Back Roads
Es gibt Viren, gegen die kann man sich – so gut es geht – schützen. Es gibt solche, gegen die gibt es Impfstoffe oder Medikamente. Und es gibt auch solche, gegen die ist kein Kraut gewachsen. Der Norwegen-Virus ist für mich das beste Beispiel für diese Kategorie.
Um meine Infektion mit diesem Virus zu pflegen, habe ich Anfang August diesen Jahres meine Alltagsmaske, Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel eingepackt und bin kurzentschlossen für eine Woche in Südnorwegen gereist. Alles mit meinem Mini-Camper, den viele von den Norwegenfreunden bereits aus meiner Reise im vergangenen Jahr kennen gelernt haben.
Leider hatte ich nur eine Woche Zeit – und ich stand vor der Frage, fahren oder nicht fahren? Aber ich musste nicht würfeln oder „Schnick-Schnack-Schnuck“ spielen, denn das Ergebnis stand für mich eigentlich von vornherein fest: „Lieber nur kurz fahren als gar nicht fahren“.
Für die Fahrt hatte ich mir vorgenommen, vorwiegend Nebenstraßen zu nutzen und vor allem, all die Schönheiten und Sehenswürdigkeiten aufzusuchen, zu denen ich – aus welchen Gründen auch immer – auf meinen bisherigen Reisen nicht gekommen war. Die Fahrt über den Gamle Haukelivegen war zum Beispiel eine „Herausforderung“, die ich in diesem Jahr meistern wollte. Aber fangen wir erst einmal an:
Anreise
Sonnabend, 01. August 2020 – ein perfekter Sommertag und Hauptreisezeit. Dänemark hatte (unter bestimmten Auflagen) ihre Grenzen wieder geöffnet und Schleswig-Holsteiner konnten auch ohne einen Nachweis von Übernachtungsstationen wieder einreisen. Und auch Norwegen hatte seine Quarantänebestimmungen für nahezu alle Mitgliedsstaaten des Schenkenraumes gelockert.
Am Mittag machte ich mich auf den Weg nach Norden. Die Fahrt nach Hirtshals ist für mich eine gewohnte Strecke und unspektakulär; nur einmal im Ort links herum und später noch einmal rechts auf die Autobahn. Danach geht es immer nur geradeaus. Also alles entspannt zu meistern.
Doch dieses Mal war alles anders; ein Stau am Rendsburger Kreuz bis hinter der Rader Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal und später noch mal 8 Kilometer Stau vor dem Grenzübergang Ellund nach Dänemark.
Also: Nebenstraße fahren – d. h. in meinem Fall die B77 / B 76 bzw. ab Schleswig die Landesstraße 317 bis zur B 200 kurz vor Flensburg und weiter bis zum Grenzübergang Kruså/Kupfermühle. Anschließend geht’s in Richtung Apenrade. Auch das klingt nach einer relativ entspannten Strecke – war es auch und zudem viel schöner als auf der Autobahn. Zudem entspricht dies dem diesjährigen „Motto“ meiner Kurzreise, nämlich „Back Roads“ (Nebenstraßen).
Circa 3 Kilometer vor der Grenze kam dann der erwartete und im Verkehrsfunk angekündigte Stillstand. Immerhin nur 3 Kilometer und nicht 8, wie auf der Autobahn und am Grenzübergang Ellund.
Die Fahrspuren verjüngen sich von drei auf zwei und später dann auf eine Spur. So etwas hemmt natürlich den Verkehrsfluss. Dabei ist es kein Wunder, dass ich für diese drei Kilometer vom Stauende bis zu Grenze knapp 1 Stunde benötige.
Am Grenzübergang ging es indes sehr zügig – der dänische Zöllner hat alle Autos nur durch gewunken. Also keine Kontrollen, keine Fragen „woher“ und „wohin“ und auch keine Belehrungen.
Kurz hinter dem Grenzübergang wird man automatisch von der Landstraße wieder auf die Autobahn E 45 geführt. Hier ist es weiterhin sehr voll. Die ersten Rastplätze nach dem Grenzübergang waren extrem überlaufen. Für mich hieß es „schnell weiter“. Zeit, Ruhe und ausreichend Platz (auch für die Einhaltung von Abstandsregeln) hatte ich dann etwas später.
Das Verkehrsaufkommen blieb hoch – so war es schließlich nicht verwunderlich, dass ich für die Strecke bis Hirtshals über 6 ½ Stunden brauchte; gut zwei Stunden mehr als üblich.
Mein Ziel für die Nacht vor der Überfahrt ist Kjul Strand Camping, etwa sechs Kilometer vom Color Line Terminal entfernt. Der Campingplatz ist kurz an der Lilleheden Dünenplantage gelegen und bietet viel Platz auf meist parzellierten Stellplätzen. Zum Strand sind es nur wenige Minuten bzw. etwa 400 Meter. Zugang zum Platz und zu den sanitären Anlagen erfolgt über eine Chipkarte, auf der dann auch die Einheiten für die Dusche abgerechnet werden.
Insgesamt macht der Campingplatz einen brauchbaren Eindruck; alles etwas „vintage“ um nicht zu sagen „in die Jahre gekommen“, aber sauber und gepflegt. Für eine Nacht vor der Fähre kann ich diesen Platz akzeptieren und auch empfehlen.
Den Abend verbringe ich am Camper, grille etwas zum Essen und mache später noch einen kleinen Spaziergang zum und am Strand.
