Küstenkultur: Norwegens Leuchtfeuer
„Leuchtturmreise“ entlang der norwegischen Küste
Teil 13
Store Torungen und Lille Torungen – Arendal – Vest-Agder
Um 1830 stand zwischen Jomfruland und Oksøy vor Kristiansand auf einer Küstenlinie von 65 Seemeilen, das sind über 120 Kilometer, kein einziges Leuchtfeuer und so war es nicht verwunderlich, dass immer wieder Schiffe strandeten. Es war erst im Jahr 1838, dass der Leuchtfeuerinspektor Schive vorschlug, ein Komitee zu gründen, das geeignete Küstenstellen für die Errichtung von Leuchtfeuern untersuchen sollte. Das 15 Mann starke Komitee schlug vorzugsweise die Umgebung von Arendal vor, denn von und nach Arendal herrschte zu dieser Zeit starker Schiffsverkehr. Bereits im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts war Arendal eine der führenden Hafenstädte in Norwegen. Als idealen Standort für ein Leuchtfeuer wurden die Schären Torungen vorgeschlagen. 1840 schlug das Komitee vor, zwei Leuchtfeuer zu bauen, eins auf Indre Torungen und eins auf Ytre Torungen, später bekannt als Lille Torungen und Store Torungen. Dieser Vorschlag wurde von der Leuchtfeuerdirektion akzeptiert und das Parlament bewilligte die nötigen Mittel für die Haushalte von 1842 bis 1845. Beide Schären wurden 1843 vom Staat gekauft, denn diese gehörten der Gemeinde Hisøy.
Zunächst war beabsichtigt, die Steine für den Bau von den umliegenden Inseln zu nehmen. Diese erwiesen sich jedoch von minderer Qualität, so dass 750.000 Ziegelsteine gekauft und zu den Schären gebracht werden mussten.
Im ersten Jahr des Baus der Türme waren 95 Arbeiter beschäftigt. Für diese wurde eine „Marketenderei“ geschaffen, welche die Arbeiter mit allen Lebensmitteln und anderen Verbrauchsmaterialien versorgte (Marketender:
https://de.wikipedia.org/wiki/Marketender). Zugleich war es normal, dass Bier und Spirituosen verkauft wurden. Den Arbeitern war gestattet, Alkohol außerhalb der Arbeitszeit zu trinken – und wenn die Wetterbedingungen schlecht waren oder die Arbeit besonders hart, durfte auch während der Arbeitszeit Alkohol getrunken werden. Allerdings sahen die Verträge mit den Arbeitern vor, dass diese während der Arbeit nicht betrunken sein dürfen. Dieser Alkoholverkauf wurde von den Bewohnern des Festlandes genutzt, die auf die Inseln kamen, denn für sie bestanden keine Beschränkungen im Alkoholkonsum. Allerdings soll die „Fraternisierung“ der Bewohner des Festlandes mit den Arbeitern zu Exzessen geführt haben, die den Bau der Leuchttürme erheblich verzögerten. So war dann in den Folgejahren der Besuch von Festländern draußen auf den Schären verboten.
Für die Türme wurden zwei Leuchtfeuerapparate 2. Ordnung in Frankreich gekauft, die Leuchtfeuerhäuser wurden von Nes Jernverk, etwa 25 Kilometer von Arendal entfernt, vorbereitet. Beide Leuchtfeuer wurden zusammen mit Sandvikodden Leuchtfeuer (siehe unten) am 1. September 1844 angezündet.
Lille Torungen alt
Interessant ist, dass der als Store (großer) Torungen Leuchtturm 26 Meter hoch war, während der als Lille (kleiner) Torungen Leuchtturm eine Höhe von knapp 29 Metern hatte. Aufgrund der unterschiedlichen Höhen der Schären war die Feuerhöhe beider Leuchtfeuer aber etwa 43 m über dem Meeresspiegel.
Die Unterkunftsgebäude waren etwas größer als die der anderen Stationen. Der Grund lag darin, dass die Assistenten in einem kleinen Zimmer mit im Haus des Leuchtfeuerwärters wohnten. Und der Grund, dass sie hier untergebracht waren und nicht in einem separaten Haus war, dass die Assistenten sich nicht verheiraten durften oder, wenn sie dennoch verheiratet waren, die Familie eben an Land leben musste.
Für beide Stationen wurden ein Werkstatthaus und eine Schmiede gebaut, ein Bootshaus kam erst später hinzu. Die Schmiede war aber für einen anderen Assistenten eine „höchst erbärmliche“ Unterkunft und erst 1870 wurde ein Haus für den Assistenten gebaut.
