von Pilze-Börnie » Mi, 26. Apr 2006, 22:49
Hallo Leute,
jetzt lasst mal die Kirche im Dorf und den Fuchsbandwurm im Fuchsbau.
Es ist geradezu abenteuerlich, was da für Geschichten und Histörchen verbreitet werden.
Fangen wir hier mal bei muheijo an: Der Fuchsbandwurm wird durch den Kot des Fuchses und nicht durch dessen Pippi ausgeschieden und deshalb würde es gar nix machen wenn Reineke mal auf ein Bärlauchblatt gepinkelt hätte.
Dann die Historie mit den Himbeeren, also da fällt mir doch glatt die Geschichte mit dem Fuchs und den sauren Trauben ein, die hingen ihm ja auch viel zu hoch und wie hoch bitteschön soll der Fuchs denn springen, damit er endlich zur Freude aller Unkenrufer auf die arme brave Himbeere sch... kann???
Ne, jetzt gehn wir das Thema mal sachlich an und ich will versuchen Euch die Sache so klarzulegen wie wir dies als Pilzsachverständige auch in unseren Fortbildungskursen gelernt haben.
Überall, so auch beim Fuchsbandwurm gibt es den sogenannten Kreislauf des Lebens. Starten wir in dem Moment, in dem der Fuchsbandwurm seine Nachkommenschaft aus dem Fuchs hinaus ins Freie entlässt:
Also diese Nachkommenschaft besteht aus Finnen (so wird das Zwischenstadium im Leben des Fuchsbandwurms genannt) und diese Finnen werden gemeinsam mit dem Kot des Fuchses, der übrigens damit und nicht wie der Hund mit seinem Urin, sein Revier markiert, ausgeschieden.
Das bedeutet also, dass der Kot vom Fuchs gezielt abgelegt wird um sein Revier abzustecken und dazu muß sich sein markanter "Eigenduft" gut verbreiten können. Dass dies weder im Bärlauchfeld noch im Himbeer- oder Brombeer- oder in sonstigem Gestrüpp befriedigend der Fall sein dürfte ist klar. Also wo legt der buchstäblich so schlaue Fuchs seinen Kot ab??? Klar überall dort wo der Wind freien Zugang zu der Duftmarke hat, also auf erhöhten Steinen, auf Stubben, Feld- und Waldwegen usw. , denn dort erfüllt der Duft seinen speziellen Zweck. Auf keinen Fall zieht sich der Fuchs zum Zwecke seines Geschäftes ins dichte Unterholz/Gestrüpp zurück, wo er sich dann auch noch die Dornen in die Pfoten rennt.
Gefährtete Personen: Krabbelnde Kleinkinder auf den Wegen und Hundebesitzer mit freilaufenden Hunden, die anschließend nach ordentlicher Beschnupperung des Fuchskots Herrchen ablecken...
Okay, zurück zu den Finnen: Diese warten nun am Kot klebend darauf in einen anderen Organismus aufgenommen zu werden. Der Kreislauf des Fuchsbandwurmlebens beginnt wenn Kleinstsäuger wie Mäuse, Ratten usw. den Fuchskot fressen. In diesen Kleinsäugern nisten sich die Finnen in der Leber ein und legen dort auch ihre FuchsBandWurm-Eier ab. Die Tiere erkranken und werden dadurch eine leichte Beute für den Fuchs. So gelangen die Eier wieder in den Fuchs, wo das normale Bandwurmleben von vorne beginnt.
Für uns Menschen sind mehrere Faktoren besonders wichtig.
- zum einen sind wir für die Finnen ein denkbar schlechter Zwischenwirt, denn die Finnen sind bei einem gesunden Menschen nicht in der Lage die stabile Magen- oder Darmwand zu durchdringen und darum verlassen sie sofern überhaupt welche in den Magen-Darmtrakt gelangt sind, in aller Regel den Menschen wieder auf natürlichem Wege.
Ausnahme hier sind Menschen mit stark angegriffener Gesundheit besonders des Verdauungstraktes. Nur an entzündeten blutenden extradünnen usw. Magen-Darmwänden könnte es den Finnen tatsächlich gelingen in die menschliche Blutbahn zu gelangen und von dort aus in die Leber vorzudringen, die dann über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren so stark geschädigt wird, dass der Patient an der Infektion stirbt.
- So das war die schlechte Nachricht. Nun die gute.
