Gestern bin ich mit dem Zug über Dovre gefahren. Und siehe: Dovre steht noch.
Gruss Hubi
Tyskland liker vi, men kun for Norge slår våre hjerter