In den 1890er Jahren stellte sich heraus, dass die Feuerhäuser auf den Türmen nach 50 Jahren Gebrauch so stark angerostet waren, dass sie ausgetauscht werden mussten.
1897 erhielt Store Torungen eine kräftige Sirene als Nebelsignal, für das ein eigenes Maschinenhaus gebaut wurde. Auch hier war nun ein weiterer Assistent nötig, für den ebenfalls eine Unterkunft gebaut wurde. Store Torungen war eine recht große Station geworden mit zahlreichen Gebäuden. Neben dem Leuchtturm das Haus des Leuchtfeuerwärters, zwei Häuser für die Assistenten, zwei Werkstattgebäude bzw. Schuppen, ein Maschinenhaus, eine Schmiede, ein Öllagerhaus und ein Bootshaus, insgesamt zehn Gebäude.
Die Hafenvorrichtungen auf Torungen waren recht schwierig, denn sie benötigten laufende Reparaturen und wenn die Winterstürme einsetzten, wurden die Kais, die Molen und die Vertäuungen oft zerstört. Auch zeitweiliger Eisgang machte den Einrichtungen zu schaffen. Im Winter 1942 z.B. war das gesamte Seegebiet zwischen Arendal und Torungen mit einer so dicken Eisschicht bedeckt, so dass Lastwagen über das Eis nach Store Torungen fahren konnten (Torungens Historie, S. 47).
1912 beschloss man, beide Türme einer eingehenden Inspektion zu unterziehen, da auch das Mauerwerk in den vergangenen 70 Jahren stark gelitten hatte. Zudem kam man zu der Auffassung, dass die Schifffahrt keine zwei großen Küstenfeuer in einem Abstand von weniger als 1.000 Metern mehr benötigte. Lille Torungen erhielt ein kleines Leuchtfeuer, wie die an der Küste zahlreich vorhandenen „fyrlykte“. Die Häuser wurden in einer Auktion verkauft und entfernt. Den Turm hingegen ließ man stehen, augenscheinlich aus „Pietätsgründen“ (Norges fyr, Bind 1, S. 107).
Lille Torungen fyrlykt
Der gemauerte Turm auf Store Torungen wurde abgerissen und durch einen 34 Meter hohen Gusseisenturm ersetzt. Dieses Leuchtfeuer ging 1914 in Betrieb.
Store Torungen Gusseisenturm
1951 wurde das Leuchtfeuer durch die Installation von Dieselaggregaten zur Stromversorgung wesentlich verstärkt. Da die Station nun auch ein neues Diafon Nebelsignal erhielt, wurde der Bau eines neuen Maschinenhauses nötig.
1959 baten die Leuchtfeuerbesatzungen die Verwaltung, die Familienstation in eine Törnstation mit regelmäßigen Wachen umzuwandeln, denn auf der Familienstation befanden sich auch viele Kinder, für die es schwierig war, an Land zu kommen. In der Folge bedeutete dies, dass sich die Leuchtfeuerbesatzungen Wohnhäuser an Land beschaffen mussten, während die Verwaltung auf der Station nun Aufenthalts- und Wachräume schuf.
Station Store Torungen heute
In den 1970er-Jahren ging man dann endgültig auf feste Wachen über, indem stets zwei Mann auf Wache waren und zwei Mann frei hatten. Da die Besatzungen nun länger an Land waren und die Station nun weniger Leute hatte, wurden die überflüssigen Wohnhäuser entfernt.
Es kam nicht häufig vor, dass sich Unfälle auf den Stationen ereigneten, 1896 aber ereignete sich ein solch tragischer Unfall, bei dem der Leuchtfeuerwärter auf der Fahrt nach Arendal kenterte und ertrank.
Dank umfangreicher Aufzeichnungen konnte ich dem Buch Torungens Historie entnehmen, dass 1865 auf Store Torungen acht Personen im Haus des Leuchtfeuerwärters wohnten, neben dem Wärter dessen Ehefrau, die Schwägerin, die Tante der Ehefrau und vier Bedienstete sowie der Feuerassistent und dessen Dienstmädchen.
Auf Lille Torungen waren es neun Personen im Haushalt des Wärters, darunter fünf Kinder und zwei Bedienstete, im Haus des Assistenten ebenfalls neben dem Ehepaar fünf Kinder.
