Winterschlaf

[Mortisia]

Mich würde ja mal ganz allgemein interessieren, was der "Nordmann" so während der Winterpause macht.
Hintergrund der Frage ist, dass ich schon Ewigzeiten immer mal wieder mit dem Gedanken spiele hauptberuflich ins Tourismus-Geschäft einzusteigen und das natürlich gern dort machen würde, wo ich mich pudelwohl fühle (Erfahrungen mit Gastro und Tourismus sind durchaus vorhanden).

In diversen Urlauben habe ich mir aber von Norwegern oder deutschen Gastarbeitern immer wieder erzählen lassen müssen, dass man über den Winter (von Oktober bis April) das Land einfach "absperrt". Hotels und Restaurants machen dicht und nur in den Großstädten ist noch action angesagt.
Man könnte jetzt zwar drauf hoffen, so ein hammer Marketing zu machen, dass man ganzjährig die Hütte voll hat und damit evtl. auch ein Klientel anzieht, dass man gar nicht "unbedingt haben will" oder man kann realistisch sein und überlegen, was man zwischen Oktober und April so anstellt, wenn man eben nicht in der Großstadt lebt.

Kennt Ihr Leute oder Erfahrungsberichte von Gastronomen/Hoteliers, womit die im Winter Ihre Brötchen verdienen? Und gibt es in diesem Wirtschaftszweig vielleicht sogar besondere Bestimmungen für Zuwanderer?

[Pfalzcamper]

Mein Arbeitgeber ist seit 40 Jahren Marktfuehrer in Europa fuer Busreisen nach Norwegen.

Von Mai bis September haben wir am Kap und auf den Lofoten Mitarbeiter stationiert, um vor Ort einen reibungslosen Ablauf fuer bis zu 500 Gaeste am Tag! zu gewaehrleisten.

Kummuliert man die Umsaetze der 40 Jahre aus den Monaten Oktober bis April kommt in etwa soviel dabei heraus wie in einem einzigen Monat ( sofern es ein Juni, Juli oder August ist ).

Das sagt eigentlich alles aus.

[Mortisia]

Nunja...sowas wurde mir ja schon zugetragen, deswegen ja auch die Frage, was die Leute über den Winter machen um sich ihre Brötchen zu verdienen, wenn sie eben nicht im September oder Oktober zurück in die Heimat gehen. Der norwegische Gastronom wird ja nun im Winter auch nich auswandern, oder?

[Pfalzcamper]

Was viele der Hotels ( selbst Kettenhotels ) noerdlich von Trondheim betrifft wurde uns zugetragen, dass der Hauptmitarbeiterstamm in der Hochsaison eine 6-7-Tage-Woche absolviert und die Guttage im Winter abbaut.

Ganz vergessen darf man natuerlich nie die Skigebiete.

Aber recht viele der von uns fuer Lunchstop gebuchten Restaurants machen tatsaechlich ab Mitte Oktober dicht, bekommen etwa im Dezember / Januar die grobe Planung fuer die Folgesaison zugeschickt und erhalten dann darauf basierend ihr Deposit, da sie ansonsten nicht existieren koennten.

[Mortisia]

Hm...aber wenn auch "nur" von Oktober bis April zu wäre, dann sind das 6 Monate ohne Einkommen oder ein ganzes Jahr mit halbem Einkommen.
Und wenn es das eigene "Haus" ist....und man auch selbst davon leben muß.... *denk*

Wie ist es denn bei Deinem Arbeitgeber? Hat der auch "Sperrzeiten" für Touren?

[Pfalzcamper]

Wir machen ja nicht nur Skandi Im Winter gibts genug Geschaeft in anderen Laendern.

Skandi laeuft dann eigentlich nur ueber Citytrips, Minikreuzfahrten und klar wird auch die eine oder andere Hurtigruten-Wintertour gebucht.

Aber es ist eben kein Vergleich zum Sommer.

Im Juni haette ich waehrend unseres eigenen Urlaubs jeden Tag 2-3 Kunden unterwegs "Danke fuers Gehalt" sagen koennen

[Mortisia]

Also resümieren wir, dass die Infos, die ich schon hatte, den Tatsachen entsprechen und die Reisefirmen im Winter bis auf Ausnahmen nach Süden ausweichen. Aber was die Norweger und touristischen Gastarbeiter dann im Winter machen - außer sich vom Sommer zu erholen und Holz zu hacken - entzieht sich Deiner Kenntnis?!

[Pfalzcamper]

Darueber habe ich mir bisher genauso wenig Gedanken gemacht wie darueber, was die Tiroler Skigebietsbetriebe im April und November machen

Aber da es jedes Jahr weitestgehend die gleichen Ansprechpartner sind, wirds nicht so schlimm sein.

Und wenn ich daran denke, dass wir fuer eine Nacht im 3*** Hotel in Norwegen soviel zahlen wie fuer zwei Naechte im 5***** Hotel in Berlin wird das nicht nur durch hoehere Energie-, Personal- und Lebensmittelkosten ausgeglichen, sondern auch durch einen deutlich hoeheren Ertrag.