Während die Finnen auch minus 30° noch locker überstehen, überleben sie Erhitzung auf mindestens 70° nicht. Also Pilze und Beeren kurz überbrüht killt diesbezügliche Feinde sicher ab.
- Der Finnen ärgster Feind ist jedoch die "Austrocknung", die sie nicht überleben. Sie sind darauf angewiesen, binnen 24 Stunden von einem anderen Organismus aufgenommen zu werden sonst sterben sie ab. Und genau hier liegt der erste Schwachpunkt in der Argumentation der Panikmacher. Es stellt sich doch die Frage wie denn nun die Finnen auf die Pilze/Beeren/den Bärlauch usw. kommen. Die Panikmacher erklären uns die sind so leicht die schweben mit dem Wind davon und setzen sich auf den Pilzen, Beeren usw. ab. Dazu kann ich nur sagen, Leute ihr habt die Austrocknung vergessen. Der Kot des Fuchses ist feucht. Die Finnen kleben daran fest. Erst wenn der Kot mehr und mehr austrocknet und dabei in Staub zerfällt, ist es überhaupt möglich, dass sich die Finnen vom Fuchskot ablösen und davonfliegen könnten. Dann sind sie aber auch bereits ausgetrocknet und somit mausetot, denn dieser Prozess dauert deutlich länger als 24 Stunden.
Der zweite Haken in dieser Argumentation der Panikmacher ist folgender, selbst wenn alles so wäre wie von ihnen behauptet und die Finnen binnen kürzester Zeit bereits durch die Luft wirbeln würden, würde das doch für uns alle in der Konsequenz bedeuten, dass wenn wir gern im Wald spazieren gehen, joggen, radfahren, jagen oder auch arbeiten, wir ständig und mit jedem Atemzug, insbesondere bei Mundatmung, die durch die Luft wirbelnden Finnen einatmen und selbstverständlich auch verschlucken würden. Es müßten also bereits wahre Heerscharen an Fuchsbandwurmerkankten vorhanden sein, die alle auf den Genuß von Pilzen /Beeren / Bärlauch verzichtet haben, abwer über die Luft infiziert wurden. Die logische Konsequenz wäre demzufolge wir müßten doch alle aus dem Wald herausbleiben oder? Aber auch das würde uns vermutlich nichts nützen den wer sagt denn, dass die in der Luft befindlichen Finnen an der Waldgrenze halt machen???
Und nun noch ganz zum Schluß ein besonderer Leckerbissen für alle Städter und unsere Gartenfreunde. Da Füchse nun mal Kulturfolger sind und sich die Nahrung dort holen wo sie am leichtesten zu beschaffen ist, gibt es in allen unseren Städten und Dörfern jede Nacht unzählige Füchse die auf der Suche nach der leichten Beute durch die Vorgärten, Gärten, Höfe, Hinterhöfe usw. streifen. Ja warten die denn erst bis sie wieder im Wald sind bevor sie tun was sie müssen wenn sie müssen???
Ja und da hab ich doch glatt bis heute noch nie von jemandem gehört, der wegen der Fuchsbandwurmgefahr auf den Genuß von Freiland-Obst und -Gemüse, Salat und Erdbeeren usw. verzichtet.
Sicher gibt es die Gefahr und wenn wirklich jemand durch den Fuchsbandwurm infiziert ist, so ist das eine sehr sehr ernste Erkrankung, die leider noch immer in den meisten Fällen nach ca. 15 - 20 Jahren zum Tod führt. Allerdings infizieren sich jedes Jahr nur sehr sehr wenige Menschen (in der Bundesrepublik sind es keine 20 Personen pro Jahr bei einer Bevölkerungsdichte von 80 Mio.). Wenn ich da dann an die tausenden und abertausenden Unfalltoten im Verkehr, die Drogentoten Alkoholtoten usw. denke, kann ich diese Art der Panikmache wie sie sich gerade rund um den Fuchsbandwurm herum manifestiert, einfach nicht nachvollziehen.
So ich hoffe ich konnte mit diesem Beitrag etwas zur sachlichen Aufklärung über die faktisch minimale Ansteckungsgefahr für den Menschen durch den Fuchsbandwurm beitragen und wünsche denen die sich von der Panikmache nicht anstecken lassen weiterhin guten Appetit beim Genuß von Bärlauchpesto, ich liebe den Bärlauch auch.
Gruß Pilze-Børnie