In den 1930er Jahren wurde auf Store Torungen eine „guvernante“ für die Kinder des Leuchtfeuerwärters beschäftigt, die auch den Unterricht der Kinder wahrnahm.
Lille Torungen alt (l.) und neu (r.)
Ungeachtet dessen, dass nun zwei Leuchtfeuer die Einfahrt nach Torungen wiesen, kam es dennoch zu Strandungen und Totalverlusten: Im Jahr 1888 war es der Dampfer „KONG OLAF“ und am 9. März 1905 der Dampfer „TORDENSKJOLDS“.
Auch auf Torungen erfolgten aufgrund der Vereinbarung der Leuchtfeuerverwaltung mit dem norwegischen Meteorologischen Institut Wetteraufzeichnungen, die heute automatisch erfasst und übermittelt werden.
Store Torungen wurde 2004 automatisiert und der letzte Leuchtfeuerwärter Per Solli verließ die Station am 1. Juli 2004.
Die Gebäude auf Store Torungen stehen heute für Übernachtungen und Vermietungen zur Verfügung.
Lille Torungen jedoch hat sich zu einem „Festival-Turm“ gewandelt, dank der Anstrengungen der Vereinigung Torungens Venner, Torungens Freunde, die sich seit 1982 um Lille Torungen kümmern. Hier finden jedes Jahr Konzerte statt, zu denen Hunderte Besucher mit dem Boot kommen. Der Turm wird auch als Galerie benutzt. In Zusammenarbeit mit der Provinzverwaltung wird die Umgebung gepflegt und eine Dokumentation über die Küstenkultur dieser Provinz erstellt. Die Unterkünfte im Turm von Lille Torungen stehen ebenfalls für Übernachtungen zur Verfügung. Dank Torungens Venner wird der Turm auch regelmäßig gepflegt; die Pflege des Store Torungen obliegt immer noch dem Kystverk.
Lille Torungen neu (l.), SS SØRLANDET (m.), Lille Torungen alt (r.)
Letztlich sei noch angemerkt, dass beide Türme unter Denkmalschutz stehen, u.a. wegen der Einmaligkeit der zwei Türme nebeneinander und der intakten Anlage von Store Torungen.
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Sandvikodden – Arendal – Aust-AgderSandvikodden von Süden gesehen
Bereits in den 1830er-Jahren arbeitete eine Gruppe von Reedern aus Arendal auf bessere Einfahrtsverhältnisse in den Galtesund nach Arendal hin. Am 26. Oktober 1839 stand ein Artikel von Chr. Stephansen im „Magazin for Søevæsen“, der auf Bestrebungen der Reeder hinwies, ein Leitfeuer für die Ansteuerung von Arendal zu bekommen. Zu diesem Zweck wurde vom 1. Januar 1840 bis 1844 ein Betrag von 900 Speziestalern, gesammelt aus einer Abgabe von 1,5 Schilling pro Kommerzlast der Tragfähigkeit des jeweiligen Schiffes der Arendaler Reeder.
Anmerkung: Die Kommerzlast war nicht nur in Norwegen ein übliches Maß für die Tragfähigkeit des Schiffes, sondern auch in anderen skandinavischen Ländern sowie in Bremen und Hamburg. In Norwegen maß die Kommerzlast bei größeren Schiffen über 200 Tonnen 2,08 metrische Tonnen, darunter 2,30 metrische Tonnen.
Da die Bewilligung für die Torungen Leuchtfeuer seitens der Leuchtfeuerdirektion bereits gegeben war, schlugen die Reeder vor, dieses eingesammelte Geld nun für ein Ansteuerungsfeuer zu verwenden. Am 21. Mai 1844 erschien in der Zeitung „Den vestlandske Tidende“ die Information, dass der Feuerdirektor Arntzen bekannt machte, dass mit Genehmigung des Königs unter Berücksichtigung der von den Reedern Arendals bereitgestellten Mittel auf Sandvikodden bei Arendal ein Leuchtfeuer nach den Zeichnungen des Feuerdirektors errichtet werden soll. Die Unterhaltung des Leuchtfeuers sollte aus den für Torungen und anderen Leuchtfeuern bereit gestellten Mitteln erfolgen.
Im Buch „Torungens Historie“ ist auf S. 132 eine genaue Aufstellung der bereitgestellten Mittel und der Aufwendungen für den Bau des Leuchtfeuers aufgeführt. Die von den Reedern bereit gestellten 900 Speziestaler (abgekürzt: Spd) waren das Startkapital. Hinzu kamen Einsparungen bei Utsira Leuchtfeuer 42 Spd, Torungen 220 Spd, direkter Zuschuss des Staates 300 Spd und weitere Beträge, insgesamt 1.471 Spd.