Aber sicherlich wird Dir der eine oder andere in Norwegen lebende User schon morgen fundierte Antworten liefern koennen.

[Mortisia]

Darueber habe ich mir bisher genauso wenig Gedanken gemacht wie darueber, was die Tiroler Skigebietsbetriebe im April und November machen

DAS verstehe ich ja noch....

Und wenn ich daran denke, dass wir fuer eine Nacht im 3*** Hotel in Norwegen soviel zahlen wie fuer zwei Naechte im 5***** Hotel in Berlin wird das nicht nur durch hoehere Energie-, Personal- und Lebensmittelkosten ausgeglichen, sondern auch durch einen deutlich hoeheren Ertrag.

Hm, darauf kann man sich ja gerade in der Anfangszeit nicht verlassen...aber es wäre natürlich äußerst zielführend. Dann hätte man auch genug Zeit, um sich die Nächte mit Nordlicht-Gucken zu vertreiben und sich "tagsüber" davon zu erholen.

Aber sicherlich wird Dir der eine oder andere in Norwegen lebende User schon morgen fundierte Antworten liefern koennen.

Da hoffe ich drauf, ja. Trotzdem schonmal danke!

[Schnettel]

Mein Arbeitgeber ist seit 40 Jahren Marktfuehrer in Europa fuer Busreisen nach Norwegen.

Von Mai bis September haben wir am Kap und auf den Lofoten Mitarbeiter stationiert, um vor Ort einen reibungslosen Ablauf fuer bis zu 500 Gaeste am Tag! zu gewaehrleisten.

Kummuliert man die Umsaetze der 40 Jahre aus den Monaten Oktober bis April kommt in etwa soviel dabei heraus wie in einem einzigen Monat ( sofern es ein Juni, Juli oder August ist ).

Das sagt eigentlich alles aus.

Das mag fuer einzelne Hotels gelten - meinetwegen auch noch fuer einzelne Ecken. Aber grundsætzlich kann man das so nicht sagen, nicht einmal fuer Nordnorwegen kann man das so verallgemeinern!

Damit mich mein ganz subjektiver Eindruck nicht gar zu sehr tæuscht, hab ich mir jetzt mal die Muehe gemacht, die Anzahl der Hoteluebernachtungen per Fylke per Monat von 2010, 2011 und bis Sept. 2012 heraus zu suchen.
In Norwegen insgesamt sieht es so aus:

Das heisst in Kurzform: In den Monaten Juni, Juli und August kommen etwa 1/3 aller Jahreshotelluebernachtungen zusammen.
Und im Zeitraum Oktober bis April (7 Monate) machen die Hoteluebernachtungen immerhin knapp die Hælfte des ganzen Jahres aus.

Da nun die Situation in Norwegen verteilt doch etwas unterschiedlich ist, habe ich die Zahlen auch per Fylke untersucht.

Aber selbst in der Finnmark (als "krassester" Abweichler - wo es nun auch nicht gerade die megagrossen Grossstædte gibt) stellt sich das Bild bei weitem nicht so dar, wie hier von ein paar Lofotenhotels und dem Nordkapp auf Norwegen geschlossen wird :

Auch hier in Kurzform: In den Monaten Juni, Juli und August kommt knapp die Hælfte aller Jahreshotelluebernachtungen zusammen.
Und im Zeitraum Oktober bis April (7 Monate) machen die Hoteluebernachtungen immerhin noch ein gutes Drittel des ganzen Jahres aus.
Natuerlich ist das um einiges weniger. Dennoch kommen selbst dort im Zeitraum Okt.-April noch insg. zwischen 120.000 und 140.000 Hoteluebernachtungen zusammen. Der Juli hat ca. 60-70.000, Juni und August je ca. 50.-60.000. Also soooo krass wie geschildert ist es selbst in der Finnmark nicht,

Eine Hauptursache dafuer, dass eben nicht die meisten Hotels zwischen Oktober und April zu machen ist, dass ein sehr grosser Anteil der Hoteluebernachtungen von Geschæftsleuten, sowie fuer Kurse und Konferenzen genutzt wird. (Und ja, auch in Nordnorwegen gibt es Firmen, die sowas nutzen ).
Dieser (geschæftliche) Anteil macht sogar in der Finnmark uebers Jahr 40-45% aller Hoteluebernachtungen aus. In ganz Norwegen ist es ueber die Hælfte aller Hoteluebernachtungen, die einem geschæftlichen Zweck dienen.

Der uebernachtungsschwæchste Monat ist quer durch die Bank der Dezember. Das liegt daran, dass zu den Feiertagen und Romjula (also zwischen den Feiertagen) wirklich viele Hotels geschlossen haben.
Sogar Restaurants haben dann nur wenige auf.