Der Strand ist schön und erinnert mich an die befahrbaren Nordseestrände auf Rømø oder in Vejers; sehr breit mit einladender Dünenlandschaft und Möglichkeiten für einen erlebnisreichen Badetag. Das nutzen natürlich viele Tagesgäste, um mit ihren Autos und Wohnmobilen direkt an den Strand zu fahren. Etliche Schilder an der Einfahrt zum Strand weisen jedoch darauf hin, dass hier ein Campen oder Übernachten verboten ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das sehr teuer werden kann, wenn man diese Gebote/Verbote ignoriert.
Am Abend und auch in der Nacht ist der Campingplatz sehr ruhig; trotz Hochsaison ist wenig los. „Corona bedingt“??? Ich weiß es nicht.
1. Tag – 02. August 2020
In der Nacht fing es an, leicht zu regnen. Das bleibt auch den ganzen Vormittag so. Die neue Markise an meinem Caddy macht sich echt bezahlt! Ich kann im Freien frühstücken.
Anschließend Duschen und aufräumen, Geschirr abwaschen und noch einmal Kaffee kochen für später.
Gegen 10:30 Uhr verabschiede ich mich von dem Campingplatz und zahle 174 DKK (Stellplatz, 1 Erw., Strom und Dusche); umgerechnet sind das rund 23,80 €. Geht ja noch!
Schnell noch den Tank auffüllen; wer weiß, wie teuer der Kraftstoff in Norwegen ist. Aber mit rd. 1,30 €/L komme ich in Dänemark auf nicht besonders günstig aus der Nummer. Egal – jetzt habe ich erst einmal Kraftstoff für knapp 1.000 Kilometer.
Der Check-Inn am Fährterminal der Color Line geht sehr zügig; Bordkarte, Zettel mit einem großen „K“ für die Windschutzscheibe und natürlich schriftliche Hinweise wegen Covid 19. Ein Mund-Nasen-Schutz wird nirgends erwartet.
Pünktlich eine Stunde vor der Abfahrt läuft die Superspeed ein. Nun heißt es, noch eine Weile warten, bis man mit seinem Fahrzeug an der Reihe ist, in den Bauch des Schiffes zu fahren.
Auch das Boarding erfolgt mit der gewohnten Präzision und geht sehr schnell. Dabei habe ich Glück und muss nicht auf die Rampe zum PKW-Deck, sondern fahre in den Bauch zu den Wohnmobilen und Lastkraftwagen.
Danach zügig ins Büfett-Restaurant „Catch me if you can“ auf Deck 8. Ich hatte reserviert und bekomme gleich einen Tisch zugewiesen. Die Hygienestandards sind hoch; die Regelungen werden sehr ernst genommen. Das fängt bei den Abständen zwischen den Tischen und Plätzen an und endet bei fortlaufender Desinfektion aller Geräte und Automaten. Desinfektionsspender, Richtungspfeile auf dem Boden, Abstandsgebote und Einmalhandschuhe sind selbstverständlich. Erleichtert wird die Einhaltung durch die Tatsache, dass nur ca. ¼ aller Plätze besetzt sind.
Das Büfett ist gewohnt gut; kalte und warme Speisen, Fleisch, Fisch, Schalentiere, Geflügel, Gemüse und Salate in vielen Variationen. Dazu ein sehr gutes Nachspeisebüfett. Für jeden ist etwas dabei und noch in guter Qualität. Für meine 30 € nehme ich die Color Line wörtlich „Catch me if you can“!!
Nach dem Essen wechsele ich den Platz in Richtung Panorama-Fenster, um noch etwas von Meer und der Überfahrt zu sehen. Das war vorher nicht so gut möglich und der Restaurantplatz steht mir während der gesamten Überfahrt zur Verfügung.
Ein kurzer Rundgang im Duty-free-Shop zeigt mir spätere, dass sich ein Kauf für Deutsche kaum lohnt. Das mag für die Skandinavier anders sein; für deutsche Verhältnisse ist hier an Bord alles mindestens so teuer, wie zu Hause.
Überpünktlich legt die Superspeed in Kristiansand an. Ca. 15 Minuten zuvor werden die Passagiere in Abständen zu den einzelnen Autodecks gebeten. Damit gibt es kein Gedränge in den Treppenabgängen und ein gewisser Sicherheitsabstand kann einigermaßen eingehalten werden.
Das Ausschiffen geht für mich superschnell. Ich stehe mit meinem Camper in der mittleren Spur, die zuerst von Bord gewunken wird, bevor es links und rechts weiter geht. So bin ich auch schnell aus dem Hafenbereich, durch den Zoll und auf dem Riksveien 9 in Richtung Evje – eine mir sehr vertraute Strecke. Und in den letzten Jahren hat sich hier nichts verändert.
Sonntagnachmittag im Zentrum von Evje ist nicht viel los; zwei Supermärkte haben geöffnet aber die Leute drängeln sich um die wenigen Plätze bei einem Imbiss und einer Hamburger-Station. Neu scheint mir ein thailändisches Restaurant am Marktplatz. Auch hier sind alle Tische besetzt, wie ich erkennen kann. Ansonsten ist in dem Ort „tote Hose“!
Ich hole schnell ein paar norwegische Kronen am Minibank-Automaten und mache mich weiter auf den Weg in Richtung Haukeli/Hovden. Immer entlang der Otra und dem Byglandsfjord durch das wunderschöne Setesdal. Dabei ist ein kurzer Besuch am Syrveitfossen für mich selbstverständlich!
Mein heutiges Etappenziel ist der Flateland Campingplatz, schön an der Otra gelegen und mit von den Besuchen 2012 und 2019 einigermaßen vertraut. Ich finde einen schönen Platz am Fluss und genieße den Abend, nachdem es zum Abend hin aufhört zu regnen.
Fortsetzung folgt