Das Grundstück für das Feuer war schnell gefunden, es sollte die ehemalige Kanonenbatterie bei Sandvikodden im Südosten der Insel Hisøy sein. Am 6. Mai 1844 wurde der Beschluss im Leuchtfeuerdepartement gefasst und das Feuer auf den Mauern der alten Kanonenbatterie gebaut.
Der Staat übertrug das Grundstück bei Sandvikodden am 27. Mai 1844 an die Leuchtfeuerverwaltung und der Bau konnte beginnen.
Die Kosten für den Bau setzten sich wie folgt zusammen:
Nes jernverk für das Feuerhaus 173 Spd
Dachdecker für den Turm mit Arbeitslohn 61 Spd
Zimmermann Sørensen erhielt zusammen 155 Spd
Zimmermann Geri Nilsen 84 Spd
Holzarbeiten für das Werkstattgebäude für Julius Petersen 665 Spd
Maurerarbeiten Werkstattgebäude, Brücke 166 Spd
Lohn für den „Feuerkerl“ 300 Spd
Insgesamt 1.604 Spd.
Woher die Differenz von 133 Spd kam, ist nicht bekannt.
Über die Inbetriebnahme der Leuchtfeuer Store Torungen, Lille Torungen und Sandvikodden erschien die Bekanntmachung in der Zeitung von Arendal, dass alle drei Leuchtfeuer am 1. September 1844 angezündet werden.
Sandvikodden von Norden gesehen
Sandvikodden bestand aus einem eineinhalb-geschossigen mit Paneelen versehenen Holzgebäude in Blockbauweise an dessen Ostgiebel das Feuerhaus angebracht war. Das Leuchtfeuer war ein festes Feuer, teilweise blinkend mit einer Linse 4. Ordnung. 1894 wurde das Leuchtfeuergebäude um drei Meter erhöht und ein kräftigeres Feuer installiert. 1934 wurde Sandvikodden Leuchtfeuer eingestellt und durch einen neuen, freistehenden Turm auf einem erhöhten Unterbau ersetzt. Das alte Leuchtfeuergebäude, das Werkstatthaus und das Bootshaus wurden in einer öffentlichen Auktion für 8.000 NOK an einen Privatmann verkauft.
Ein 10 Seemeilen reichendes Funkfeuer wurde 1939 bei Grødevikhauet errichtet und 1980 wieder eingestellt, da es nunmehr modernere Navigationsmittel, wie Radar gab. Ein Nautofon auf einem Pfahl war von 1940 bis 1984 in Betrieb.
Die Anlage von Sandvikodden wurde 1997 unter Denkmalschutz gestellt, da sie kaum geändert wurde und so die Entwicklung der Leuchtfeuertechnik darstellt.
Quellen:
Finn et fyr, Eli Johanne Ellingsve, Tapir Akademisk Forlag, Trondheim 2007, S. 135, 201,
Fyrene - kystens katedraler, Knut Baar Kristoffersen, Rune Nylund Larsen, Skagerrak Forlag, Sandefjord 2006, S. 52 f.,
Norske fyr - ei reise langs kysten, Ove Arne Olderkjær, Det Norske Samlaget, Oslo 2004, S. 136 ff.,
Norges Fyr, Fra svenskegrensen til Stad, Bind 1, Birger Björkhaug, Sven Poulsson, Grøndahl & Søn Forlag A.S., Oslo, 1986, S. 104 ff.,
Norske Fyr, Nasjonal verneplan for fyrstasjoner, Riksanikvarens rapporter nr. 24 1997, Danckert Monrad-Krohn, Oslo 1997, ISBN 82-7574-018-5, S. 62 ff.,
Sjømerkene – Veivisere og kulturminner, Kulturhistorisk oversikt over sjømerkene i Aust-Agder, Hans Roald Hanssen, Vest-Agder fylkeskommune, Arendal, 2000, S. 51 ff.,
Torungenes Historie, Et Jubileumsskrift over Lille og Store Torungen fyr gjennom 150 r, samt Sandvigodden fyrs historie, 3. utgave, Redigert og samlet av Ulrik S. Kirkedam, Hisøy Historielag 2004, s. 25, 45, 47, 63, 72, 75, 97 ff. 151,
Webseite der Møkalasset Venner:
http://mokkalasset.no/?page_id=13Webseite der Torungens Venner:
http://www.torungen-fyr.no/