Sicher geht es in Norwegischen Hotels ausserhalb des Sommers hier und da ruhiger zu - und das eine oder andere Hotel schliesst vielleicht auch (vor allem zu Weihnachten und Ostern) - aber als Winterschlaf wuerde ich das nun nicht gerade bezeichnen.
Die Hochzeiten im Sommer werden dann arbeitskræftemæssig uebrigens gern durch Saisonkræfte, Schueler und Studenten aufgestockt.


Man darf bei den ganzen Zahlen nicht vergessen, dass es sich hierbei lediglich um Hoteluebernachtungen handelt (denn danach wurde ja gefragt).
Bei Campingplætzen, Huetten etc. sieht das Ganze natuerlich wieder vøllig anders aus.


Ich hætte die Grafiken auch noch grøsser (und besser lesbar) da, bei Bedarf. Auch fuer alle anderen Fylke. Wenn jemanden die Zahlen interessieren, dann schick ich euch das Excel-file auch gern per Mail.
Quelle: Statistisches Zentralbuero http://statbank.ssb.no/statistikkbanken/

[Pfalzcamper]

Hallo Schnettel,

Deine perfekt recherchierten Ergebnisse muessen nicht unbedingt von meiner Aussage abweichen, da - egal, welche Fylke - Touristenhochburgen nicht unbedingt deckungsgleich mit Staedten sein muessen, deren Fokus auf MICE oder Corporate Buchungen liegt.

Ist in anderen Laendern ja auch manchmal so. Ohne den Frankfurtern oder Hannoveranern nahe treten zu wollen, wird man Hoteluebernachtungen in deren Staedten nicht gleichstellen wollen mit Husum oder Harlesiel.

Und nimmt man Bayern als Beispiel wird auch dort Muenchen und Prien einen Durchschnittswert ergeben, der sich insgesamt "Statistik" nennt.

Vergleiche dieser Art wird es in Norwegen eben auch geben. Und wenns nur ein mehrtaegiges Festival oder ein mehrtaegiger Kongress ist.

Das widerspricht dann aber in keinster Weise Deinen Ausfuehrungen

[ChristianAC]

Shit......wann hätte ich meinen Winterschlaf beginnen sollen ????

Wenn ich das so lese, fühle ich mich noch nicht so wirklich norwegisch integriert.

[Schnettel]

Deine perfekt recherchierten Ergebnisse muessen nicht unbedingt von meiner Aussage abweichen, da - egal, welche Fylke - Touristenhochburgen nicht unbedingt deckungsgleich mit Staedten sein muessen...

Genau das habe ich ja gesagt. Und aus diesem Grund kann man eben nicht deine Erfahrungen der einzelnen Hotels und/oder Restaurants, mit denen ihr Vertræge habt, her nehmen und fuer ganz Norwegen verallgemeinern. Sondern man muss es spezifisiert sehen.
Daher hab ich zum Vergleich eben auch die Finnmark herangezogen. Die hat keine Grossstædte und ist im Vergleich zum Rest des Landes auch noch sehr abgelegen... Und selbst dort ist es nicht so krass wie beschrieben.

Uebrigens ist mir aufgefallen, dass dort, wo ich in Nordnorwegen gastronomisch und in Hotels unterwegs war, sehr viele Schweden arbeiten. Das war mir besonders in Alta und Narvik aufgefallen.
Keine Ahnung, ob die Einheimischen im Service nicht arbeiten wollen?

Shit......wann hätte ich meinen Winterschlaf beginnen sollen ????

Wenn ich das so lese, fühle ich mich noch nicht so wirklich norwegisch integriert.

You made my day!

[Pfalzcamper]

Und aus diesem Grund kann man eben nicht deine Erfahrungen der einzelnen Hotels und/oder Restaurants, mit denen ihr Vertræge habt, her nehmen und fuer ganz Norwegen verallgemeinern.

Nein, verallgemeinern sicher nicht. Kann ja viele Gruende haben. Wer weiss, ob es auch daran liegt, dass man eben eventuell nicht mit Saisonkraeften, sondern einem festen Stamm arbeitet, der die Guttage irgendwann abfeiern muss.

Keine Ahnung, ob die Einheimischen im Service nicht arbeiten wollen?

Ist das tatsaechlich so? Woran liegt das nun wieder?

[Mortisia]

Hey Schnettel...ich danke Dir ganz herzlich für die Mühe mit den Grafiken. Das bestätigt in etwa meine leisen Hoffnungen, dass es wohl mehr auf darauf ankommt, auf welches Klientel man sich so ausrichtet und was man anbietet.

@Christian: spätestens dann, wenn genug Winterspeck auf den Rippen ist

Es war ja, wie formuliert, mal eine allgemeine Frage nach Erfahrungen und Berichten....ich kann mich ja ohne perfekte Norwegisch-Kenntnisse erstmal nur aufs "Hören-Sagen" verlassen und das hatte mich etwas ernüchtert.